Klima
Meeresschutz ist Klimaschutz.
Abkühlung von Teilen der Arktis kehrt sich offenbar um
Bereits im Jahr 2010 wurde festgestellt, dass in der Arktis seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend zu beobachten ist:
Pressemitteilung, 29.07.2010, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung
– neue Daten deuten auf rapiden Temperaturanstieg in kältester Region
des europäischen Festlands hin
Moskau/ Stuttgart/ Halle(Saale). Teile der Arktis haben sich im letzten Jahrhundert deutlich abgekühlt. Seit 1990 steigen die Temperaturen jedoch auch dort stark an. Das geht aus einer Rekonstruktion der Sommertemperaturen der letzten 400 Jahre mit Hilfe von Baumringen aus Regionen nördlich des Polarkreises hervor. Dazu analysierten deutsche und russische Forscher das Baumwachstum mit Hilfe von Jahresringen von der russischen Kola-Halbinsel und verglichen es mit drei ähnlichen Untersuchungen von anderen Orten in der Arktis. Seit dem Jahre 1600 hat die rekonstruierte Sommertemperatur auf Kola in den Monaten Juli und August zwischen 10,4°C (1709) und 14,7 °C (1957) gelegen – bei einem Mittelwert von 12,2 °C über die letzten 400 Jahre. Nach einer Phase der Abkühlung ist seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend beobachtbar. „Die Daten deuten auf einen starken Einfluss der Sonnenaktivität auf die Sommertemperaturentwicklung hin, der allerdings seit 1990 von anderen Faktoren überlagert wird“, schreiben Wissenschaftler der Moskauer Instituts für Geographie, der Universität Hohenheim und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Fachblatt Arctic, Antarctic and Alpine Research.
Für die Untersuchungen verwendeten die Forscher Holzproben von insgesamt 69 Waldkiefern (Pinus sylvestris) aus dem Khibiny-Gebirge auf der Kola-Halbinsel unweit der Grenze zu Finnland zwischen dem Polarkreis und dem Nordmeerhafen Murmansk. Die Untersuchungsregion befindet sich in der Übergangszone zwischen dem von Golf- bzw. Nordatlanikstrom geprägten Skandinavien und den kontinentalen Gebieten Eurasien. Diese Grenzlage macht diese Region besonders interessant für klimatologische Studien.
Auf Kola herrscht ein kalt-gemäßigtes Klima mit langen, mittelkalten Wintern und kalten feuchten Sommern. Die Temperatur schwankt in diesem Teil der Arktis im Mittel zwischen -12°C im Januar und +13°C im Juli, bei einer Wachstumsphase für die Bäume von nur 60 bis 80 Tagen. Die Vegetation an den nördlichen Ausläufern der Taiga wird von Fichten, Kiefern und Birken geprägt. Die Proben stammten von drei Standorten in Khibiny Gebirge in der Nähe der heutigen Höhenbaumgrenze zwischen 250 und 450m über dem Meeresspiegel. Die geografische (nördliche) Baumgrenze verläuft etwa 100 Kilometer weiter nördlich. In früheren Studien konnten die Forscher um Tatjana Böttger vom UFZ zeigen, dass die Kiefernwälder auf der Kola-Halbinsel vor 7000 bis 3500 Jahren bereits ca. 50 Kilometer weiter im Vergleich zu Ihrer heutigen nördlichen Position nach Norden reichten. Für diese Studie haben die Forscher jedoch Bäume von der Höhen-Baumgrenze verwendet, da diese sehr sensibel auf Temperaturschwankungen reagieren und besonders aussagekräftig sind wie auch US-Amerikanische Forscher im November 2009 im Fachblatt PNAS demonstrierten als sie mit Hilfe einer langlebigen Kiefernart in Kalifornien und Nevada nachwiesen, dass diese Bäume in den letzten 50 der vergangenen 3500 Jahre aufgrund von gestiegenen Temperaturen besonders stark gewachsen waren.
Im Institut für Botanik der Universität Hohenheim in Stuttgart maßen die deutschen Forscher die Breite der einzelnen Jahresringe. Die Kalibrierung der Jahresringchronologien mit Hilfe der meteorologischen Wetteraufzeichnungen der letzten 127 Jahre und die Auswertung der Ergebnisse erfolgte zusammen mit dem Institut für Geographie der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW) in Moskau und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. „Neben Temperatur, hängt das Wachstum stark auch von nichtklimatischen Faktoren wie Licht, Nährstoffen, Wasserversorgung und Konkurrenz zu anderen Bäumen ab. Es ist daher entscheidend, diese Trends zu isolieren, um das möglichst reine Klimasignal zu erhalten“, erklärt Yury M. Kononov von der RAW in Moskau.
