Politik
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EU-Entscheidung zu Ostsee-Fangquoten: Deutsche Umwelthilfe kritisiert Beschlüsse als unzureichend
Pressemitteilung, 24.10.2023, DUH
- Neue Fangquoten der EU-Fischereiministerinnen und -minister sind eine vertane Chance, die Ostseefischerei auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen
- DUH fordert ökosystembasiertes Fischereimanagement und ein sofortiges Verbot von Grundschleppnetzen in Meeresschutzgebieten
- Nach jahrelanger Überfischung braucht es weitreichende Maßnahmen, damit sich die zusammengebrochenen Dorsch- und Heringspopulationen erholen können
Berlin, 24.10.2023: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die neuen Fangquoten für die Ostsee als unzureichend. Mit den heutigen Beschlüssen haben es die EU-Fischereiministerinnen und -minister verpasst, der Ostseefischerei einen Weg in die Zukunft zu ebnen. Zwar ist sinnvoll, dass die direkten Fangverbote für die dezimierten Dorsch- und westlichen Heringspopulationen beibehalten wurden. Auch darf die Freizeitfischerei in der westlichen Ostsee, das heißt auch an der deutschen Ostseeküste, keinen Dorsch mehr fangen. Allerdings basieren die Entscheidungen des EU-Rats nicht konsequent auf einem ökosystembasierten Fischereimanagement. Insbesondere die Fangquote für Sprotten ist viel zu hoch und birgt die Gefahr, dass große Heringe als Beifang in den Netzen dieser Fischerei landen. Auch die Schollenquote müsste noch niedriger sein, um Beifang von Dorsch zu reduzieren.
Zudem hätte der EU-Rat die direkte Heringsfischerei im Bottnischen Meerbusen in Finnland und in der zentralen Ostsee schließen müssen. Die DUH ist entsetzt, dass die EU-Fischereiminister ihren eigenen Mehrjahresplan für die Ostseefischerei missachten und diese stark überfischten Populationen entgegen jeder Vernunft weiter befischt werden. Die DUH fordert neben ökosystembasierten Fangquoten ein sofortiges Verbot von Grundschleppnetzfischerei in Schutzgebieten, zusätzliche Schongebiete und eine Ausweitung der Schonzeiten.
Dazu DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Das bisherige Fischereimanagement der EU ist gescheitert. Die Ostsee zeigt auf besonders erschreckende Art und Weise, wohin chronische Überfischung und Missmanagement führen. Viele Fischpopulationen sind nur noch ein Bruchteil dessen, was sie einmal waren. Der Zustand von Hering und Dorsch, den einstigen „Brotfischen“ der deutschen Ostseefischerei, ist anhaltend katastrophal. Die EU hat Jahr für Jahr zu viele Fangquoten oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlungen festgesetzt, jetzt gibt es die Quittung – und ein Umdenken ist trotzdem nicht in Sicht.“
DUH-Meeresteamleiterin Katja Hockun führt weiter aus: „Es bedarf jetzt einer konsequenten Anwendung eines ökosystembasierten Fischereimanagements für die Ostsee, das auf die langfristige Erholung der Populationen abzielt, anstatt auf kurzfristige Profite. Die EU muss das Ökosystem Ostsee mit seinen Wechselwirkungen als Ganzes im Blick behalten, anstatt nur auf die einzelnen Populationen zu schauen und diese weiter zu überfischen. Denn neben dem zu hohen Fischereidruck, machen den Fischen auch die steigenden Wassertemperaturen und der Sauerstoffmangel zu schaffen. Wenn wir die Ostseefischerei wirklich erhalten wollen, brauchen wir einen besseren Schutz für unsere Ostseefische. Denn ohne Fische keine Fischerei.“
Ökosystembasiertes Fischereimanagement bedeutet, anstelle von Einzel-Arten-Management, die Wechselbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Arten im Nahrungsnetz zu berücksichtigen. Fangquoten müssen auch vorsorglich niedriger als die wissenschaftlich berechneten Höchstwerte festgelegt werden, um Unsicherheiten bezüglich der Populationsgrößen und Veränderungen im Ökosystem zu berücksichtigen.
In einem im Mai 2023 veröffentlichten Rechtsgutachten hat die DUH bereits gezeigt, dass Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten im Küstenmeer der Ostsee rechtswidrig sind und juristisch dagegen vorgegangen werden kann.
Hintergrund:
Schon letztes Jahr wurden der gezielte Fang vom Dorsch in der östlichen und westlichen Ostsee sowie vom Hering in der westlichen Ostsee nicht zugelassen. Außerdem wurde erstmals die Quote für die Schollen-Fischerei niedriger angesetzt als die wissenschaftlich berechneten Höchstwerte, da diese Fischerei mit erheblichem Dorschbeifang einhergeht. Dies wurde von der DUH als kleiner Erfolg bewertet, da erstmals Prinzipen des ökosystembasierten Fischereimanagements ansatzweise angewandt wurden. Allerdings waren die Beifangquoten für Dorsch und westlichen Hering noch immer zu hoch, und auch die Quoten für Sprotte und Hering in der zentralen Ostsee wurden deutlich höher angesetzt als die wissenschaftlichen Empfehlungen.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.
