Klima

Meeresschutz ist Klimaschutz.

Versauernder Meereisverlust

Mehrere Eisschollen schwimmen auf dem Wasser, im Hintergrund geht die Sonne unter

© Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann (CC-BY 4.0)

Die Erwärmung und Versauerung der Ozeane – angetrieben durch die Klimakrise – verstärken sich gegenseitig. Unsere Meere nehmen große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre auf, wodurch ihr pH-Wert sinkt und sie „sauer“ werden. Das schadet vielen Meeresbewohnern, besonders denen mit Strukturen aus Kalzium-Verbindungen. Forscher:innen haben kürzlich im arktischen Ozean entdeckt, dass durch den starken Meereisverlust zunehmend Wasser freigelegt wird, dass das atmosphärische CO2 besonders gut aufnehmen kann. Mit Daten aus Wasseranalysen von 1994 und 2020 konnte ein drei- bis viermal höherer Versauerungs-Trend im westlichen Arktischen Ozean festgestellt werden – zurückzuführen auf den zunehmenden Meereisverlust in dieser Region. Wenn dieser weiter fortschreitet, könnte sich auch die Versauerung zunehmend verstärken. Die prognostizierten eisfreien Sommer in der Arktis bis zum Jahr 2050 oder vielleicht sogar bereits bis 2030 haben somit weitreichendere Auswirkungen auf das arktische Ökosystem, als bisher angenommen.

Den zugehörigen Artikel „Versauernder Meereisverlust“ von Martin Vieweg vom 30.09.2022 findet ihr bei wissenschaft.de.

Die Originalpublikation „Climate change drives rapid decadal acidification in the Arctic Ocean from 1994 to 2020“ findet ihr bei Science.

Wie stark die Meeresbewohner von der Ozeanversauerung beeinflusst werden und ob sie sich anpassen können, muss noch weitestgehend erforscht werden. Ein Langzeit-Experiment mit Kalkalgen hat gezeigt, dass ihre evolutionäre Anpassung an die Ozeanversauerung nur eingeschränkt möglich ist.

Tang trägt Tiere von Küste zu Küste

Eine große Menge Seetang liegt vor der Küste Galways

© Amalia Klein / DEEPWAVE

Millionen Flöße aus Seetang treiben von Küste zu Küste des Südlichen Ozeans. Dabei tragen sie Seesterne, Asseln, Krustentiere, Gliederfüßer, Weichtiere und Würmer mit sich – riesige Mengen an Biomasse werden transportiert. Dadurch können sich die Organismen in neuen Regionen ansiedeln, wie ein internationales Forschungsteam der University of Otago nun herausgefunden hat. Durch den starken Zirkumpolarstrom kann der Seetang dabei sogar die schwer überwindbaren Barrieren der Antarktis bezwingen. Dieser Ferntransport könnte dem Aussterben einiger Arten durch sich verändernde Klimabedingungen entgegentreten. Mithilfe der Seetang-Flöße können marine Arten vor dem Klimawandel fliehen, wenn ihr ursprüngliches Habitat für sie unbewohnbar wird. So wird generell erwartet, dass sich die Lebensräume der Meeres- und Küstenbewohner weiter in Richtung der Pole verschieben.

Zwar bietet dieser Transportweg eine Fluchtmöglichkeit für bedrohte Arten, jedoch können sogenannte Neobiota (auch bekannt als invasive Arten) ökologische Gefahren mit sich bringen. Diesem Thema bedarf es also noch weiterer Beobachtung und Forschung.

Den Artikel „Tang trägt Tiere von Küste zu Küste“ von Wiebke Pfohl vom 09.06.2022 findet ihr bei Spektrum.

Leh­ren aus der Ver­gan­gen­heit: Wie Kalt­was­ser­ko­ral­len auf glo­ba­le Er­wär­mung re­agie­ren

Kalt­was­ser­ko­ral­len: Eine Nahaufnahme der Koralle Lophelia pertusa

© NOAA / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Pressemitteilung, 07. Juni 2022, MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten, Uni­ver­si­tät Bre­men

Ko­ral­len re­agie­ren auf Ver­än­de­run­gen ih­rer Um­ge­bung – das gilt so­wohl für tro­pi­sche wie für Kalt­was­ser­ko­ral­len und schließt zum Bei­spiel Ände­run­gen von Tem­pe­ra­tur, Salz­ge­halt und pH-Wert ih­rer Um­ge­bung ein. Jetzt ha­ben For­schen­de des MARUM un­ter der Lei­tung von Dr. Ro­d­ri­go da Cos­ta Por­til­ho-Ra­mos in ei­ner Stu­die un­ter­sucht, wie sich wär­me­re Tem­pe­ra­tu­ren im Zuge der Kli­ma­er­wär­mung auf Kalt­was­ser­ko­ral­len aus­wir­ken. Da­für ha­ben sie ge­nau­er be­trach­tet, wie Ko­ral­len in den ver­gan­ge­nen 20.000 Jah­ren auf Um­welt­ver­än­de­run­gen re­agiert ha­ben. Die Stu­die ist jetzt in der Fach­zeit­schrift PLOS Biology er­schie­nen.