Nach der Rekonstruktion der Sommertemperaturen auf der Kola-Halbinsel verglichen die Forscher ihre Ergebnisse mit ähnlichen Untersuchungen an Baumringen aus dem schwedischen Lappland sowie von der Yamal- und Taimyr-Halbinsel im sibirischen Teil Russlands, die bereits 2002 im Fachblatt Holocene veröffentlicht worden waren. Die rekonstruierten Sommertemperaturen der letzten vier Jahrhunderte ähneln sich zwischen Lappland, der Kola- und Taimyr-Halbinsel insofern, dass alle drei Datenreihen ein Temperaturmaximum in der Mitte des 20. Jahrhunderts zeigen, auf das eine Abkühlung um ein bis zwei Grad folgte. Lediglich die Datenreihe der Yamal-Halbinsel erreichte ihr Maximum erst um etwa 1990. Auffällig an den Daten der Kola-Halbinsel ist, dass die höchsten Werte im Zeitraum um die Jahre 1935 und 1955 ermittelt wurden und die Kurve bis 1990 auf das Niveau von 1870 sank, was dem Beginn des industriellen Zeitalters entspricht. Seit 1990 erhöhten sich die Temperaturen dagegen wieder deutlich. Auffällig an den neuen Daten ist, dass die rekonstruierten Temperaturminima gerade mit Zeiten niedriger Sonnenaktivität zusammenfallen. Daher vermuten die Forscher, dass in der Vergangenheit die Sonnenaktivität einen wesentlichen Beitrag zu den Schwankungen der Sommertemperaturen der Arktis beigetragen hat. Allerdings ist dieser Zusammenhang nur bis 1970 deutlich, dann gewinnen andere, möglicherweise regionale Besonderheiten, die Oberhand. „Sicher ist nur: Dieser Teil der Arktis hat sich nach der Ende der Kleinen Eiszeit vor ca. 250 Jahren erwärmt, ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts abgekühlt und erwärmt sich seit 1990 wieder“ so die Paleoklimatologin Dr. Tatjana Böttger vom UFZ.
Im September 2009 hatte eine internationale Forschergruppe Modellrechnungen präsentiert, wonach sich die Arktis in den letzten zwei Jahrtausenden bis zum Beginn des Industriezeitalters um etwa 0,2 °C pro Tausend Jahre langsam abgekühlt hat und dafür ein langsames Nachlassen der Sonneneinstrahlung im Sommer verantwortlich gemacht. Allerdings sei das letzte Jahrzehnt das wärmste seit Beginn der Zeitrechnung gewesen und habe 1,4°C über der Prognose gelegen, so Darrell S. Kaufman und Kollegen im Fachblatt Science. Die neuen Daten von Kononov, Friedrich und Böttger stützen diese These, wonach die Sonnenaktivität in der Vergangenheit einen wesentlichen Einfluss auf die Sommertemperaturen in der Arktis hatte, dieser aber in den letzten Jahrzehnten stark abgeschwächt ist.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung.
Neben der voranschreitenden Erwärmung und das Schmelzen des Eises wird das Ökosystem Arktis auch durch zunehmende Versauerung und Plastikverschmutzung immer stärker bedroht.
Warum Ökonomen Walen ein Preisschild verpassen wollen
Ein Podcast zum immer mehr beachteten Aspekt, wie Wale zum Klimaschutz beitragen können.
Mit unserem langjährigen Kollegen Fabian Ritter von WDC und M.E.E.R. e.V., einem der fachkundigsten Experten auf diesem Gebiet.
Den Podcast findet ihr beim Spiegel.
Wenn ihr mehr von Fabian Ritter hören beziehungsweise lesen wollt, können wir euch sein Buch „Die Insel der Delfine“ sehr empfehlen. Mit Fotografien aus 25 Jahren Feldforschung auf dem Meer beschreibt er darin die am häufigsten gesichteten Wal- und Delfinarten vor La Gomera – jeweils ergänzt durch einen „Magischen Moment“ während der Beobachtung – sowie Seevögel und Schildkröten.
Der weltweit steigende Schiffsverkehr wird zunehmend zur Bedrohung von Walen, da diese immer häufiger mit Schiffen zusammenstoßen. Was man dagegen tun kann, könnt ihr in unserem Beitrag „Wie man einen Wal rettet“ nachlesen. Neben der Gefahr einer Kollision verursacht jedes Schiff zusätzlich Lärm, der für Wale lebensbedrohlich werden kann, indem er ihre Kommunikation und ihre natürlichen Verhaltensweisen beeinträchtigt.
Soziale Kipppunkte im Klimawandel: Große Veränderungen mit Zuversicht bewirken
Kipppunkte, wie das Korallensterben, die irreversible Szenarien auslösen, sind im Kampf gegen die Klimakrise allgegenwärtig. Doch auch sogenannte soziale Kippunkte gewinnen beim Klimaschutz immer mehr an Aufmerksamkeit.
Durch „soziale Ansteckung“ kann das Verhalten von einigen wenigen das Verhalten von vielen erheblich beeinflussen. Da wir gesellschaftliche Wesen sind und uns Verhaltensweisen abgucken, lassen wir uns besonders von anderen Menschen zum Handeln bewegen. Das Gefühl der Ohnmacht und Kontrollverlust, das oft zum Nichtstun führt, kann durch das Handeln in der Gruppe deutlich reduziert werden. Laut einer Studie sind soziale Kipppunkte erreicht, wenn etwa ein Viertel der Bevölkerung von einer neuen Richtung überzeugt ist. Dieser soziale Wandel ist entscheidend, um unsere Klimaziele einzuhalten. Neben klimafreundlichem Handeln, wie Flugreisen und Autofahren zu vermeiden, grüne Energie zu nutzen, und vegetarisch oder vegan zu leben, ist es besonders wichtig, über klimafreundliches Verhalten zu reden, und mehr Menschen darauf aufmerksam zu machen.
Den zugehörigen Beitrag „Große Veränderungen mit Zuversicht bewirken“ vom 08.02.2023 findet ihr beim Deutschlandfunk.
Das Schmelzen der Permafrostböden und der Eisschilde zählt unter anderem zu den Kipppunkten und löst eine positive, also eine sich selbst verstärkende Rückkopplung aus. Durch das Schmelzen des Permafrosts aufgrund der Erderwärmung werden große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, die wiederum zur Klimakrise beitragen und weiteres Schmelzen vorantreiben.