Die diesjährige Agrarministerkonferenz in Kiel zeigt erneut, dass eine Reform der Fischerei nicht ausreicht, sondern ein Neuanfang dringend notwendig ist.
Verbot von Mikroplastik: EU zu zaghaft
Pressemitteilung, 14.10.2023, BUND
BUND kritisiert die weitere Verwendung von flüssigen und halbfesten Kunststoffen.
Zum Inkrafttreten des teilweisen Verbots von Mikroplastik in der EU erklärt Luise Körner, Leiterin Chemieteam beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Das Verbot von festem Mikroplastik in Produkten wie Körperpeelings oder losem Glitzer ist ein erster Schritt zum Schutz unserer Gesundheit und Umwelt. Die weitere Verwendung von flüssigen und halbfesten Kunststoffen hingegen ist ein Risiko.
Viele Hersteller von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten haben auf Druck von Verbraucher*innen bereits jetzt ihre Inhaltsstoffe angepasst und festes Mikroplastik aus ihren Produkten verbannt. Mit der BUND ToxFox-App sehen wir jedoch, dass Unternehmen festes Mikroplastik häufig durch flüssige Kunststoffe ersetzen. Auch flüssige Kunststoffe sind synthetische Polymere, die in der Umwelt nur schwer bis überhaupt nicht abgebaut werden können. Über das Abwasser gelangen diese Stoffe in die Naturkreisläufe. Den vermehrten Einsatz von flüssigen synthetischen Polymeren kritisieren wir und fordern auch hierfür ein EU-weites Verbot.
Die von der EU eingeräumten langen Übergangzeiten für die Verwendung von Mikroplastik in Produkten sind angesichts von bereits existierenden, nachhaltigen Alternativen unverständlich. Beispiel hierfür sind zertifizierte Naturkosmetikprodukte, die ohne jegliches Mikroplastik und flüssige Kunststoffe auskommen.“
BUND-Tipp: Verbraucher*innen können selbst aktiv werden: Die BUND ToxFox-App scannt den Barcode von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten und gibt direkt Auskunft, ob darin Mikroplastik, flüssige Kunststoffe oder andere problematische Inhaltsstoffe enthalten sind.
Hintergrund
Mittlerweile finden wir Mikroplastik überall: Im Wasser, im Boden und auch in unseren Körpern. Die Langzeitfolgen der Plastifizierung unseres Planeten für uns und unsere Umwelt sind ungewiss. Allerdings deuten viele Studien darauf hin, dass Mikroplastik im Körper Entzündungen hervorrufen kann. Meerestiere wie Krebse und Muscheln verwechseln Mikroplastik mit Nahrung. Zudem wirken die kleinen Plastikteilchen wie ein Magnet für Schadstoffe.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BUND.
Obwohl das Verbot von festem Mikroplastik nicht ausreichend ist, wurde dieses Jahr ein bedeutender Fortschritt im Kampf gegen die weltweite Plastikverschmutzung erzielt. Im September hat der Bundestag Abgaben für To-Go-Becher und Zigarettenkippen aus Einwegplastik festgelegt, und die UN hat den ersten Entwurf für ein globales Plastikabkommen vorgelegt.
Windenergie-Ausbau auf See ohne Perspektive für Naturverträglichkeit
Pressemitteilung, 06.10.2023, NABU
Krüger: Die Bundesregierung muss umsteuern – Nordsee wird zum Industriegebiet
Berlin – In seiner Stellungnahme zum Vorentwurf des neuen Flächenentwicklungsplans Offshore kritisiert der NABU erneut das Festhalten am politischen Ausbauziel 70 Gigawatt und die rücksichtslose Industrialisierung der Nordsee. Während die Wissenschaft vor irreversiblen großflächigen Umweltschäden warnt, die Unvereinbarkeit der Windkraftplanung mit den europäischen Naturschutzzielen unstrittig ist, baut Deutschland weiter Umweltstandards ab, will zusätzliche Gebiete für den beschleunigten Windausbau genehmigen. Der NABU fordert ein Umsteuern der Politik und eine vorzeitige Neuordnung der marinen Raumordnung mit dem Ziel, Nord- und Ostsee zu entlasten.
„Wir brauchen die Windkraft auf See. Doch wenn Ausbauziele, zur Verfügung stehende Meeresfläche, Nutzungskonkurrenzen und Naturschutz nicht zusammenpassen, muss die Politik den Mut zur Korrektur der eigenen Ziele haben. Schon heute ist die Nordsee durch Fischerei, Schifffahrt, Rohstoffabbau, Hunderte Plattformen und Pipelines übernutzt. Alle Umweltziele wurden verfehlt. Um ehrgeizige Ziele für die Windenergie zu rechtfertigen, muss zuerst der Druck auf das Ökosystem sinken“, mahnt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Deutschland verfolgt mit seinem kleinen Flächenanteil die ehrgeizigsten Pläne aller Nordsee-Anrainerstaaten. Auf fast 20 Prozent der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone sollen sich ab dem Jahr 2045 Windräder drehen. Nach Überzeugung des NABU schafft auch der neue Flächenentwicklungsplan keine Erleichterung für die Natur. Die Naturverträglichkeit der Energiewende geht so vollständig verloren.