Kalt­was­ser­ko­ral­len und hier ins­be­son­de­re die Art Lophelia pertusa sind Ar­chi­tek­ten kom­ple­xer Riff­struk­tu­ren. Sie bil­den die Grund­la­ge für wich­ti­ge Le­bens­räu­me von Tief­see­or­ga­nis­men, die in die­sen Struk­tu­ren Schutz, aber auch Nah­rung fin­den. Al­ler­dings re­agie­ren Ko­ral­len­rif­fe auch sen­si­bel auf sich än­dern­de Le­bens­be­din­gun­gen. Dazu ge­hö­ren etwa die Er­wär­mung der Ozea­ne, die Ver­saue­rung, der ab­neh­men­de Sau­er­stoff­ge­halt und auch der va­ri­ie­ren­de Nähr­stoff­zu­fluss. Ändert sich ei­ner die­ser Pa­ra­me­ter, zum Bei­spiel durch den glo­ba­len Kli­ma­wan­del, kann sich das auf die Ge­sund­heit des ge­sam­ten Ko­ral­len­riffs aus­wir­ken. Zu ver­ste­hen, wie ge­nau die­se Öko­sys­te­me auf Um­welt­ver­än­de­run­gen re­agie­ren, ist da­her laut der ak­tu­el­len Stu­die wich­tig, um sie künf­tig bes­ser schüt­zen zu kön­nen.

Um die kri­tischs­ten Pa­ra­me­ter iden­ti­fi­zie­ren zu kön­nen, die das Aus­ster­ben und Wie­der­an­sie­deln von Kalt­was­ser­ko­ral­len aus­lö­sen kön­nen, ha­ben Er­st­au­tor Ro­d­ri­go da Cos­ta Por­til­ho-Ra­mos vom MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men und sei­ne Kol­leg:in­nen Se­di­men­te von sechs Kalt­was­ser­ko­ral­len-Stand­or­ten im Nord­at­lan­tik und im Mit­tel­meer un­ter­sucht. In sol­chen Se­di­men­ten sind ver­gan­ge­ne Um­welt­be­din­gun­gen ge­spei­chert. Sie er­mög­li­chen es For­schen­den her­aus­zu­fin­den, wann und war­um sich Kalt­was­ser­ko­ral­len ver­mehrt ha­ben und wann nicht. Die Er­geb­nis­se, be­ton­ten die Au­tor:in­nen, wür­den auch zei­gen, wie die Ko­ral­len auf künf­ti­ge kli­ma­ti­sche Ver­än­de­run­gen re­agie­ren könn­ten. Die Stu­die ana­ly­siert Ver­än­de­run­gen der wich­tigs­ten Um­welt­fak­to­ren über die ver­gan­ge­nen 20.000 Jah­re, den Zeit­raum der letz­ten gro­ßen glo­ba­len Er­wär­mung nach der letz­ten Eis­zeit, und ver­gleicht die­se mit dem Auf­tre­ten von Kalt­was­ser­ko­ral­len.

„Wir ha­ben in die Ver­gan­gen­heit ge­blickt, um zu ver­ste­hen, wie Lophelia pertusa auf Um­welt­ver­än­de­run­gen re­agiert hat“, fasst Por­til­ho-Ra­mos zu­sam­men. Die Ko­ral­len ver­schwan­den oder kehr­ten in eine Re­gi­on meis­tens dann zu­rück, wenn sich das Nah­rungs­an­ge­bot für die Ko­ral­len oder der Sau­er­stoff­ge­halt des Was­sers ver­än­dert hat. Kalt­was­ser­ko­ral­len er­näh­ren sich von mi­kro­sko­pisch klei­nem Plank­ton und Par­ti­keln, die mit der Mee­res­strö­mung trans­por­tiert wer­den. We­nig Ein­fluss auf das Ab­ster­ben und die Ver­meh­rung von Kalt­was­ser­ko­ral­len hat­ten die Tem­pe­ra­tur und der Salz­ge­halt des Was­sers. „Dar­um ge­hen wir da­von aus, dass vor al­lem Nah­rungs­zu­fuhr und die Ver­füg­bar­keit von Sau­er­stoff die ent­schei­den­den Fak­to­ren sein wer­den, wenn es um Le­ben und Tod von Kalt­was­ser­ko­ral­len geht“, be­tont Por­til­ho-Ra­mos. Un­klar ist, wie sich die Oze­an­ver­saue­rung lang­fris­tig aus­wirkt, da es dazu kei­ne pa­läo­zea­no­gra­phi­schen Da­ten gibt.

Als Öko­sys­tem-In­ge­nieu­re tra­gen die Kalt­was­ser­ko­ral­len maß­geb­lich zur Ent­ste­hung von Bio­di­ver­si­täts-Hot­spots in der Tief­see bei. Mit ih­rem Ein­fluss auf Nah­rungs­net­ze und Nähr­stoff­kreis­läu­fe, mit ih­rer Rol­le als Fisch-Kin­der­gär­ten und mit ei­ner be­ein­dru­cken­den Bio­di­ver­si­tät lie­fern Kalt­was­ser­ko­ral­len-Rif­fe wich­ti­ge Öko­sys­tem-Leis­tun­gen. Um die­se auch in Zei­ten des Kli­ma­wan­dels in der Zu­kunft er­hal­ten zu kön­nen, bil­den die Er­geb­nis­se die­ser Stu­die eine wich­ti­ge Grund­la­ge, um wis­sens­ba­sier­te Ma­nage­ment­stra­te­gi­en für sol­che Tief­see-Öko­sys­te­me zu ent­wi­ckeln. Da­mit trägt sie auch maß­geb­lich zu den Zie­len des Bre­mer Ex­zel­len­clus­ters bei, dass sich der Er­for­schung des Oze­an­bo­dens wid­met.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Weitere Informationen zu Kaltwasserkorallenriffen und die Auswirkungen der Klimakrise, findet ihr in unserem Forschungs- und Klimablog.