CO2-Entnahme aus Atmosphäre für Klimaschutz unverzichtbar
Pressemitteilung, 31.01.2023, MARUM
CDRmare-Jahrestagung legt Fokus auf meeresbasierte Methoden
Die Zeit drängt: Weltweit mahnt die Forschung, dass es bald kaum noch möglich sein wird, den menschengemachten Klimawandel soweit aufzuhalten, dass die international vereinbarten Klimaziele eingehalten werden. Selbst eine umgehend realisierte drastische Reduktion der Kohlendioxid (CO2)-Emissionen reicht nach aktuellem Stand dafür nicht mehr aus, sondern wird durch zusätzliche CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ergänzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund startet heute in Stralsund die 2. Jahrestagung der Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung, auf der sich rund 200 Expert:innen drei Tage lang zu meeresbasierten Methoden der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre austauschen.
Die Forschungsmission CDRmare – kurz für „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ (CDR = Carbon Dioxide Removal = Kohlendioxidentnahme) – wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für aktuell drei Jahre mit rund 26 Millionen Euro gefördert und bündelt die Expertise von insgesamt 22 Forschungseinrichtungen, Behörden und Unternehmen. Koordiniert am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), befassen sich seit August 2021 Wissenschaftler:innen in sechs Forschungsverbünden mit verschiedenen Methoden, die darauf zielen, das Potenzial des Ozeans auszubauen, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern. Dabei werden auch Risiken und mögliche Auswirkungen solcher Methoden auf die Meeresumwelt und das Erdsystem, sowie die gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Aspekte solcher Maßnahmen erforscht.
Während der zweiten CDRmare-Jahrestagung im Stralsunder Ozeaneum werden jetzt die seit Missionsbeginn erzielten Arbeitsergebnisse diskutiert. Konkret geht es dabei um die folgenden Ansätze der meeresbasierten CO2-Entnahme aus Atmosphäre: 1. Die Erhöhung des Säurebindungsvermögens von Meerwasser – z.B. durch Einbringen von Gesteinsmehl – soll die CO2-Aufnahme des Ozeans aus der Atmosphäre verstärken. 2. Künstlich erzeugter Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser in bestimmten Meeresgebieten soll die Bindung von atmosphärischem CO2 in Algenbiomasse steigern. 3. In vegetationsreichen Küstenökosystemen, insbesondere Seegraswiesen, Salzmarschen und Mangroven, soll das Kohlenstoffspeicherpotenzial gezielt gestärkt werden. 4. Für bestimmte, bisher noch nicht entsprechend genutzte Gebiete sollen Machbarkeit und Rahmenbedingungen der CO2-Speicherung unter dem Meeresboden erforscht werden. Das Spektrum der Forschungsansätze von CDRmare reicht von Laboruntersuchungen über Mesokosmenstudien in natürlichen Ökosystemen und Studien in tropischen Mangrovenwäldern bis hin zu regionaler und globaler Modellierung.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärt anlässlich des CDRmare-Jahrestreffens: „Um den Klimawandel entschieden zu bekämpfen, müssen wir auch auf Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und zur Speicherung setzen. Das betont auch der Weltklimarat IPCC in seinen letzten Berichten. Wir müssen die Speicherung von CO2 im industriellen Maßstab kurzfristig zulassen, um schnell in die Umsetzung zu kommen. Die dafür notwendige Gesetzesänderung muss in jedem Fall die weitere Forschung ermöglichen, ohne die der Wissenschaftsstandort Deutschland seinen Anschluss in diesem Bereich verlieren würde. Das Bundesforschungsministerium hat die Forschung an diesem Zukunftsthema bereits frühzeitig gefördert. Mit insgesamt rund 50 Millionen Euro unterstützen wir schon jetzt die Erforschung landbasierter und mariner CO2-Entnahme-methoden, wie bei CDRmare, damit Deutschland künftig eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Jetzt kommt es darauf an, die technologischen und regulatorischen Grundlagen zeitnah zu legen.“
„Der Ozean ist bereits jetzt Hauptakteur für den Klimaschutz und nimmt jedes Jahr etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf und bremst somit die Erderwärmung. Angesichts der Tatsache, dass die Menschheit Mitte des Jahrhunderts selbst bei massiver Emissionsreduktion wohl immer noch 5 bis 15 % der heutigen CO2-Emissionen ausstoßen wird, ist es immens wichtig, alle Optionen zu erforschen, mit denen diese Restemissionen durch Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kompensiert und eine netto Emissionsnull erreicht werden kann. Der Ozean kann hier eine wichtige Rolle spielen. Wir erforschen, wie diese Rolle im Einklang von Meeresschutz und Klimaschutz aussehen könnte“, kommentiert CDRmare-Co-Sprecher Andreas Oschlies, Ozeanograph und Klimamodellierer am GEOMAR, den Tagungsauftakt. „Wichtig ist uns dabei, dass die Ergebnisse von CDRmare konkret umsetzbare Handlungsoptionen bereitstellen, auf deren Basis die nötigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft getroffen werden können. Dabei gilt es auch, mögliche Umweltrisiken, Nutzungskonflikte und Verteilungsungerechtigkeiten zu untersuchen. Deswegen führen wir unsere Forschung im engen Dialog mit den jeweiligen gesellschaftlichen Interessengruppen durch und sind daher froh, dass einige der entsprechenden Akteure hier auf der Tagung anwesend sind“, ergänzt Gregor Rehder, IOW-Meereschemiker und ebenfalls Co-Sprecher von CDRmare.