„Wir müssen endlich unsere Nutzung daran ausrichten, was das Ökosystem Meer verträgt. Das gilt auch für die Offshore-Windenergie. Die Bundesregierung muss das Ausbauziel reduzieren. Nur so können Klima- und Naturschutz gleichermaßen gelingen“, so Krüger weiter.
Erst kürzlich hatte der europäische Rechnungshof in einem Bericht darauf hingewiesen, dass der Offshorewind-Ausbau die aufsummierten Effekte auf das Ökosystem nicht ausreichend berücksichtigt. Dennoch hält der Vorentwurf des neuen Flächenentwicklungsplans vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 70-Gigawatt-Ziel fest. Zwar sollen vorerst keine Schutzgebiete bebaut werden, doch gehen zusätzliche, wichtige Lebensräume für Seevögel und Schweinswale verloren. Das schließt auch Flächen ein, die der NABU in seiner Studie zur Identifizierung von naturverträglichen Offshorewind-Flächen als nicht geeignet eingestuft hatte. Sinnvolle Ansätze beim Monitoring von Vogelkollisionen oder Anreize für schallarme Gründungsverfahren können nach Überzeugung des NABU in der Gesamtschau nicht die massiven ökologischen Folgeschäden auffangen. Nach einer aktuellen Studie der North Sea Energy Cooperation sind die Nordsee-Ausbauziele unvereinbar mit den Zielen europäischer Naturschutz-Richtlinien.
„Ohne konkrete Vorgaben zu temporärer Abschaltung läuft auch ein Kollisionsmonitoring ins Leere. Zudem muss ein viel stärkerer Fokus auf die Förderung schallarmer Bauverfahren gelegt werden, um auch zukünftig etablierte Schallgrenzwerte einzuhalten. Es gilt grenzübergreifend die naturverträglichsten Standorte für Windenergie zu identifizieren und die Energiewende endlich zu einem grünen europäischen Projekt zu machen. Der nationale Wettlauf um Flächen und Ausbauziele kennt nur einen Verlierer: das Meer“, so NABU-Meeresschutzexperte Dominik Auch.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung haben mehrere Umweltverbände bereits 2021 vor der Industrialisierung von Nord- und Ostsee gewarnt. Im Zuge dessen hat der NABU dieses Jahr eine Studie zur räumlichen Planung der Offshore-Windenergie in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee veröffentlicht.
Landes-Pilotprojekt zu Geisternetzen startet in Schleswig-Holstein
Pressemitteilung, 02.10.2023, WWF
WWF koordiniert Suche, Bergung und Entsorgung von Geisternetzen in der Ostsee
Im September startete in Schleswig-Holstein das bundesweit zweite Pilotprojekt zur Bergung von Geisternetzen, das mit von einem Küstenbundesland verwalteten Fischereigeldern finanziert wird. Der WWF wird die Suche, Bergung und Entsorgung von Geisternetzen in der Ostsee federführend durchführen und dabei mit der Fischerei und den Behörden eng zusammenarbeiten.
Finn Viehberg, Leiter des WWF-Büros Ostsee, lobt den Einsatz der Landesregierung. „Die Bergung von Geisternetzen ist eine staatliche Aufgabe. Schleswig-Holstein kommt nun dieser Verantwortung nach und hat dabei auch die Entwicklung einer langfristigen Lösung im Blick. Der WWF freut sich, diesen Weg gemeinsam mit dem Land zu gehen.“
Mit der vom WWF entwickelten Sonarsuche werden die Netze in Küstenfischereigebieten ausfindig gemacht, um sie anschließend zu bergen und zu entsorgen. Die Fischereibetriebe unterstützen dabei mit ihren Kuttern. „Es ist wichtig, die Fischerei einzubinden. Die Fischer kennen ihr Revier und sind eine wertvolle Unterstützung für das Projekt“, erklärt Finn Viehberg.
Die Empfehlungen aus dem Pilotprojekt sollen am Ende zu einer langfristigen Lösung für das Problem verlorener Fischernetze führen. Klare Regelungen können die Fischereibetriebe auch dazu motivieren, Netzverluste durch Unfälle auf See zu melden, damit eine zeitnahe Bergung möglich ist. Ziel des WWF ist es, dass Schleswig-Holstein und die anderen Küstenländer die Such- und Bergungseinsätze in Zusammenarbeit mit den Fischereien in Zukunft selbst durchführen.