Der Südozean, wie man ihn noch nie gesehen hat

Zirkumpolarstrom: Ein gewaltiger Eisberg ragt aus dem Meer

© 66north / Unsplash

Pressemitteilung, 07.06.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Eine neue Karte zeigt den Meeresboden des Südlichen Ozeans in nie dagewesenem Detail

Die Beschaffenheit des Ozeanbodens entscheidet mit darüber, wie sich Wassermassen und Strömungen in den Meeren bewegen und unser Klima beeinflussen. Auch die Lebensvielfalt im Meer ist beeinflusst von Meeresbodenstrukturen. Deshalb sind möglichst genaue Informationen zur Bodentopografie für meeres- und klimawissenschaftliche Forschung unabdingbar. Mit der zweiten Version der International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO v2) hat eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts die bislang beste und detailreichste Bodenkarte des Südlichen Ozeans vorgestellt, der im System Erde eine Schlüsselrolle spielt. Die Karte und die komplexe Entwicklungsmethodik wurden im Nature-Fachmagazin Scientific Data veröffentlicht.

Rund um den antarktischen Kontinent erstreckt sich mit dem Südozean eine Schlüsselregion für das System Erde und das Weltklima. Der von starken Westwinden – den berühmten „Roaring Fourties“ – angetriebene Antarktische Zirkumpolarstrom ist hier das zentrale verbindende Element der weltumspannenden thermohalinen Zirkulation und beeinflusst so die Meeresströmungen in Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean. Zudem nimmt das kalte Wasser des Südlichen Ozeans gigantische Mengen an CO2 und Wärme aus der Atmosphäre auf und puffert so vorübergehend einen Teil der negativen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels ab. Darüber hinaus ist er ein Ort hoher biologischer Produktivität und beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt.

Trotz dieser großen Bedeutung sind im Südozean – wie in anderen Ozeanen auch – bislang nur vergleichsweise wenige Regionen des Meeresbodens detailliert vermessen und kartiert. Satellitendaten liefern zwar ein flächendeckendes, aber nur relativ grob aufgelöstes Bild. Hochauflösende Daten können derzeit nur schiffsbasiert aufgezeichnet werden. Dies führt unter anderem dazu, dass Forschungsschiffe wie der Eisbrecher Polarstern mit ihren Fächerlotmessungen im Südlichen Ozean immer wieder auf bislang unbekannte topografische Highlights wie einen 1920 Meter hohen Seeberg stoßen, den sie nach Nelson Mandelas Spitznamen „Madiba Seamount“ benannten.

„Wo auch immer man hingeht oder arbeitet, braucht man eine Karte, um sich zu orientieren. Deshalb sind praktisch alle meereswissenschaftlichen Disziplinen auf detaillierte Karten des Meeresbodens angewiesen“, sagt Dr. Boris Dorschel-Herr, Leiter der Bathymetrie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „So ist die Bodentopografie im Südlichen Ozean zum Beispiel auch entscheidend für das Verständnis vieler klimarelevanter Prozesse. Warme Wassermassen etwa fließen in tiefen Trögen im Kontinentalschelf bis zu den Eisschelfen und Gletschern der Antarktis und beeinflussen deren Abschmelzen. Umgekehrt hängt auch das Abfließen von Gletschern sowie die Stabilität von Eisschilden maßgeblich von der Beschaffenheit des Untergrunds ab. Mit IBCSO v2 liefern wir nun die bislang beste und detailreichste Abbildung des Südlichen Ozeans.“

Die International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO) ist ein internationales und vom AWI koordiniertes Projekt zur Kartierung des Südlichen Ozeans. Bereits 2013 wurde ein erstes IBCSO-Datenraster (IBCSO v1) mit hochauflösender Karte für den Bereich südlich von 60°S veröffentlicht. In den folgenden Jahren hat die Menge neuer Messdaten erheblich zugenommen.

Seit 2017 ist IBCSO Teil des Nippon Foundation – GEBCO Seabed 2030 Project, das sich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, bis 2030 die Weltozeane zu vermessen. „Die neue Version von IBCSO – IBCSO v2 – für den Südlichen Ozean deckt nun in einer hohen Auflösung von 500 mal 500 Metern den kompletten Bereich südlich des 50. Breitengrades ab – und damit eine 2,4 mal größere Fläche Meeresboden als die erste Version“, erklärt Boris Dorschel-Herr. „Dadurch sind nun auch der Antarktische Zirkumpolarstrom und die für sein Verständnis wichtigen ozeanografischen ‚Gateways‘ – die Drake-Passage und die Tasmanische Passage – vollständig enthalten. In die Karte sind über 25,5 Milliarden Messungen eingeflossen, die von 88 Institutionen aus 22 Ländern zur Verfügung gestellt wurden.“

Das Datenraster und eine hochaufgelöste Karte des Südlichen Ozeans stehen frei verfügbar auf der Projektseite www.ibcso.org und unter https://doi.org/10.1594/PANGAEA.937574 zum Download online.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Hier findet ihr einen weiteren Beitrag zur thermohalinen Zirkulation und zum Zirkumpolarstrom. Schaut doch auch bei unserem Klima-Blog vorbei, falls ihr euch über die Entwicklungen der Antarktis und Arktis informieren wollt.

Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten

Geisterfossilien - Abdruck mehrerer Ammoniten auf einem großen Stein am Strand

© Ashleigh Joy Photography / Unsplash

Der Klimawandel und die damit einhergehende Ozeanversauerung macht sich immer stärker in unseren Meeren bemerkbar. Einige Planktonarten, darunter auch die Coccolithophoriden (Kalkflagellaten), produzieren im Zuge ihres Stoffwechsels Kalziumkarbonat, wodurch sie Kalkschalen oder -skelette ausbilden. Die Versauerung des Meerwassers stellt ein großes Problem für diese Organismen dar, denn die Säure zersetzt die lebensnotwendigen Kalkgebilde. Auch in den vergangenen Warmphasen der Erdgeschichte wurden bisher keine Fossilien der Coccolithophoriden gefunden. Nun fanden jedoch schwedische Forscher:innen „Geisterfossilien“, die dafür sprechen könnten, dass die Kalkflagellaten eventuell besser mit der Klimakatastrophe zurecht kommen, als bisher erwartet wurde.