Beide CDRmare-Sprecher sind sich einig, dass die Forschungsmission eine positive Halbzeit-Bilanz für die erste Förderphase verzeichnen kann: Alle Forschungsverbünde seien erfolgreich und intensiv in die praktischen Arbeiten eingestiegen – etwa mit verschiedensten Laboruntersuchungen, Mesokosmen-Experimenten, sowie Seereisen und küstennahen Probennahme-Kampagnen im In- und Ausland, aber auch mit Technologie-entwicklung für ein eventuelles Monitoring und mit ersten Modellierungsstudien zur Extrapolation der Ergebnisse auf größere Meeresgebiete. „Auch die übergreifende Vernetzung der CDRmare-Forschenden und das institutionenübergreifende Datenmanagement, beides immens wichtig bei einer so groß angelegten Forschungsmission mit vielen institutionellen Partnern, sind gut etabliert. Darüber hinaus hat der Wissens-transfer mit Politik und Gesellschaft bereits begonnen, beispielsweise mit der Erstellung von Faktenblättern zu den verschiedenen meeresbasierten CDR-Ansätzen und Dialogveranstaltungen speziell für politische Ent-scheidungstragende und die interessierte Öffentlichkeit“, so das positive Resümee von Oschlies und Rehder.
Neben der intensiven Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten dient die Tagung außerdem dazu, die weitere Forschungsplanung im Rahmen von CDRmare voranzutreiben, insbesondere auch perspektivisch für die angestrebte zweite Förderperiode ab Sommer 2024.
– Gemeinsame Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde und des GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel –
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Mehr über Methoden zur CO2-Entnahme erfahrt ihr bei dem Projekt OceanNETS, dass in einem norwegischen Fjord Experimente mit Gesteinsmehl durchgeführt hat.
NABU: Notverordnung verschärft Konflikte beim Ausbau der Windenergie auf See
Pressemitteilung, 27.01.2023, NABU
Krüger: Abbau ökologischer Standards wird den Ausbau nicht beschleunigen
Berlin – Das Bundeskabinett will zeitnah eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag des Raumordnungsgesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien an Land und auf See auf den Weg bringen. Aus Sicht des NABU verschärft das die Konflikte zwischen dem Ausbau der Offshore-Windenergie und dem Meeresnaturschutz.
„Die Bundesregierung verschläft notwendige Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungsprozessen, während sie weiter Umweltstandards abbaut. Im Schnelldurchgang sollen drei Jahrzehnte etabliertes Planungsrecht einkassiert werden, ohne tatsächliche Chance auf schnellere Energieunabhängigkeit durch Offshorewind“, kritisiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Die Formulierungshilfe für das Raumordnungsgesetz sieht weitere Einschränkungen des Naturschutzrechts beim Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee vor. So sollen die Umweltverträglichkeitsprüfung und die artenschutzrechtliche Prüfung für den Zubau von insgesamt 8,8 Gigawatt Offshore-Windstrom ausgesetzt werden, selbst auf bisher nicht voruntersuchten Flächen. Damit geht die so wichtige kumulative Folgenabschätzung tausender Windräder auf See und der europarechtlich verankerte Ökosystemansatz verloren, ohne gleichzeitig die strategische Umweltprüfung qualitativ zu stärken.
„Eine Verdopplung der Kapazitäten auf See ohne ernsthafte naturschutzfachliche Vorbereitung grenzt an Russisch-Roulette. Trotz Datenlücken sollen Windparks genehmigt werden. Offensichtlich haben sich grüne Umweltpolitiker*innen erfolgreich um Schadensbegrenzung bemüht, doch erneut negiert das federführende Wirtschaftsministerium die gleichberechtigte Herausforderung des Natur- und Artenschutzes und auch die SPD versucht ökologische Standards zugunsten jeglicher wirtschaftlicher Infrastruktur abzubauen“, so NABU-Leiter Meeresschutz Kim Detloff.
Positiv ist, dass die neuen Maßnahmen nicht auf die kritischen Standorte der Ostsee angewendet und zeitlich auf die Jahre 2022 und 2023 befristet sind. Damit müssen sich Projekte wie der vom NABU kritisierte Windpark Gennaker in der Vogelzuglinie Rügen-Schonen weiter der Umweltprüfung stellen.
Gleichzeitig kritisiert der NABU die viel zu niedrige finanzielle Beteiligung der Windparkbetreiber an notwendigen Vermeidungsmaßnahmen für geschützte Arten. „Milliardenschwere Infrastrukturprojekte sollen sich billig aus der Verantwortung für die Meeresnatur kaufen dürfen. Der jährlich zu leistende Betrag muss deutlich auf mindestens 12.000 Euro pro Megawatt Leistung erhöht werden, wie es auch an Land üblich ist“, so Detloff. Besorgt sind die Umweltschützer auch, dass die Vorgabe von Schutz- und Vermeidungsdaten ohne entsprechende Daten nur schwer möglich ist. Hier müssen das Bundesamt für Naturschutz und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) eigenständiger und dem Vorsorgeansatz folgend Maßnahmen anordnen können. Dazu gehören obligatorische Radarsysteme und Abschaltautomatiken für Fledermäuse, bei Massenzugereignissen und während sensibler Rastzeiten.
Ob der Abbau von Umweltstandards den Ausbau der Windkraft tatsächlich beschleunigen, steht für den NABU dabei in Frage. Bisherige zeitliche Planungen des BSH orientieren sich auch an der technischen Umsetzbarkeit. Und auch ohne seriöse Umweltprüfungen gibt es weder mehr Errichterschiffe, technisches Personal, Blasenschleier und lösen sich auch keine Lieferengpässe am Beton- und Stahlmarkt auf.
Der NABU appelliert an die Mitglieder des Deutschen Bundestags, der Gesetzesänderung in ihrer heutigen Form nicht zuzustimmen. Insbesondere alle Flächen, die an Schutzgebiete grenzen und wo marine Schutzgüter der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie Verbreitungsschwerpunkte haben – Schweinswale oder streng geschützte Seevögel – müssen auch zukünftig einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.