Das Projekt „Verlorene Fischernetze Schleswig-Holstein“ läuft für zwei Jahre und wird vom Land Schleswig-Holstein mit 260.000 Euro aus Eigenmitteln und aus dem Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfond (EMFAF) gefördert. Es findet in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Fischerei des Landwirtschaftsministeriums und der Abteilung Meeresschutz des Umweltministeriums des Landes Schleswig-Holstein statt.
Seit 2013 entwickelt und erprobt der WWF verschiedene Methoden zur Suche und Bergung von Geisternetzen. Mehr als 26 Tonnen Schlepp- und Stellnetze konnte die Umweltschutzorganisation seit 2015 aus der Ostsee bergen. Dafür hat der WWF bisher über 1,5 Millionen Euro aus eigenen Mitteln in die Entwicklung und Erprobung investiert.
Hintergrund
Als Geisternetze bezeichnet man herrenlose Fischernetze, die teils jahrzehntelang im Wasser treiben können oder am Meeresboden liegen. Sie bestehen aus Kunststoff und können etwa 30 – 50 Prozent des Plastikmülls in den Meeren ausmachen. Oft werden die herrenlosen Netze zur tödlichen Falle für Seevögel, Fische oder Meeressäuger. Nur indem Geisternetze aus dem Wasser entfernt werden, lässt sich verhindern, dass sie mit der Zeit zu Mikroplastik zerfasern, und sich so Kunststoffe in der Nahrungskette anreichern.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.
Geisternetze verursachen einen großen Teil der Plastikverschmutzung im Meer. 2018 schätzte die FAO (Food and Agriculture Organization), dass jährlich etwa 640 000 Tonnen Fischereinetze weltweit in den Ozeanen landen. Das UN-Plastikabkommen, das diesen November verhandelt wird, ist auch deshalb ein besonderer Erfolg, weil es auch auf Geisternetze verweist.
Bundestag legt Abgaben für To-Go-Becher und Zigarettenkippen aus Einwegplastik fest
Pressemitteilung, 29.09.2023, BMUV
Der Bundestag hat gestern Abend die Einwegkunststofffondsverordnung beschlossen. Die Verordnung legt die Höhe der Abgabesätze und das Auszahlungssystem für den Einwegkunststofffonds fest. In den Fonds zahlen die Hersteller von bestimmten Einwegkunststoffprodukten eine Abgabe ein, um die öffentliche Hand bei der Bekämpfung der Vermüllung der Umwelt zu unterstützen. Die Verordnungsermächtigung ist in dem im Mai 2023 verabschiedeten Einwegkunststofffondsgesetz verankert. Das Gesetz schafft die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung und Verwaltung des Einwegkunststofffonds durch das Umweltbundesamt.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Zigarettenkippen, To-Go-Becher und Einmal-Essensbehälter landen viel zu oft an Straßenrändern, in unseren Parks und Wäldern und sind Ausdruck der Verschmutzungskrise. Die Kosten für Reinigung und Entsorgung des achtlos weggeworfenen Wegwerfplastiks trägt bislang die Allgemeinheit. Das wird sich ab 2024 ändern. Wer sein Geschäft darauf stützt, Wegwerfprodukte aus Plastik auf den Markt zu bringen, wird sich dann an den Sammlungs- und Reinigungskosten der Kommunen beteiligen. Mit der Verordnung schaffen wir nun auch die nötige Rechtssicherheit für alle betroffenen Akteure.“
Die in der Verordnung vorgesehenen Abgabesätze sind im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie des Umweltbundesamtes ermittelt worden. Dazu wurden unter anderem die tatsächlich anfallenden Kosten für die Reinigung von Abfällen aus Einwegkunststoffprodukten im öffentlichen Raum ermittelt. So werden für je Kilogramm in Verkehr gebrachte Produkte folgende Abgaben fällig:
- Tabakfilter: 8,972 Euro je Kilogramm
- To-Go-Getränkebecher: 1,236 Euro je Kilogramm
- To-Go-Lebensmittelbehälter: 0,177 Euro je Kilogramm
- Tüten und Folienverpackungen: 0,876 Euro je Kilogramm
- Getränkebehälter ohne Pfand: 0,181 Euro je Kilogramm
- Getränkebehälter mit Pfand: 0,001 Euro je Kilogramm
- leichte Plastiktüten: 3,801 Euro je Kilogramm
- Feuchttücher: 0,061 Euro je Kilogramm und
- Luftballons: 4,340 Euro je Kilogramm.
Auf der Basis der angegebenen Abgabesätze kann jedes Unternehmen anhand der in Verkehr gebrachten Menge nun ganz konkret berechnen, in welcher Höhe die Abgabe künftig zu leisten ist. Die Abgabe haben die Hersteller erstmals ab dem Frühjahr 2025 zu leisten und zwar auf der Basis der im Kalenderjahr 2024 in Verkehr gebrachten Produktmenge. Zur Abwicklung des Einwegkunststofffonds entwickelt das UBA derzeit die erforderlichen Datenbanken. Die Registrierung der Hersteller und Anspruchsberechtigen soll pünktlich zum 1. Januar 2024 starten.