Bei den gefundenen Fossilien handelt es sich nicht um die Kalkschalen selbst, sondern um ihre Abdrücke auf  Pollenfossilien, weshalb das Forscherteam diese als „Geisterfossilien“ bezeichnet. Diese Funde deuten darauf hin, dass die Coccolithophoriden trotz der ungünstigen Klimabedingungen während der Erwärmungsereignisse in der Jura- und Kreidezeit existiert haben müssen. Der Fund der winzig kleinen Abdrücke war somit eine riesige Überraschung für die Forscher:innen. Sie haben jedoch eine Erklärung dafür, wieso bisher wahrscheinlich noch keine vollständigen Fossilien der Kalkflagellaten entdeckt wurden. Der erhöhte Säuregehalt des umgebenen Wassers muss die Kalkplatten im Nachhinein aufgelöst haben, wodurch nur noch die Abdrücke und nicht mehr ganze Fossilien zu finden sind. Darum blieb die Existenz der Coccolithophoriden zu diesen Epochen bisher auch unentdeckt. Aufgrund dieser Entdeckung könnte man davon ausgehen, dass die Kalkalgen durch den Klimawandel eventuell weniger stark belastet werden, als bisher angenommen wurde. Jedoch warnt das Forschungsteam auch vor falscher Vorsicht, denn die Klimakrise verläuft viel schneller, als bisherige Warmphasen. Somit ist es sehr schwierig, Vorhersagen diesbezüglich zu treffen.

Den Artikel „Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten“ vom 19.05.2022 von Elena Bernard findet ihr bei wissenschaft.de.

Das Originalpaper „Global record of “ghost” nannofossils reveals plankton resilience to high CO2 and warming“ von Sam Slater findet ihr bei science.

Falls ihr noch mehr zur Ozeanversauerung und der Anpassung der Kalkalgen lesen möchtet, schaut euch doch diesen Beitrag von uns an: „Ozeanversauerung – die Grenzen der Anpassung“ .

Mit Gesteinsmehl gegen den Klimawandel

© Ulf Riebesell, GEOMAR 

Pressemittelung vom 15. Mai 2022, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

Das Projekt OceanNETs erforscht in einem norwegischen Fjord Methoden zur Aufnahme von Kohlendioxid im Ozean

17.05.2022/Kiel/Bergen. Wie kann Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernt und sicher und dauerhaft im Ozean gespeichert werden? Dieser Frage gehen Wissenschaftler:innen aus sieben Nationen unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in einem gerade begonnenen Experiment im Raunefjord bei Bergen, Norwegen nach. In Mesokosmen, frei schwimmenden, abgeschlossenen Versuchsanlagen, untersuchen sie, ob der Ozean durch eine gezielte Zugabe basischer Mineralien – genannt Alkalinisierung – mehr CO2 aufnehmen kann und welchen Einfluss dies auf Lebensgemeinschaften im Meer hat. Die bis Mitte Juli dauernde Studie findet im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projekts Ocean-based Negative Emission Technologies (OceanNETs) statt.

Das Ziel ist eindeutig: Im Übereinkommen von Paris hat die Weltgemeinschaft beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie unter 1,5° Celsius zu halten. Dies ist nur zu erreichen, wenn wir unsere Treibhausgas-Emissionen drastisch senken und Maßnahmen ergreifen, um Kohlendioxid (CO2) aktiv wieder aus der Atmosphäre zu entfernen – also „negative Emissionen“ zu erzeugen. Inwieweit der Ozean hierbei helfen kann und welche Risiken und Nebenwirkungen damit verbunden sein könnten, untersucht derzeit ein internationales 43-köpfiges Team von Forschenden unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in einer Feldstudie südlich von Bergen.

Für das Langzeit-Experiment setzen die Forschenden die am GEOMAR entwickelten Mesokosmen ein, eine Art übergroßer Reagenzgläser mit 20 Metern Länge und einem Durchmesser von zwei Metern. In den abgeschlossenen Behältern wird der pH-Wert des Meerwassers durch die gezielte Zugabe von Mineralien erhöht. Diese so genannte Alkalinisierung wirkt nicht nur der Ozeanversauerung entgegen, sondern erhöht auch das Potential des Ozeans, CO2 zu binden. Regelmäßige Probennahmen und Messungen dokumentieren die chemischen und biologischen Veränderungen in den Mesokosmen über einen Zeitraum von etwa acht Wochen.

Das untersuchte Verfahren ist einem natürlichen Prozess nachempfunden: In der freien Natur sind Mineralien aus Gesteinen und Böden für die Alkalinität von Gewässern verantwortlich. Im Experiment werden gelöschter Kalk – stellvertretend für kalziumbasierte Mineralien – und Magnesium-Silikat – als Vertreter für siliziumhaltige Mineralien – zur Alkalinisierung genutzt, da sie frei von Unreinheiten regulärer Mineralien sind und sich zudem leichter im Wasser lösen. Das Experiment soll klären, wie effektiv hierdurch zusätzliches CO2 gebunden wird, welche der beiden Substanzen bessere Ergebnisse erzielt und vor allem, wie sich die Ozean-Alkalinisierung auf marine Lebensgemeinschaften auswirkt.

