Klima
Meeresschutz ist Klimaschutz.
Die Zukunft der Artenvielfalt im Meer unter globaler Erwärmung
Pressemitteilung, 11.10.2022, MARUM
Neue Studie zeigt, wie Planktongemeinschaften gewandert sind und sich seit der letzten Eiszeit gewandelt haben
Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat die Artenvielfalt der Erde bereits stark beeinflusst. Der Lebensraum vieler Arten – auch in den Ozeanen – verschwindet, invasive Arten erobern neue Regionen. In einer umfassenden Datenauswertung hat ein Team von Forschenden aus Bremen und Oldenburg untersucht, wie sich die Artengemeinschaften im Nordatlantik über einen Zeitraum von 24.000 Jahren – seit der letzten Eiszeit – verändert haben. Erwartungsgemäß sind Arten nach Norden migriert, aber es haben sich auch neue Gemeinschaften gebildet – und zwar auch, nachdem sich die Temperaturen stabilisiert haben. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution erschienen.
Korallenriffe leiden unter ozeanischen Hitzewellen, atlantische Arten treten vermehrt in der Arktis auf. Wie wird sich die Artenvielfalt bei anhaltender Erwärmung der Ozeane weiterentwickeln? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn das Leben hat eine Geheimwaffe im Schrank: die Evolution. Mit ihrer Hilfe können sich Arten auf neue Bedingungen anpassen. Evolution wirkt über Jahrhunderte und Jahrtausende und lässt sich daher in Laborexperimenten schwer erfassen. Mithilfe von Fossilien können Forschende einen Blick in die Vergangenheit werfen und so herausfinden, wie sich die Artenvielfalt während vergleichbarer Klimaveränderung in der Vergangenheit verändert hat. Forschende des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen sowie des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg (ICBM) haben dafür das Vorkommen von fossilen Planktonarten im Atlantischen Ozean nach der letzten Eiszeit untersucht. Sie fanden heraus, dass mit anhaltender Erwärmung der Ozeane viele Arten zuerst wie erwartet vermehrt in höhere Breiten gewandert sind. Überraschenderweise stellten sie aber fest, dass sich dabei auch neue Artengemeinschaften gebildet haben, und dass die Veränderung der Gemeinschaften nicht vollständig mit der Erwärmung der Ozeane einherging.
Für ihre Studie haben Anne Strack, Dr. Lukas Jonkers und Prof. Michal Kucera vom MARUM an der Universität Bremen sowie Dr. Marina C. Rillo und Prof. Helmut Hillebrand vom ICBM der Universität Oldenburg einen großen Datensatz über die Artenzusammensetzung von fossilen planktonischen Foraminiferen in 25 Sedimentkernen des Nordatlantiks von der letzten Eiszeit vor 24.000 Jahren bis in die heutige Warmzeit untersucht. So konnten die Forschenden genau nachverfolgen, wie sich die Artenzusammensetzung mit Beginn der letzten starken Erderwärmung in der Erdgeschichte, nach der letzten Eiszeit, im gesamten Nordatlantik verändert hat. Dabei entdeckte das Team unerwartete Muster. „Wir waren verblüfft, als wir merkten, dass sich die Artenzusammensetzung des Planktons noch lange weiter änderte, nachdem sich die Temperatur in der heutigen Warmzeit wieder stabilisiert hatte“, erklärt Erstautor:in Anne Strack.
„Es ist schon lange bekannt, dass sich Artengemeinschaften ändern, wenn sich deren Umgebung ändert. Steigt etwa die Meerestemperatur im Ozean, wandern Arten in höhere Breiten ab. Dieses Abwandern können wir auch in unseren Daten des Nordatlantiks beobachten. Das Erstaunliche ist aber, dass die „einheimischen“ Arten nicht gleich schnell abgewandert sind“, erklärt Anne Strack. Diese Asymmetrie zwischen Ein- und Auswanderung führte vor allem in den mittleren Breiten zur Bildung neuartiger Artengemeinschaften, die es so in der Eiszeit nirgends auf der Erde gab. „Noch erstaunlicher: Diese neu zusammengewürfelten Gemeinschaften waren kein flüchtiges Phänomen, sondern sie bleiben über mehrere tausend Jahre bestehen“, ergänzt Prof. Michal Kucera.
Somit liefern die Ergebnisse der Studie wichtige Hinweise für das Schicksal mariner Ökosysteme unter andauernder Erwärmung der Ozeane. Sie unterstützen Computer-Simulationen, die darauf hindeuten, dass auch die prognostizierte künftige Erwärmung zur Bildung neuer Artengemeinschaften führen wird. Etabliert sich eine neuartige Planktongemeinschaft, wirkt sich das auf wichtige Ökosystemfunktionen durch neue direkte oder indirekte ökologische Interaktionen aus. „Diese Studie trägt auch dazu bei, wie wir den heutigen rapiden Biodiversitätswandel verstehen, denn sie zeigt uns, dass wir erst weit in der Zukunft die Reaktion des Lebens im Meer auf heutige Umweltveränderungen sehen werden“, sagt Prof. Helmut Hillebrand.