Hintergrund EU-Notverordnung
Mit der Umsetzung der EU-Notverordnung um eine Änderung des Raumordnungsgesetzes, plant die Bundesregierung zur Verfahrensbeschleunigung nach dem sogenannten Osterpaket weitere beschleunigende Maßnahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien auf See, an Land und für die Stromnetze. Für den Bereich der Nord- und Ostsee hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie mit dem Flächeentwicklungsplan Offshore (FEP) am 20. Januar 2023 einen verbindlichen Fahrplan vorgelegt, um das gesetzliche Ausbauziel von 30 GW bis 2030 zu erreichen bzw. sogar zu übertreffen. Und das mit den heute gültigen Umweltprüfungen. Das zeigt eindeutig, dass eine weitere Privilegierung der Offshore-Windenergie über die Festlegungen des Windenergie-auf-See-Gesetzes in seiner 2022 geänderten Form unnötig ist. Die Notverordnung in ihrer jetzigen Form setzt damit allein die planerische Qualität herab und senkt die Kosten der Betreiber, wird aber weder zu mehr noch schnellerer erneuerbaren Energie vom Meer führen.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
Gegen den Offshore Windpark Butendiek hat der NABU bereits erfolgreich Revision eingelegt. Die Pressemitteilung dazu findet ihr hier.
LNG-Terminals gehören auf den Prüfstand
Pressemitteilung, 20.01.2023, BUND
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) fordern anlässlich der heutigen Einweihung des LNG-Terminals in Brunsbüttel und des Baubeginns weiterer LNG-Terminals, die Anzahl neuer Anlagen stark zu beschränken und die gesetzlichen Grundlagen zu überarbeiten.
Die Umweltverbände haben beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg Widerspruch gegen die immissionschutzrechtliche Genehmigung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven eingelegt. Diese wurde mit der Inbetriebnahme des schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven veröffentlicht.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Ein Ende der Gasmangellage ist in Sicht, umso weniger sinnvoll wirkt die überdimensionierte neue Infrastruktur für flüssiges Gas an unseren Küsten. Spätestens jetzt muss das LNG-Gesetz, das eigens geschaffen wurde, um die Planung und Genehmigungen zu beschleunigen, auf den Prüfstand. Denn die ausgesetzten Umweltprüfungen und Beteiligungsverfahren werden wir bitter mit Schäden in sensiblen Ökosystemen bezahlen. Umso wichtiger ist es, dass wenigstens der Klimaschaden und die Laufzeit der Genehmigung für den Import von fossilem Gas strikt begrenzt wird. NABU und BUND werden deshalb gemeinsam auf dem Klageweg den Druck auf die Bundesregierung erhöhen.”
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: „Der Betrieb des LNG-Terminals ist mit den Anforderungen des Klimaschutzgesetzes nicht vereinbar. Die Laufzeit bis zum Jahr 2043 widerspricht der schon ab dem Jahr 2030 nötigen Umstellung auf grünen Wasserstoff. Anders als häufig unterstellt, sind schwimmende LNG-Terminals nicht Wasserstoff-Ready. Die Genehmigung sollte deshalb in ihrer jetzigen Form nicht bestehen bleiben. Stattdessen muss die Laufzeit von LNG-Terminals in Wilhelmshaven und anderswo stärker zeitlich begrenzt werden. Klimaminister Robert Habeck hat den Behörden einen Bärendienst mit seinen gesetzlichen Vorgaben erwiesen. Diese berücksichtigten den Klimaschutz nicht ausreichend und führen jetzt zu falschen Abwägungen in den Behörden. Wir werden vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen, sollte der Widerspruch zurückgewiesen werden.“
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BUND.
Warum Flüssiggas für unser Klima so schädlich ist, könnt ihr in unserem Post „LNG: Gut für die Luft, schlecht fürs Klima?“ nachlesen.
BUND gegen Kohlendioxid-Deponien im Meer oder an Land
Pressemitteilung, 21.12.2022, BUND
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verurteilt die heutige Ankündigung der Bundesregierung, jährlich viele Millionen Tonnen Industrie-CO2 abscheiden und deponieren zu wollen (Carbon Capture and Storage, CCS), anstatt die Emissionen im Industriesektor zu reduzieren.
Der BUND kritisiert ebenfalls geplante Subventionen für CCS über so genannte Klimaschutzverträge in Milliardenhöhe und den Vorstoß von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die Speicherung von CO2 im Boden im industriellen Maßstab kurzfristig zuzulassen. Heute hat das Bundeskabinett den Entwurf des Evaluierungsberichts zum Kohlendioxidspeicherungsgesetz (KSpG) beschlossen. In dem Gesetz wird seit 10 Jahren die Einlagerung von Kohlendioxid in Gesteinsschichten geregelt. Bisher war CCS nur in begrenzten Mengen zu Forschungs- oder Demonstrationszwecken erlaubt.
Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „Es ist brandgefährlich für den Klimaschutz, dass die Evaluierung des CCS-Gesetzes so stark von Industrieinteressen überlagert wurde. Sie wollen ihre klimaschädigenden Abgase einfach unter der Nordsee deponieren, anstatt ihre Emissionen endlich zu reduzieren. Aber die Meere sind nicht die Müllhalde der Menschheit oder eine Deponie für Klimamüll. CO2 dort zu verpressen ist profitabel für die Gasindustrie, aber bedroht nachweislich den Lebensraum am Meeresboden – denn langfristig sind Leckagen einkalkuliert. Die Nordsee ist auch ohne neue CO2-Industrie schon übernutzt. Die Meere sind für das Überleben der Menschen zentral und brauchen unseren uneingeschränkten Schutz. Die Ampel muss sich zum Vorsorgeprinzip und zum Schutz der Meere bekennen und darf den klimaschädlichen Phantasien der Industrie nicht nachgeben.“
Statt die industriellen Emissionen so zu reduzieren, wie es vom Klimaschutzgesetz verlangt wird, versuchen Industrievertreter*innen das Verpressen von Treibhausgasen als Klimaschutz zu vermarkten. Diese Debatte ist nicht neu. Bereits vor zehn Jahren versuchte die Energiewirtschaft, CCS an Kohlekraftwerken als vermeintliches Zukunftsmodell zu verkaufen. Vor allem in Norddeutschland fanden daraufhin große Proteste gegen den Einsatz der Technologie statt.