„Wir müssen an Wegen arbeiten, um dem Klimawandel aktiv zu begegnen. Das Problem wird immer drängender. Selbst wenn es uns gelingt, die CO2-Emissionen schnell und energisch zu reduzieren, wird es immer noch Treibhausgas-Emissionen geben, die wir nicht vermeiden können“, sagt Professor Dr. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR und Leiter der Studie. „Wir wollen mit unserer Forschung sichere und nachhaltige Lösungen entwickeln helfen, mittels derer sich Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen lässt. Dabei ist es besonders wichtig, negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt auszuschließen.“

Mesokosmen-Studien eignen sich besonders, um die Auswirkungen von Veränderungen im Meerwasser zu untersuchen, ohne dabei die Meeresumwelt zu beeinflussen. Durch die abgeschlossene Struktur der „Riesen-Reagenzgläser“ können die Bedingungen im enthaltenen Wasser kontrolliert verändert werden. Mesokosmen schließen natürliche Lebensgemeinschaften ein und sind während der Experimente den realen Umweltbedingungen ausgesetzt, so dass naturnahe Zustände simuliert werden können. Dies ist im Labor nicht möglich.

Neben den Wissenschaftler:innen vom GEOMAR sind auch Forschende der Universität Bergen, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Universität Hamburg, der Universität von Las Palmas de Gran Canaria, des Alfred-Wegener Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung, des Bigelow Laboratory for Ocean Sciences, der University of Tasmania, der Southern Cross University, der University of Agder und der Technischen Universität Dänemark am Experiment beteiligt.

„Die Ergebnisse der Studie in Norwegen und eines vergleichbaren Experiments, das im Herbst 2021 auf Gran Canaria durchgeführt wurde, fließen in eine übergreifende Bewertung verschiedener ozean-basierter Maßnahmen zur aktiven CO2-Entnahme ein“, erklärt Dr. David Keller, Erdsystemmodellierer am GEOMAR und Koordinator des Projekts OceanNETs. „Dabei verfolgen wir einen transdisziplinären Ansatz, der neben naturwissenschaftlichen auch wirtschaftliche, rechtliche und soziale Aspekte berücksichtigt. Unsere Ergebnisse und Bewertungen sollen dazu beitragen, eine Entscheidungsgrundlage für den möglichen Einsatz von Maßnahmen zur aktiven CO2-Entfernung zu liefern. Welche Maßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, kann nur durch Abwägung aller Vor- und Nachteile und eingebunden in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess zur Minderung des Klimawandels entschieden werden.“

Projektförderung und -koordination:

Neben dem Projekt OceanNETs, welches die Europäische Union im Rahmen des Horizon2020-Programms fördert, wird die Studie auf Bergen zusätzlich aus dem EU-Projekt AQUACOSM-plus co-finanziert. Das Projekt OceanNETs wird am GEOMAR von Dr. David Keller koordiniert.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss Deutschland bis 2035 CO₂ sein. Welche katastrophalen Auswirkungen der Klimawandel für unsere Meere hat, zeigt der IPCC-Sonderbericht.

Ozeanwirbel könnten antarktisches Meereis-Paradoxon erklären

Ein Blick auf den antarktischen Horiziont, das Meer ist von Eis und Schnee bedeckt

© Lars Grübner / Alfred-Wegener-Institut (CC-BY 4.0)

Pressemitteilung, 02.02.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

AWI-Studie liefert Basis für verlässlichere Prognosen zu den Folgen des Klimawandels in der Antarktis

Trotz der globalen Erwärmung und des Meereisverlustes in der Arktis ist die antarktische Meereisausdehnung seit 1979 im Durchschnitt konstant geblieben. Derzeitige Klimamodell-Simulationen zeigen im Gegensatz zu den tatsächlichen Beobachtungen jedoch für denselben Zeitraum eine starke Meereisabnahme. Wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts nun zeigen, könnte der Ozean die Erwärmung rund um die Antarktis dämpfen und den Rückgang der Eisbedeckung verzögern. Weil dieser Faktor und die Rolle der Ozeanwirbel in vielen Modellen noch nicht ausreichend wiedergegeben werden können, liefert die jetzt im Fachmagazin Nature Communications erschienene Studie eine Basis für bessere Simulationen und Prognosen zur künftigen Entwicklung in der Antarktis.

Die globale Erwärmung schreitet rasant voran und hinterlässt weltweit deutliche Spuren. Besonders dramatisch sind die Folgen des Klimawandels in der Arktis: Seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 hat sich das Meereis hier aufgrund von steigenden Temperaturen massiv zurückgezogen. Noch vor 2050 – so zeigen aktuelle Modellrechnungen – könnte die Arktis im Sommer komplett eisfrei sein, in vereinzelten Jahren möglicherweise bereits vor 2030.

Auf der anderen Seite der Erde in der Antarktis scheint sich die Eisbedeckung dagegen einem klaren Trend zu entziehen. Seit 2010 gibt es zwar mehr zwischenjährliche Schwankungen als in der Periode zuvor. Bis auf einen erheblichen negativen Ausschlag in den Jahren 2016 bis 2019 ist die langjährige mittlere Meereisbedeckung rund um den antarktischen Kontinent seit 1979 aber stabil geblieben. Damit steht die messbare Realität den meisten Simulationen der Wissenschaft entgegen, die für den gleichen Zeitraum eine deutliche Abnahme der Meereisfläche zeigen. „Dieses sogenannte antarktische Meereis-Paradoxon beschäftigt die wissenschaftliche Gemeinde schon länger“, sagt Studien-Erstautor Thomas Rackow vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Die gängigen Modelle können das Verhalten des antarktischen Meereises noch nicht korrekt abbilden, etwas Entscheidendes scheint zu fehlen. Deshalb geht auch das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC derzeit davon aus, dass das Vertrauensniveau der Modell-Prognosen zur weiteren Entwicklung des antarktischen Meereises gering ist.“ Zum Vergleich: In der Arktis sind die Modelle bereits so gut, dass der IPCC den Prognosen ein hohes Vertrauensniveau beimisst. „Mit unserer Studie liefern wir nun einen neuen Ansatzpunkt, der die Zukunftsprojektionen in der Antarktis deutlich verlässlicher machen könnte.“