Die Studie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Meeresgeolog:innen und Paläontolog:innen aus der Universität Bremen und Ökolog:innen aus der Universität Oldenburg im Rahmen des Exzellenzclusters „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Klimaschutz ist, genauso wie der Erhalt der Artenvielfalt, von zentraler Bedeutung für die Zukunft unseres Planeten. Mehr darüber könnt ihr auf unserem Klimablog nachlesen.
Auf dem Bild seht ihr kleine, planktonische Foraminiferen, die Onno Groß, der Gründer von DEEPWAVE, jahrelang intensiv erforscht hat.
Arktischer Ozean künftig auch im Sommer versauert
Pressemitteilung, 05.10.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Eine neue Studie geht davon aus, dass der Klimawandel die saisonale Versauerung des Arktischen Ozeans verschieben und intensivieren könnte, mit Folgen für das Ökosystem
Die Meere unseres Planeten haben über die vergangenen 200 Jahre mehr als ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids aus der Atmosphäre aufgenommen. Das hat dazu geführt, dass sie seit Beginn der industriellen Revolution um fast 30 Prozent saurer geworden sind. Der pH-Wert des Wassers ist dabei nicht immer gleich, er schwankt je nach Jahreszeit und Region. Die niedrigsten Werte treten natürlicherweise im Winter auf. Das könnte sich aber ändern, denn mit dem Klimawandel kann sich dieser Wert in den Sommer verlagern, wie ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts nun zeigen konnte. Mit weitreichenden Folgen für das Leben im Ozean, wie sie in der Fachzeitschrift Nature beschreiben.
Im Sommer ist die biologische Aktivität von Meereslebewesen am größten, denn in der Regel herrschen hier optimale Bedingungen für Leben, Nahrung und Fortpflanzung. Der Klimawandel bedroht jedoch diese Ausgangslage, denn er verschiebt den Zeitpunkt des niedrigsten pH vom Winter in den Sommer, wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie des französischen Labors für Klima- und Umweltwissenschaften (CEA), LOCEAN – Laboratorium für Ozeanographie und Klimaforschung und des Instituts Pierre-Simon Laplace (IPSL) nun herausfanden. In einer aktuellen Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Versauerung im Sommer noch in diesem Jahrhundert um etwa ein Viertel verstärken könnte. Einige Organismen des Arktischen Ozeans würden diese Veränderung deutlich spüren und wären weniger tolerant gegenüber einer verstärkten Erwärmung im Sommer.
Verursacht wird diese saisonale Verschiebung durch den verstärkten Anstieg des CO2 im erwärmten Wasser. Im Sommer steigen die Lufttemperaturen in der Arktis, mehr Meereis schmilzt und die arktischen Oberflächengewässer erwärmen sich. Diese Erwärmung wird im Sommer so stark, dass die Versauerung des Meerwassers viel stärker zunimmt und nicht mehr durch die Photosynthese von Algen im Ozean ausgeglichen wird. „Diese Ergebnisse verschlechtern die Aussichten für einige arktische Fische wie den Polardorsch, die bereits durch den Klimawandel bedroht sind“, sagt Mitautor Hans-Otto Pörtner, Biologe und Klimaforscher am AWI. „Die erwarteten Höchsttemperaturen bringen arktische Lebewesen an ihre thermischen Grenzen und überschreiten diese sogar, dies gilt besonders für ihre empfindlichen Lebensstadien.“ Hauptautor James Orr vom LSCE und IPSL ergänzt: „Wer hätte gedacht, dass der Klimawandel die maximale Versauerung um sechs Monate verschieben könnte, während Studien über saisonale biologische Rhythmen Verschiebungen von nur etwa einem Monat ergeben haben.“ „Das Faszinierende an dieser Studie ist, dass die chemischen Winter tatsächlich zu chemischen Sommern werden“, sagt Lester Kwiatkowski, Mitautor vom LOCEAN und IPSL.
In ihrer Studie haben die Forschenden Simulationen von 27 Erdsystemmodellen analysiert und zukünftige Klimaszenarien erarbeitet. Dabei haben sie zum ersten Mal das Potenzial für saisonale Verschiebungen der Versauerung bewertet, mit allen Variablen, die damit zusammenhängen. Denn die Versauerung wird nicht nur durch einen einzelnen Faktor bestimmt, sondern durch ein empfindliches Zusammenspiel von physikalischen und biologischen Prozessen, beeinflusst von der stärkeren Erwärmung der Oberflächengewässer im Sommer. Diese Veränderungen waren größer in den Szenarien mit mittleren und hohen Treibhausgas-Emissionen und deutlich geringer bei niedrigen Emissionen. Für die Forschenden ein Hoffnungsschimmer, dass Schlüsselelemente des Ökosystems des Arktischen Ozeans erhalten werden können, wenn die durchschnittliche globale Erwärmung unter 2 °C gehalten werden kann.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.