„In dem heutigen Bericht wird ein optimistisches Bild von der CCS-Technologie gezeichnet. Aber es ist erwiesen, dass CCS-Projekte der Industrie gefährliche Luftschlösser sind. Nach Jahrzehnten der Versuche bleiben sie technisch unausgereift. Sie würden einen hohen zusätzlichen Energieeinsatz verlangen, sind teuer und nicht effektiv. Hinzu kommt, dass die Langzeitgefahren nicht ausreichend erforscht sind. Bis heute sind CCS-Projekte in Europa und weltweit vor allem darin erfolgreich, staatliche Gelder einzuwerben; aber sie verlängern fossile Geschäftsmodelle immer weiter“, sagt Olaf Bandt.
Hintergrund
Der heute vorgestellte Entwurf des Evaluierungsberichts zum KSpG legt nahe, dass die Einschränkungen der Anwendung von CCS im KSpG aufgehoben werden sollen. Der Ausbau eines deutschlandweiten Netzes von Abscheidungsanlagen, Rohrleitungen, Zwischenspeichern, Umladestationen und Häfen für das Klimaabgas soll schnell gesetzlich ermöglicht und alle rechtlichen Hindernisse des Immissions- oder Umweltschutzes dabei aus dem Weg geräumt werden. Die Empfehlungen der Bundesregierung gehen noch weiter: CO2 soll perspektivisch auch in Deutschland verpresst werden können; eine neue Raumordnung für den Untergrund wird angekündigt, absehbar mit einer privilegierten Genehmigung für CO2-Deponien der Großindustrie. Enteignungsvorschriften sollen erweitert, die Rechte der Länder beschnitten werden. Parallel dazu werden bereits Förderprogramme gestrickt, um die großen industriellen Verschmutzer mit Milliarden an Steuergeldern für CCS auszustatten.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BUND.
NABU zu EU-Notverordnung: Politischer Fehltritt
Pressemitteilung, 19.12.2022, NABU
Krüger: Eilgesetzgebung ist falscher Weg – EU muss zukunftsfähigen Rechtsrahmen für Erneuerbare-Energien-Richtlinie entwickeln
Brüssel/Berlin – Heute haben die Energieminister der EU-Mitgliedstaaten eine Notverordnung zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Erneuerbare Energien verabschiedet. Diese geht vor allem zurück auf das Betreiben der deutschen Bundesregierung. Der NABU hält seine Kritik daran aufrecht. In jedem Fall ist die durch diese Regelung gewonnene Zeit nun für eine grundlegende Überarbeitung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie zu nutzen.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger kommentiert: „Mit der Notverordnung ist ein schadhafter Wildwuchs von Erneuerbaren zu Lasten der Natur zu befürchten. Die Bundesregierung riskiert, jahrzehntelang bewährte und für den Natur- und Klimaschutz wichtige Planungs- und Umweltstandards aufzugeben. Um das Umsetzungschaos zu mindern, muss Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck jetzt von einer Hauruck-Novelle der parallel verhandelten Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED IV) absehen. Stattdessen sind EU-weit Vorgaben für eine Raumplanung zu entwickeln, die Naturschutz und Klimaschutz gleichermaßen in den Blick nehmen.“
Raphael Weyland, EU-Umweltrechtexperte des NABU, ergänzt: „Erneuerbare Energien pauschal als im überwiegenden öffentlichen Interesse zu betrachten, ohne die ökologische Wertigkeit des Standorts zu berücksichtigen, wie es die Notverordnung tut, verschärft die Naturkrise. Die damit einhergehenden Eingriffe in bestehendes Umweltrecht führen auch zu Rechtsunsicherheiten und damit letztlich nicht zur Projektbeschleunigung. Mit der Notverordnung sind zudem Teile der vierten Novelle der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie überholt. Um die Natur- und Klimakrise gemeinsam anzugehen, müssen nun beschleunigt natürliche Lebensräume wie Moore, Wälder und Seegraswiesen wiederhergestellt werden.“
Die EU-Notverordnung sieht der NABU auch deswegen kritisch, weil sie verschiedene gefährliche Präzedenzfälle schafft. So werden unter dem Deckmantel der Energiewende Bereichsausnahmen von der UVP-Richtlinie, der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie geschaffen, ohne diese Rechtsakte selbst ändern zu wollen. Nicht zuletzt wird unter Berufung auf eine Notfallkompetenz das Europäische Parlament ausgehebelt.
Besonders denkwürdig ist das Gesetzesvorhaben auch deswegen, weil es der Energierat offenbar nicht besonders ernst meint mit Klimaschutz und Erneuerbaren. Denn parallel zur Debatte um die Notverordnung hat er heute seine Zustimmung zur Anhebung eines wichtigen Erneuerbaren-Zieles verweigert. Konkret ging es darum, dass die EU-Kommission mit REPowerEU auch vorgeschlagen hatte, das bestehende Ziel von 40 Prozent Erneuerbaren im Bruttoendenergieverbrauch auf 45 Prozent anzuheben. Diese Änderung lehnten die Mitgliedstaaten aber ab.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
Insbesondere die Windenergie auf See bedroht geschützte Arten und somit das Ökosystem Meer. Lest dazu die Pressemitteilung „NABU: Notverordnung verschärft Konflikte beim Ausbau der Windenergie auf See„.