Im Rahmen der Studie setzte das Team das AWI Climate Model (AWI-CM) ein. Im Gegensatz zu anderen bekannten Klimamodellen ist es mit dem AWI-CM möglich, bestimmte Schlüsselregionen wie das Südpolarmeer wesentlich detaillierter – oder mit anderen Worten „in hoher Auflösung“ – zu simulieren. Auf diese Weise lassen sich auch Vermischungsprozesse berücksichtigen, die im Meerwasser durch kleinere Ozeanwirbel mit Durchmessern von 10 bis 20 Kilometern, sogenannte Eddies, verursacht werden.

„Bei unseren Modellläufen haben wir verschiedenste Konfigurationen angewandt. Dabei stellte sich heraus, dass nur Simulationen mit einem hoch aufgelösten Südlichen Ozean rund um die Antarktis zu einem ähnlich verzögerten Meereis-Schwund führen, wie wir ihn in der Realität beobachten“, sagt Thomas Rackow. „Wenn wir das Modell dann weiter in die Zukunft rechnen lassen, bleibt die antarktische Meereisbedeckung selbst bei einem sehr ungünstigen Treibhausgasszenario noch bis zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend stabil. Danach jedoch zieht sich das Eis dann ähnlich rasant zurück, wie es in der Arktis schon seit Jahrzehnten der Fall ist.“

Die AWI-Studie liefert damit auch eine mögliche Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten des antarktischen Meereises entgegen dem globalen Erwärmungstrend. „Die paradoxe Stabilität der Meereisbedeckung kann verschiedene Gründe haben. Diskutiert wird etwa die Theorie, dass zusätzliches Schmelzwasser aus der Antarktis die Wassersäule und damit auch das Eis stabilisiert, indem das kühle Oberflächenwasser vom wärmeren Tiefenwasser abgeschirmt wird. Eine andere Theorie verdächtigt die in Folge des Klimawandels verstärkten Westwinde rund um die Antarktis. Diese könnten letztlich dazu führen, dass das Eis wie ein Pizzateig dünn ausgerollt und auf eine größere Fläche verteilt wird. Das Eisvolumen könnte dabei schon heute abnehmen und nur die bedeckte Fläche scheinbar konstant bleiben“, erklärt Thomas Rackow.

Die Forschungsarbeit des AWI rückt nun die Ozeanwirbel in den Fokus. Denn diese könnten entscheidend dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels im Südlichen Ozean zu dämpfen und damit zu verzögern, indem der Ozean zusätzliche Wärme aus der Atmosphäre nach Norden in Richtung Äquator transportiert. Der nordwärtige Wärmetransport hängt eng mit der zugrundeliegenden Umwälzzirkulation in den oberen etwa 1000 Meter des Ozeans zusammen, die im Südlichen Ozean einerseits vom Wind angetrieben, aber auch durch Wirbel beeinflusst wird. Während der nach Norden gerichtete Anteil der Zirkulation durch die verstärkten Westwinde zunimmt, scheinen dies die vereinfacht dargestellten Wirbel in grob-aufgelösten Klimamodellen oft mit einem Beitrag Richtung Antarktis überzukompensieren. Die explizit simulierten Wirbel im hoch-aufgelösten Modell verhalten sich eher neutral. In der Summe wurde also eine größere nordwärts gerichtete Änderung des Wärmetransports im hochaufgelösten Modell beobachtet. Auf diese Weise erwärmt sich das Meer rund um die Antarktis insgesamt langsamer und die Eisbedeckung bleibt länger konstant. „Unsere Studie unterstützt damit die Hypothese, dass Klimamodelle und Vorhersagen zum antarktischen Meereis deutlich zuverlässiger werden, wenn diese einen hoch aufgelösten Ozean mit Meereswirbeln realistisch simulieren können“, sagt Thomas Rackow. „Dank immer schnellerer paralleler Superrechner und neuer effizienter Modelle sollte dies mit Klimamodellen der nächsten Generation routinemäßig möglich sein.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Im Gegensatz zu der Antarktis, erwärmt sich die Arktis deutlich schneller, was zu einem kontinuierlichen Negativtrend im jährlichen Meereisminimum führt. Mehr darüber erfahrt ihr in unserem Klima- und Forschungsblog.

 

„Was, wenn wir einfach die Welt retten?“ – Frank Schätzing im Climaware Podcast

Das Podcastcover vom climaware podcast

© Valerie Helbich-Poschacher / Climaware

Frank Schätzing, Autor des Bestsellers „Der Schwarm“ und Förderer von DEEPWAVE, erzählt in diesem Podcast, wie er zum ersten Mal mit den Problemen konfrontiert wurde, denen unsere Ozeane aufgrund der Klimakrise ausgesetzt sind – ausgelöst durch seine Recherchen zu „Der Schwarm“. Dass der Golfstrom aufhört zu fließen, ist durchaus unheimlich genug für einen Thriller, allerdings auch hinsichtlich der Prognosen von Klimawissenschaftler:innen ein nicht unrealistisches Zukunftsszenario. Was Frank Schätzing bewegt hat, sich über sein Dasein als Autor hinaus auch klimaaktivistisch zu betätigen und als Klima-Kommunikator zu fungieren, könnt ihr in dieser spannenden und lehrreichen Podcast-Episode des Climaware Podcast hören.