Auch das Punktesystem für die Auszahlung der Fondsmittel an die anspruchsberechtigten Kommunen wird durch die Einwegkunststofffondsverordnung festgelegt. Es sieht für die Reinigungs-, Sammlungs-, Entsorgungs- und Sensibilisierungsleistungen im Innerorts- wie im Außerortsbereich die Vergabe von Punkten vor. Dabei wurde darauf geachtet, dass die von den Anspruchsberechtigten anzugebenden Kennzahlen so genau wie nötig, aber so unbürokratisch wie möglich festgelegt wurden. Anzugeben von den Kommunen sind zum Beispiel das Papierkorbvolumen, die gefahrenen Reinigungskilometer und die entsorgte Abfallmenge.
Die Abgabesätze und das Punktesystem werden nach den gesetzlichen Vorgaben alle drei Jahre durch die Bundesregierung überprüft. Das Umweltbundesamt (UBA) wird dazu wieder eine Studie zur Ermittlung der notwendigen Daten in Auftrag geben. Bei der Konzeptionierung dieser Studie und der anschließenden Änderung der Verordnung wird die neue Einwegkunststoffkommission beteiligt. Diese Kommission ist ebenfalls im Einwegkunststofffondsgesetz verankert, sie hat sich am 28. September 2023 erstmals konstituiert.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.
Seit Anfang September diesen Jahres liegt der erste Entwurf für ein globales Plastikabkommen vor. Das finale UN-Plastikabkommen wird Ende 2024 erwartet und soll die globale Plastikflut damit endlich wirksam bekämpfen.
Weiterer Erfolg gegen Gasbohrungen vor Borkum: Deutsche Umwelthilfe erreicht vor Gericht Aufrechterhaltung des Baustopps
Pressemitteilung, 29.09.2023, Deutsche Umwelthilfe (DUH)
- Rechtbank Den Haag stellt in achtstündiger Verhandlung klar, dass weiterhin keine Bohrplattform vor Borkum errichtet werden darf
- Auch Meeresschutz, Klimaschutz und die drohende Zerstörung von Riffen wurden ausführlich verhandelt
- Weitere Verhandlung für Januar 2024 angekündigt, bis dahin sind neue Gasbohrungen ausgeschlossen
Berlin, 29.9.2023: In ihrer Klage gegen neue Gasbohrungen in der Nordsee vor der Küste Borkums hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen weiteren Erfolg errungen. Das niederländische Gericht Rechtbank Den Haag hat gestern in der mündlichen Verhandlung des Hauptsacheverfahrens klargestellt, dass bis auf Weiteres keine Bohrplattform vom niederländischen Konzern One-Dyas errichtet werden darf. Die DUH klagt gemeinsam mit ihren Partnern von der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, der Insel Borkum und der niederländischen Umweltorganisation Mobilisation for the Environment gegen die geplanten Gasbohrungen. Das fossile Bohrprojekt direkt vor dem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer steht im gravierenden Gegensatz zu sowohl dem Klimaschutz wie auch dem Meeresschutz und darf nicht genehmigt werden.
Bereits im April 2023 konnte sich das Bündnis mit einem Eilantrag vor dem Gericht durchsetzen und ein Verbot der Errichtung einer Bohrplattform erreichen. Hintergrund für die gestrige Entscheidung zur Aufrechterhaltung des Bauverbots sind fehlende behördliche Genehmigungen für die Stickstoffemissionen aus dem Projekt auf niederländischer Seite. Verhandelt wurde aber auch über Klimaschutz, die Beeinträchtigung von Schutzgebieten und die drohende Zerstörung von Riffen am geplanten Bauplatz. Für Anfang Januar 2024 wurde eine weitere Verhandlung vom Gericht angekündigt. Bis dahin sind Gasbohrungen ausgeschlossen.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir einen weiteren Erfolg für Klima- und Meeresschutz errungen. Die Zeit für neue fossile Projekte in der Nordsee, die noch dazu Riffe und Schutzgebiete bedrohen, ist endgültig vorbei. Diese Botschaft ist nun hoffentlich beim niederländischen Konzern One-Dyas angekommen. Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, neue CO2-Quellen anzuzapfen. Schon gar nicht darf es eine weitere Industrialisierung der Nordsee geben. Wir brauchen ein radikales Umdenken, das den Meeren mehr Schutz zugesteht und eine Regeneration dieses belasteten Naturraums zulässt. Wir fordern den Konzern One-Dyas auf, die rückwärtsgewandten Pläne endgültig abzublasen.“
Die DUH und ihre Partner blicken optimistisch auf das weitere Verfahren. Nach den ausführlichen Fragen des Gerichts zu Klima- und Meeresschutz sowie zu den bedrohten Riffen sehen sich die Organisationen in ihren Argumenten gegen das Projekt nach der gestrigen mehr als achtstündigen Gerichtsverhandlung bestätigt.