Klimaarchive unter dem Vergrößerungsglas
Pressemitteilung, 30.11.2022, MARUM
MARUM-Studie in Nature: Neue Analysemethode zeigt abrupte Zunahme der Saisonalität während des letzten globalen Klimawandels
Wie verändert sich das Wetter als Folge der globalen Erwärmung? Klimaarchive liefern wertvolle Einblicke in vergangene Klimaveränderungen, also in die Prozesse, die unseren Planeten von einem Klimazustand in den nächsten beförderten. Für Menschen und Ökosysteme ist die Variabilität in Zeiträumen von Wochen bis Jahren – das Wetter – aber oftmals entscheidend. Mittels einer am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen neu entwickelten und erprobten Analysemethode wurden nun diese beiden Aspekte zusammengeführt und die Auswirkungen der letzten globalen Erwärmung auf saisonale Temperaturschwankungen beschrieben. Das Fachjournal Nature hat die Ergebnisse jetzt veröffentlicht.
In marinen Sedimenten sammeln sich fossile Überreste von Algen an, mittels derer vergangene Zustände des Ozeans rekonstruiert werden können. Von großer Bedeutung sind dabei molekulare Fossilien, so genannte Lipid-Biomarker: Zellbausteine von Algen, die einst den Ozean bevölkerten. Sterben diese Algen, sinken sie zum Ozeanboden und bewahren in ihren Lipiden Informationen über die durchlebten Bedingungen. Die Analyse solcher Klimaarchive hat seit Jahrzehnten fundamentale Informationen zum Verständnis vergangener Klimaveränderungen geliefert.
Werkzeug für verborgene Details
In ausgewählten Lokationen, zum Beispiel dem Cariacobecken vor der Küste Venezuelas, entstehen ganz besondere, laminierte Archive. „Das Besondere am Cariacobecken ist, dass die Ablagerungen seit tausenden Jahren schön ordentlich nach Jahreszeiten sortiert sind, jeweils eine dünne Lage für den Sommer und eine für den Winter. Es liegt dort also ein Archiv vor, mit ganz grundlegenden Informationen über vergangene, kurzfristige Klimaschwankungen in den Tropen, das aber bisher nicht gelesen werden konnte“, sagt Erstautor Dr. Lars Wörmer vom MARUM. Er und seine Kolleg:innen vergleichen das mit dem Kleingedruckten, für dessen Lektüre spezielle Lesehilfen notwendig sind. Solche eine Lesehilfe ist ein Laser, der gekoppelt mit einem Massenspektrometer die Verteilung von Lipid-Biomarkern in jeder dieser Millimeter breiten Lagen ermöglicht.
Prof. Kai-Uwe Hinrichs, in dessen Arbeitsgruppe die Methode entwickelt wurde, bezeichnet sie als „Werkzeug, um bisher verborgene Details in Klimaarchiven zu entschlüsseln“. In einem vom Europäischen Forschungsrat ERC geförderten Projekt haben Hinrichs und seine Kolleg:innen ein molekulares, bildgebendes Verfahren entwickelt, um Klima- und Umweltprozesse der jüngeren Erdgeschichte zeitlich hoch aufgelöst – das heißt nahezu in Monatsschritten – abzubilden. Mit anderen Analysemethoden werden verlässlich Intervalle von hunderten oder tausenden Jahren abgebildet – bei einer Erdgeschichte von über vier Milliarden Jahren gilt das bereits als sehr detailreich.
Globale Veränderungen wirken sich auf lokale Temperaturen aus
Im nun untersuchten Zeitintervall liegt die letzte erdgeschichtliche Periode mit drastischer – und nicht menschengemachter – Erwärmung. „Das ist die Parallele zu heute“, betont Lars Wörmer. „Die Erwärmung vor 11.700 Jahren hat die Menschheit ins Holozän gebracht, unserem aktuellen Zeitalter. Jede weitere Erwärmung bringt uns vom Holozän ins so genannte Anthropozän, das von einer durch den Menschen verursachten Klimaerwärmung und Umweltveränderung geprägt ist.“ Das Team um Kai-Uwe Hinrichs und Lars Wörmer konnte nun zeigen, dass sich während dieses Intervalls der Unterschied zwischen Sommer- und Wintertemperaturen im tropischen Ozean verdoppelt hat. Somit ist belegt, wie sich globale Klimaveränderungen auf lokale, saisonale Temperaturschwankungen auswirken.
Bereits im September ist eine MARUM-Studie in Nature Geosciences erschienen, die ebenfalls auf der neu etablierten Methode basiert. Hier wurden Daten erstellt, die die Meeresoberflächentemperatur mit einer Auflösung von einem bis vier Jahren zeigen. Dafür hat Erstautor Dr. Igor Obreht mit seinen Kolleg:innen einen Sedimentkern aus dem östlichen Mittelmeer untersucht, in dem die Temperatur aus dem letzten Interglazial (vor etwa 129.000 bis 116.000 Jahren) aufgezeichnet ist. Die Studie von Obreht und seinen Kolleg:innen nimmt also eine Zeit in den Fokus, die als letzte wärmer war als die heutige war.