Das neue Buch von Frank Schätzing
Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise
findet ihr in eurem Buchladen.

Der Podcast Climaware bündelt nicht nur Faktenwissen rund um die Klimakrise, sondern bietet auch zahlreiche Interviews mit inspirierenden Personen, die ihre persönlichen Geschichte über den Umgang mit der Klimakrise erzählen und weitreichende Lösungsansätze aufzeigen.

Mehr über den  „Schwarm“ könnt ihr in unserer Büchersammlung Ozeanbücher nachlesen.

AWI: Jährliches Meereisminimum in der Arktis

Ein Blick auf unterschiedlich dickes Meereis in der Arktis

© Alfred-Wegener-Institut / Stefan Hendricks (CC-BY 4.0)

Pressemitteilung, 16.09.2021, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

 

Negativtrend hält an – Vergleichsweise moderates Schrumpfen der Eisausdehnung im Jahr 2021

Die Meereisausdehnung im Nordpolarmeer hat am 12. September 2021 mit 4,81 Millionen Quadratkilometern ihr jährliches Minimum erreicht. Damit reiht sich das Jahr auf Platz zwölf der Negativliste der absoluten Werte ein. Die Meereisausdehnung im September ist eines der stärksten Anzeichen für den Klimawandel, verdeutlichten Fachleute im kürzlich veröffentlichten Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe I des Weltklimarats. Sie ist in den letzten vier Jahrzehnten um etwa 40 Prozent zurückgegangen.

Das arktische Meereisminimum im Jahr 2021 lag mit 4,81 Millionen Quadratkilometern gut 1,5 Millionen Quadratkilometer über dem des bisherigen Negativrekords im Jahr 2012. Damals erfassten Forschungssatelliten eine Restfläche von 3,27 Millionen Quadratkilometern. „Von einer Erholung des arktischen Meereises kann trotz dieses vergleichsweise moderaten Eisrückgangs keine Rede sein“, sagt Prof. Dr. Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

„Zum einen liegt auch das aktuelle Meereisminimum weit unter den Werten, wie wir sie noch aus den 1990er und 2000er Jahren kennen. Das heißt, es bestätigt den starken Abnahmetrend der Eisausdehnung von gut zehn Prozent pro Dekade.“ Zum anderen belegten sowohl Satellitenmessungen als auch Vor-Ort-Beobachtungen (etwa aus der Wandelsee im Nordosten Grönlands und aus der Beaufortsee), dass die Eisdicke abnimmt und die Meereiskonzentration in beiden Regionen außerordentlich gering ist. Die aktuelle Eisverteilung zeige abermals, wie variabel die Meereis-Entwicklung ist und welche regionalen Unterschiede von Jahr zu Jahr auftreten können. So wies das Jahr 2020 die zweitgeringste jemals beobachtete Meereisausdehnung auf, jedoch bedeutet der diesjährige Wert für die Fachleute keine Entwarnung: Ähnliche Sprünge in der verbleibenden Gesamteisfläche hat es beispielsweise vom Jahr 2012 (Negativrekord) auf 2013 gegeben sowie von 1995 (damaliges Rekordminimum) auf 1996.

Ausschlaggebend für die relativ langsame Eisschmelze in diesem Sommer war langanhaltender niedriger Luftdruck in der zentralen Arktis. „Seine Existenz hat vor allem im Juni und Juli den Einstrom warmer Luftmassen in die zentrale Arktis verhindert und die Meereissituation stabilisiert. Im August hat sich dann über dem europäischen Teil der Arktis ein Hochdrucksystem etabliert, das Tiefdrucksystem verlagerte sich hingegen in die Beaufortsee, was dort das Eis auseinander schob und Temperaturen von 2 bis 3 Grad Celsius unterhalb des langjährigen Mittels zur Folge hatte. Diese vergleichsweise kalte Luft verhinderte das Schmelzen des Eises, obwohl die Eiskonzentration in dieser Region teilweise sehr niedrig war”, sagt AWI-Klimatologin Dr. Monica Ionita.

Fachleute vom AWI und der Universität Bremen haben die regionalen Veränderungen sowie die klimatischen Bedingungen im Meereisportal umfassend analysiert: https://www.meereisportal.de/archiv/2021-kurzmeldungen-gesamttexte/meereis-minimum-anhaltend-niedriger-luftdruck-bremst-den-eisrueckgang-in-der-arktis/

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Der Rückgang des Meereises liegt auch an dem Einstrom warmer Wassermassen aus dem Nordatlantik in die europäischen Randmeere des Arktischen Ozeans. Mehr darüber könnt ihr in unserem Klima– und Forschungsblog nachlesen.

Parteien im Klimawahlcheck – Verbände stellen Online-Tool zur Bundestagswahl 2021 vor

Bei einer Demonstration hält jemand ein Schild hoch auf dem steht "you decide". Mit einer hellen, glücklichen, und einer traurigen dunklen Erdkugel aufgemalt.

© Dominic Wunderlich / Pixabay

Pressemitteilung, 04.08.2021, NABU

Berlin, 4. August 2021. Wer steht wofür beim Klimaschutz? Ab heute können Wählerinnen und Wähler sich in einem neuen Online-Tool auf https://klimawahlcheck.org/ über Klima-Positionen der Parteien zur Bundestagswahl informieren, eine Selbsteinschätzung eingeben und herausfinden, wo sie selbst im Parteienspektrum stehen.