Auch auf deutscher Seite gibt es noch kein grünes Licht für das Projekt: Weiterhin steht die Entscheidung des zuständigen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen aus. Auch in diesem Verfahren hatten die DUH und ihre Partner Einwendung erhoben und bereiten weitere rechtliche Schritte vor.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie des DIW Berlin im Auftrag der DUH wurde festgestellt, dass das LNG-Projekt in Mukran für die Vermeidung von Kapazitätsengpässen nach Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig ist und somit kontraproduktiv für den Klimaschutz.
Progress in Marine Conservation 2023
Auf der vom Bundesamt für Naturschutz in Kooperation mit dem Deutschen Meeresmuseum/OZEANEUM in Stralsund ausgerichteten internationalen Tagung „Progress in Marine Conservation 2023: How to stop biodiversity loss – from knowledge to action“ haben sich rund 200 Expert:innen eine Woche lang getroffen, um sich zum Ist-Zustand der Meere auszutauschen und in Workshops Action Points zu erarbeiten, die als Handlungsempfehlungen für die Meeresstrategie der Bundesregierung am Ende der Tagung einer Vertreterin des BMUVs übergeben wurden.
Für DEEPWAVE war Anna Groß eine Woche vor Ort und hat in den Workshops zu Impact mitigation and management of bottom trawl fisheries, focus North Sea und Ecological Effectiveness of MPAs an den Action Points mitgearbeitet.
Wir gehen trotz all der detaillierten Hiobsbotschaften zum Zustand unserer Meere zuversichtlich an die Aufgaben, die vor uns liegen, weil wir in Stralsund deutlich sichtbar und spürbar erlebt haben, wie viele Menschen sich mit ganz neuen Perspektiven, Mut und ansteckendem Gemeinschaftssinn den sehr herausfordernden Themen widmen, die unsere Zukunft als Teil der Natur dieses Blauen Planeten betreffen.
Beim BfN findet ihr die Note of the Chairs 6th International Conference on Progress in Marine Conservation, das Programm und die Abstracts der Vorträge.
CO2-Speicherung darf Ausstieg aus fossilen Energien nicht behindern
Pressemitteilung, 25.09.2023, Umweltbundesamt
Neues UBA-Papier: CCS-Technik bei Abfallverbrennung erproben – Moore, Wälder und andere natürliche Senken haben Vorrang
Das Umweltbundesamt (UBA) rät in einem neuen Positions-Papier dazu, das Abscheiden und Speichern von CO2 (kurz CCS, für Englisch „Carbon Capture and Storage“) in der Abfallwirtschaft zu erproben. UBA-Präsident Dirk Messner sagte: „Wir brauchen CCS vor allem im globalen Maßstab. CCS ist aber kein Allheilmittel für den Klimaschutz. Wenn wir es nicht schaffen, von den fossilen Energieträgern wegzukommen, wird uns CCS nichts nützen. Wir haben in Deutschland viel zu wenig Speicher, um das Kohlendioxid sicher für Mensch und Klima zu speichern. Nur bei wirklich unvermeidbaren CO2-Emissionen sollten wir CCS nutzen.“ Das UBA schlägt daher vor, die Technik zunächst in Müllverbrennungsanlagen zu testen, in denen aus nicht recycelbarem Abfall Wärme und Strom erzeugt wird, aber auch CO2 anfällt. So könnten erste Erfahrungen mit der Technik gesammelt und Umweltrisiken beurteilt werden.
Für die Abscheidung von CO2 (Carbon Capture) gibt es verschiedene Techniken. Einmal abgeschieden, wird das CO2 unter Druck verflüssigt und unterirdisch eingelagert (Storage). Eine Speicherung ist unter anderem in leeren Gas- oder Erdöllagerstätten, in salzwasserführenden Gesteinsschichten oder im Meeresuntergrund möglich. Sowohl Transport als auch Lagerung müssen dauerhaft sicher und dicht sein, um ein Entweichen des für Mensch und Umwelt in hohen Konzentrationen schädlichen CO2 zu verhindern. Wird CO2 etwa in den Meeresuntergrund verpresst, muss die marine Umwelt vor Versauerung geschützt werden. Diesen Nachweis muss die Technik noch erbringen.
Bei allen ungeklärten Fragen hält es das UBA für wichtig, die CCS-Technik CCS-Technik zu erproben. Für einen Testbetrieb schlägt das UBA Müllverbrennungsanlagen vor. Das dort freigesetzte CO2 entsteht am Ende einer langen Wertschöpfungskette und könnte dann abgeschieden und gespeichert werden. Dieses so genannte Waste-CCS (WACCS) hat für die Umwelt zudem den Vorteil, dass für den dort verbrannten Müll kaum zusätzliche fossile Energieträger zum Einsatz kommen und die Abwärme genutzt wird.
Dem Einsatz von CCS-Anlagen in anderen Industriezweigen wie der Zementindustrie oder gar in der Energiewirtschaft steht das UBA kritisch gegenüber. In der Energiewirtschaft würde der Einsatz von CCS fossile Techniken verfestigen und den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern. Auch in anderen Branchen würde CCS klimafreundlichere Alternativen erschweren – etwa mehr Holzbau, alternative Bindemittel oder Baustoffe. Um keine negativen Effekte bei der Transformation der Energiewirtschaft, der Industrie und der Bauwirtschaft hervorzurufen, sollte die Technik dort nicht priorisiert werden.