Szenarien für eine solch wärmere Welt werden am MARUM innerhalb des hier angesiedelten Exzellenzclusters „Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“ entwickelt. Das im Rahmen des oben genannten ERC-Projekts etablierte GeoBiomolecular Imaging Lab gehört inzwischen zur Infrastruktur für die Erforschung der Kernthemen im Exzellenzcluster.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Kaltwasserkorallenriffe bilden ebenfalls ein aussagekräftiges Abbild über die Auswirkung des Klimawandels. Weitere Erkenntnisse und Neuigkeiten findet ihr in unserem Klima-Blog.
COP27: Fonds für Klimaschäden gibt Hoffnung – 1,5-Grad-Limit gefährdet
Pressemitteilung, 20.11.22, BUND
Dresden/Sharm el Sheik. Als äußerst ernüchternd bewertet Antje von Broock, Geschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Ergebnis der 27. Weltklimakonferenz. „Wie eine Schneelawine nimmt die Klimakrise dramatisch an Fahrt auf. Die Weltgemeinschaft hat in Ägypten viel geredet, aber nur halbherzig agiert. So wird das 1,5-Grad-Limit schnell überschritten. Viele Teile der Erde werden unbewohnbar.“
Gleichzeitig liegt mit dieser COP nun zum ersten Mal nach 30 Jahren ein Ergebnis zu einem Fonds für die Finanzierung des Ausgleichs bleibender Schäden und Verluste durch die Klimakrise vor. Das ist ein Durchbruch. Hitzige Debatten dauerten bis in die Morgenstunden an. Dieser Fonds muss jetzt aber gefüllt werden. Und auch die Klimafinanzierung ist noch nicht zufriedenstellend und langfristig gesichert. „Nur, weil die Länder des globalen Südens mit der Unterstützung der Zivilgesellschaft bis zum Schluss am Thema Klimaschäden festgehalten haben, konnte ein Teilerfolg errungen werden“, so von Broock.
Die großen Industriestaaten haben auf der COP weiter versucht, ihre historische Verantwortung für die Klimakrise abzuwälzen und Gerechtigkeitsaspekte der UN-Konvention zu verleugnen. „Es ist äußerst beunruhigend, dass es kein eindeutiges Bekenntnis zu einem gerechten 1,5-Grad-Pfad und zu dem Ende aller Fossilen gibt. Die EU stellt sich als Klimaretter dar, während auch Deutschland munter weiter in fossile Infrastrukturen weltweit investiert und sich nicht auf einem 1,5-Grad-Pfad befindet“, sagt von Broock.
Die Ergebnisse der Weltklimakonferenz beinhalten nach hitziger Debatte kein Ende der fossilen Brennstoffe. Für das Einhalten des 1,5-Grad-Ziels braucht es jedoch ein sofortiges Bekenntnis zum Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen – Kohle, Öl und Gas. Der deutsche Import von Kohle aus Kolumbien muss aufhören. Unser Hunger nach Fossilen zerstört dort einen Biodiversitäts-Hotspot. „Die verstärkte Nachfrage Deutschlands nach kolumbianischer Kohle führt zu massiven Naturzerstörungen. In der Zwischenzeit leiden die Gemeinden in Kolumbien auch unter den schädlichen Auswirkungen des Kohleabbaus. Wir rufen die deutsche Gesellschaft auf, von ihrer Regierung echte Verpflichtungen zur Bewältigung der Krise und zur Verwirklichung der Klimagerechtigkeit einzufordern“, sagt Tatiana Roa von CENSAT, Friends of the Earth Kolumbien.
Mit großer Besorgnis sehen der BUND und die BUNDjugend die Menschenrechtslage in Ägypten. „Auf dieser Klimakonferenz ist vieles nicht so gelaufen, wie wir es uns gewünscht hätten“, erklärt Karola Knuth, vom Bundesvorstand der BUNDjugend. Mit Blick auf die Menschenrechtslage vor Ort ergänzt die Jugendvertreterin: „Für die veranstaltende Regierung des autokratischen Staates Ägypten ist aber auch nicht alles gelaufen wie geplant. Und das liegt an den vielen Aktivisti, die das Thema der Menschenrechtsverletzungen in Ägypten jeden einzelnen Tag auf der Konferenz angesprochen haben. Es kann keine Klimagerechtigkeit geben ohne Menschenrechte! Es kann keine ökologische Gerechtigkeit ohne soziale Gerechtigkeit geben. Der Kampf um nichts weniger als die Zukunft der Menschheit ist ein Menschenrecht.“
Weitere Informationen:
- Die UN-Klimakonferenz COP27 in Ägypten
- Der BUND ist Teil von Friends of the Earth International. Auf BUND.net finden Sie ein Interview mit mit Ubrei-Joe Maimoni Mariere, Mitglied der BUND-Partnerorganisation Friends of the Earth Africa und Koordinator des „Climate Justice and Energy Programme“ . Er hat die „African People’s Counter COP“ mitorganisiert, um die Perspektive der afrikanischen Zivilgesellschaft sichtbar zu machen und ist Teil der „Don’t Gas Africa“ Kampagne, die sich gegen einen Ausbau der Gasförderung auf dem afrikanischen Kontinent ausspricht. Das Interview in Deutsch und Englisch ist online zu finden.
- Der BUND unterstützt eine Petition von International Service for Human Rights (ISHR) zur sofortigen Freilassung von Alaa Adb El Fattah – #FreeAlaa #FreeThemAll
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BUND.
Nicht nur international, auch auf EU-Ebene werden viele fragwürdige Entscheidungen getroffen. Auf unserem Politikblog könnt ihr mehr darüber erfahren, wie die EU-Kommission plant, bestehendes EU-Naturschutzrecht für den Ausbau Erneuerbarer Energien und deren Infrastruktur durch eine Notverordnung weitgehend auszuhebeln.