Die Klima-Allianz Deutschland, GermanZero und der NABU haben dafür die Wahlprogramme der großen demokratischen Parteien ausgewertet.
Im September entscheiden die Wählerinnen und Wähler in Deutschland über eine Bundesregierung, die in den kommenden vier Jahren ambitionierten Klimaschutz und einen sozial gerechten Umbau unserer Wirtschafts- und Lebensweise organisieren muss. Den klimapolitischen Plänen der Parteien kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Für das Tool haben die Verbände die Wahlprogramme der fünf größten, demokratischen Parteien analysiert und mit Blick auf deren klimapolitische Maßnahmen und Ziele bewertet. Ähnlich wie beim Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung werden die Nutzerinnen und Nutzer selbst um ihre Einschätzung zu dringenden klimapolitischen Entscheidungen befragt. Anschließend erhalten sie den Vergleich mit den Parteiprogrammen. Jeder Frage ist eine Erläuterung beigefügt, die die Relevanz für den Klimaschutz verdeutlicht.

„Die Bundestagswahlen 2021 sind für den Klimaschutz von entscheidender Bedeutung. Deutschland braucht eine Bundesregierung, die den Wandel vorantreiben will und kann. Durch den Klimawahlcheck machen wir die klimapolitischen Ambitionen der Parteien transparent und vergleichbar, damit die Bürger*innen eine informierte Wahlentscheidung treffen können“, erklärt Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit, um die notwendigen Weichen zu stellen und der Klimakrise entgegenzuwirken. Diese Bundestagswahl und die in der folgenden Legislaturperiode umzusetzende Gesetzgebung wird entscheidend für die Lösung der Klimakrise. Die nächste Bundesregierung muss den Grundstein für die Klimapolitik der nächsten Jahrzehnte legen,“ so Dr. Julian Zuber, CEO von GermanZero e.V..
„Die aktuellen Ereignisse der letzten Wochen zeigen eindeutig: Wir haben die fatalen gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise unterschätzt. Hitzewellen, Waldbrände, Flutkatastrophen und neue Infektionskrankheiten töten heute schon Menschen, nicht nur im globalen Süden, sondern auch mitten in Deutschland. Deshalb unterstütze ich als Arzt und Wissenschaftsjournalist den Klimawahlcheck und die Klima-Allianz Deutschland, damit jede Bürgerin und jeder Bürger eine gute Wahl treffen kann, denn Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“, sagt Dr. Eckart v. Hirschhausen, Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung Gesunde Erde-Gesunde Menschen.

„Bei dieser Bundestagswahl steht nicht weniger als die Klima- und Artenvielfalt unseres Planeten zur Wahl. Wir entscheiden gemeinsam darüber, wie wirksam künftige Klimapolitik gestaltet wird. Der Anteil der älteren Wählenden ist bei dieser Wahl deutlich größer als der der Jüngeren. Gleichzeitig geht es beim Klima- und Artenschutz aber vor allem darum, künftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft zu bieten. Der Klimawahlcheck bietet dafür eine Entscheidungshilfe”, ergänzt Michael Schäfer, Mitglied der Geschäftsleitung und Fachbereichsleiter Klima-/Umweltpolitik des Naturschutzbund Deutschland e.V..

Wie funktioniert der Klimawahlcheck?

Für das Tool haben die Verbände die Wahlprogramme der fünf größten, demokratischen Parteien analysiert und mit Blick auf deren klimapolitische Maßnahmen und Ziele bewertet. Dafür haben sie einen Fragenkatalog zu fünf Themenbereichen wie „Energie”, „Landwirtschaft und Artenvielfalt” oder „Klimaziele und Klimagerechtigkeit” entwickelt, der einen Großteil der klima- und umweltpolitischen Debatte abdeckt. Die Fragen wurden anhand eines Kriterienkatalogs basierend auf den Forderungen der Klima-Allianz Deutschland und des Deutschen Naturschutzrings bewertet. Die Forderungen spiegeln einen breiten Konsens der deutschen Klima- und Naturschutzorganisationen wieder.

Wer steckt dahinter?

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen GermanZero, Klima-Allianz Deutschland und Naturschutzbund Deutschland (NABU) haben den Klimawahlcheck gemeinsam auf den Weg gebracht. Die Organisationen haben sich zur Bundestagswahl zusammengeschlossen, weil sie gemeinsam das Thema Klimaschutz in den Fokus der Wahlentscheidung rücken wollen und in diesem Jahr einen besonderen Aufklärungsbedarf ausgemacht haben.

GermanZero ist eine überparteiliche Nichtregierungsorganisation, die das erste vollständige Gesetz, mit dem Deutschland bereits 2035 klimaneutral werden kann, geschrieben hat. Damit dieses Gesetz vom nächsten Bundestag verabschiedet wird führt GermanZero Gespräche mit politischen Entscheider:innen auf Bundesebene und mobilisiert GermanZero Bürger:innen in den Kommunen.

Die Klima-Allianz Deutschland ist das breite gesellschaftliche Bündnis für den Klimaschutz. Mit rund 140 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Umwelt, Kirche, Entwicklung, Bildung, Kultur, Gesundheit, Verbraucherschutz, Jugend und Gewerkschaften setzt sie sich für eine ambitionierte Klimapolitik und eine erfolgreiche Energiewende auf lokaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene ein. Ihre Mitgliedsorganisationen repräsentieren zusammen rund 25 Millionen Menschen.

Mit mehr als 820.000 Mitgliedern und Fördernden ist der 1899 gegründete Naturschutzbund Deutschland (NABU) der mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands. Der NABU engagiert sich für den Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft. Zu den zentralen NABU-Anliegen gehören auch die Vermittlung von Naturerlebnissen und die Förderung naturkundlicher Kenntnisse.

Der Klimawahlcheck ist hier abrufbar: https://klimawahlcheck.org/

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

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