Die EU hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral zu werden. Deutschland will das Ziel schon 2045 erreichen. Da jedoch selbst bei ambitionierter Klimapolitik unvermeidbare fossile Restemissionen von 40 bis 60 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr bleiben, sind natürliche CO2-Speicher wie Wälder, Moore, aber auch die verstärkte Holznutzung als Baustoff wichtig, um diese Emissionen aufzunehmen. „Der Ausbau und der Schutz von Mooren, Wäldern und anderen natürlichen Senken sollte unsere erste Priorität sein. CCS und andere technische Senken könnten die natürlichen Senken dann ergänzen“, so Messner. Für CCS bei der Abfallverbrennung hält das UBA eine Kompensation von bis zu 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr für möglich.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim UBA.
Hier findet ihr das UBA-Positionspapier „Carbon Capture and Storage (CCS)“.
Dass es sich bei CCS und den damit verbundenen Technologien um ein zu Recht umstrittenes Thema handelt, macht auch diese Pressemitteilung vom UBA deutlich. In unserem Gastbeitrag von Nico Czaja wird die Problematik noch einmal besonders ausführlich aufgeschlüsselt.
NABU zur Agrarministerkonferenz: Fischerei braucht keine Reform, sondern einen Neuanfang
Pressemitteilung, 22.09.2023, NABU
Krüger: Gegeneinander von Politik schadet Fischerei und Meer
Berlin – Anlässlich der heute endenden Agrarministerkonferenz in Kiel fordert der NABU ein entschlossenes Signal für einen Neuanfang in der Fischereipolitik in Deutschland. Als wichtiger erster Schritt gilt es den EU-Aktionsplan für eine nachhaltige Fischerei mit wirksamen Maßnahmen und einem ambitionierten Zeitplan zu unterstützen.
„Nach Jahren verfehlter Fischereipolitik, dem politischen Geschachere um Fangquoten, der Blockade notwendiger Meeresschutzmaßnahmen und einem immer schlechteren Umweltzustand unserer Meere brauchen wir einen Neuanfang. Bund und Länder müssen Position beziehen. Fischereien und die Lebensgemeinschaften in Nord- und Ostsee stehen mit dem Rücken zur Wand. Populationen von Hering und Dorsch in der Ostsee sind eingebrochen. Die Klimakrise und zu hohe Nährstofffrachten aus der Landwirtschaft verhindern eine Erholung. Es ist keine Zeit zur Symptombehandlung, die Politik muss an die Ursachen“, fordert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Das hat auch die EU-Kommission erkannt und fordert die Mitgliedsstaaten in dem „Aktionsplan zum Schutz und Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ auf, einen Fahrplan zu erarbeiten, um eben diese Ziele zu erreichen. Dazu gehört auch die grundberührende Fischerei in Meeresschutzgebieten zu beenden. Mit diesen und weiteren Maßnahmen sollen Fischbestände aufgebaut, aber auch wichtige Lebensräume wie artenreiche Riffe, Meeressäugetiere und Seevögel gegen menschliche Einflüsse und die Folgen der Klimakrise besser geschützt werden.
„Es fehlt Politik und Fischerei immer noch an der Bereitschaft für Veränderungen. Die pauschale Ablehnung des EU-Aktionsplans durch die deutschen Agrarministerien der Küstenländer aber auch des Bundeslandwirtschaftsministers ist nur ein Beispiel. Auf der Agrarministerkonferenz muss die Zukunft des Fischereisektors mit den Zielen des Meeresschutzes, der Wiederherstellung wichtiger Lebensräume, mit der Lenkungswirkung von Landwirtschafts- und Subventionspolitik zusammengebracht werden. Genau dort müssen Ursache und Wirkung verknüpft und der Weg in eine verantwortungsvolle und kohärente Politik beschritten werden“, ergänzt NABU-Meeresschutzexperte Dr. Kim Detloff.
Konkret wünscht sich der NABU von der Agrarministerkonferenz ein Bekenntnis zum EU-Aktionsplan, zur EU-Wiederherstellungsverordnung und damit einem ökosystembasierten Fischereimanagement. Die Landwirtschaftspolitik, allen voran der Düngemitteleinsatz an der Küste braucht einen verbindlichen Auftrag zum Erreichen des guten Umweltzustands in Nord- und Ostsee beizutragen. Die Förderung klimaneutraler Fangfahrzeuge sowie Zahlungen an die Fischerei in Härtefällen oder bei starken Fangeinschränkungen müssen an klare Nachhaltigkeitskriterien gebunden sein. Alles Elemente, mit denen ein Neuanfang der Fischerei gelingen kann, für die Fischerei und für eine gesunde Nord- und Ostsee.
Hintergrund:
Nach der EU-Biodiversitätsstrategie ist Deutschland verpflichtet, zehn Prozent der deutschen Nord- und Ostsee wirksam zu schützen. Das sagt auch der Koalitionsvertrag. Und das fordert der NABU mit seiner aktuellen Kampagne für Meeresschutzgebiete, die schützen („Meeresschutzgebiete müssen schützen!“). Dazu gehört auch die Regulierung der Grundschleppnetzfischerei wie es der EU-Aktionsplan fordert.
Der NABU beteiligt sich aktuell an Forschungsprojekten zur Entwicklung naturverträglicher Fanggeräte in Zusammenarbeit mit der Fischerei, der Fischereiforschung und dem Naturschutz und ist darüber hinaus Mitglied der Leitbildkommission Ostseefischerei. Hier werden Perspektiven für die Fischerei von morgen erarbeitet.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
Durch die Grundschleppnetzfischerei wird nicht nur der Meeresboden nachhaltig zerstört, sie ist auch extrem klimaschädlich. Warum sich die für Fischerei zuständigen Landwirtschaftsministerien in Norddeutschland trotzdem zunächst gegen den EU-Aktionsplan ausgesprochen haben, könnt ihr in der Pressemitteilung des NABU vom März diesen Jahres nachlesen.
Deutsche Umwelthilfe deckt auf: LNG-Terminal vor Rügen für sichere Energieversorgung von Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig
Pressemitteilung, 22.09.2023, Deutsche Umwelthilfe (DUH)
- Studie des DIW Berlin im Auftrag der DUH zeigt: LNG-Projekt vor Rügen steht nachhaltiger Regionalentwicklung im Wege, ist klimapolitisch kontraproduktiv und behindert die Energiewende
- Flüssigerdgas-Terminal vor Rügen ist nicht zur Vermeidung von Kapazitätsengpässen nach Ostdeutschland und Osteuropa notwendig, Engpässe können durch Flussumkehr auf bestehenden Pipelines beseitigt werden
- DUH fordert Bundesregierung auf, Finanzmittel stattdessen für energiewendekompatible Projekte zu nutzen
Berlin, 22.9.2023: Eine von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Auftrag gegebene Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) deckt auf, dass ein Flüssigerdgas-Terminal vor Rügen angesichts der stabilen Ausgangslage zum Winter 2023/24 auch für die Versorgung von Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig ist. Die derzeit hohen Speicherfüllstände sowie bestehende Importkapazitäten gewährleisten eine ausreichende Versorgung, selbst in kalten Wintermonaten. Die Studie berücksichtigt die Versorgungssituation in ganz Europa, dies gilt auch für osteuropäische Nachbarstaaten. Außerdem bestehen laut Gutachten keine strukturellen Netzengpässe, die die Versorgung Ostdeutschlands gefährden. Mögliche Netzengpässe innerhalb Deutschlands können schnell und deutlich günstiger durch Flussumkehr auf ehemals in Ost-West-Richtung betriebenen Verbindungsleitungen beseitigt werden. Zusätzlich gibt es genügend Flexibilität bei der Nutzung bereits bestehender Flüssigerdgas-Importkapazitäten.
Die im Auftrag der DUH erstellte Studie zeigt somit auf, dass es weder eine energiewirtschaftliche noch industriepolitische Notwendigkeit für das LNG-Projekt in Mukran gibt. Die DUH fordert die Bundesregierung auf, Finanzmittel stattdessen für energiewendekompatible Projekte zu nutzen und die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in der Region zu fördern.
Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Das LNG-Projekt auf Rügen bekämpft ein Gespenst, das es nicht gibt. Unsere gemeinsame Studie belegt erneut, dass die Versorgung Ostdeutschlands und Osteuropas gesichert ist. Die Bundesregierung muss sich mit diesen Resultaten auseinandersetzen. Die Errichtung von LNG-Terminals vor Rügen hat mit faktenbasierter und verantwortungsbewusster Politik nichts zu tun.“
Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie-Verkehr-Umwelt am DIW: „Das fossile LNG-Projekt Mukran ist energiewirtschaftlich nicht notwendig und wird weiterhin nicht dringend zur Vermeidung einer Gasmangellage im Winter 2023/24 benötigt. Es ist klimapolitisch kontraproduktiv, da es den Lebensraum der Ostsee gefährdet, zusätzliche klimaschädliche Emissionen verursacht und eine nachhaltige regionale Wirtschaftsentwicklung auf Rügen behindert.“
Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor am DIW: „Die Bundesregierung sollte den Ausbau der LNG-Infrastruktur stoppen und die verfügbaren Finanzmittel stattdessen für energiewende-kompatible Projekte verwenden.“
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.
Hier findet ihr den Link zur Studie des DIW Berlin.
Durch die regelmäßige Missachtung von Umweltauswirkungen, welche durch das Beschleunigungsgesetz der Bundesregierung weiter gefördert wird, haben bereits einige Umweltverbände vor den irreparablen Schäden für die Meeresumwelt gewarnt.