Die Ozeanversauerung betrifft nicht nur die Polarmeere, sondern auch Organismen wie Kalkalgen oder Seeigel. Mehr zu der Lage der Eismeere findet ihr in unserem Forschungs- oder Klimablog.
Versauernder Meereisverlust
Die Erwärmung und Versauerung der Ozeane – angetrieben durch die Klimakrise – verstärken sich gegenseitig. Unsere Meere nehmen große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre auf, wodurch ihr pH-Wert sinkt und sie „sauer“ werden. Das schadet vielen Meeresbewohnern, besonders denen mit Strukturen aus Kalzium-Verbindungen. Forscher:innen haben kürzlich im arktischen Ozean entdeckt, dass durch den starken Meereisverlust zunehmend Wasser freigelegt wird, dass das atmosphärische CO2 besonders gut aufnehmen kann. Mit Daten aus Wasseranalysen von 1994 und 2020 konnte ein drei- bis viermal höherer Versauerungs-Trend im westlichen Arktischen Ozean festgestellt werden – zurückzuführen auf den zunehmenden Meereisverlust in dieser Region. Wenn dieser weiter fortschreitet, könnte sich auch die Versauerung zunehmend verstärken. Die prognostizierten eisfreien Sommer in der Arktis bis zum Jahr 2050 oder vielleicht sogar bereits bis 2030 haben somit weitreichendere Auswirkungen auf das arktische Ökosystem, als bisher angenommen.
Den zugehörigen Artikel „Versauernder Meereisverlust“ von Martin Vieweg vom 30.09.2022 findet ihr bei wissenschaft.de.
Die Originalpublikation „Climate change drives rapid decadal acidification in the Arctic Ocean from 1994 to 2020“ findet ihr bei Science.
Wie stark die Meeresbewohner von der Ozeanversauerung beeinflusst werden und ob sie sich anpassen können, muss noch weitestgehend erforscht werden. Ein Langzeit-Experiment mit Kalkalgen hat gezeigt, dass ihre evolutionäre Anpassung an die Ozeanversauerung nur eingeschränkt möglich ist.
Tang trägt Tiere von Küste zu Küste
Millionen Flöße aus Seetang treiben von Küste zu Küste des Südlichen Ozeans. Dabei tragen sie Seesterne, Asseln, Krustentiere, Gliederfüßer, Weichtiere und Würmer mit sich – riesige Mengen an Biomasse werden transportiert. Dadurch können sich die Organismen in neuen Regionen ansiedeln, wie ein internationales Forschungsteam der University of Otago nun herausgefunden hat. Durch den starken Zirkumpolarstrom kann der Seetang dabei sogar die schwer überwindbaren Barrieren der Antarktis bezwingen. Dieser Ferntransport könnte dem Aussterben einiger Arten durch sich verändernde Klimabedingungen entgegentreten. Mithilfe der Seetang-Flöße können marine Arten vor dem Klimawandel fliehen, wenn ihr ursprüngliches Habitat für sie unbewohnbar wird. So wird generell erwartet, dass sich die Lebensräume der Meeres- und Küstenbewohner weiter in Richtung der Pole verschieben.
Zwar bietet dieser Transportweg eine Fluchtmöglichkeit für bedrohte Arten, jedoch können sogenannte Neobiota (auch bekannt als invasive Arten) ökologische Gefahren mit sich bringen. Diesem Thema bedarf es also noch weiterer Beobachtung und Forschung.
Den Artikel „Tang trägt Tiere von Küste zu Küste“ von Wiebke Pfohl vom 09.06.2022 findet ihr bei Spektrum.
Lehren aus der Vergangenheit: Wie Kaltwasserkorallen auf globale Erwärmung reagieren
Pressemitteilung, 07. Juni 2022, MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Kaltwasserkorallen und hier insbesondere die Art Lophelia pertusa sind Architekten komplexer Riffstrukturen. Sie bilden die Grundlage für wichtige Lebensräume von Tiefseeorganismen, die in diesen Strukturen Schutz, aber auch Nahrung finden. Allerdings reagieren Korallenriffe auch sensibel auf sich ändernde Lebensbedingungen. Dazu gehören etwa die Erwärmung der Ozeane, die Versauerung, der abnehmende Sauerstoffgehalt und auch der variierende Nährstoffzufluss. Ändert sich einer dieser Parameter, zum Beispiel durch den globalen Klimawandel, kann sich das auf die Gesundheit des gesamten Korallenriffs auswirken. Zu verstehen, wie genau diese Ökosysteme auf Umweltveränderungen reagieren, ist daher laut der aktuellen Studie wichtig, um sie künftig besser schützen zu können.
Um die kritischsten Parameter identifizieren zu können, die das Aussterben und Wiederansiedeln von Kaltwasserkorallen auslösen können, haben Erstautor Rodrigo da Costa Portilho-Ramos vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und seine Kolleg:innen Sedimente von sechs Kaltwasserkorallen-Standorten im Nordatlantik und im Mittelmeer untersucht. In solchen Sedimenten sind vergangene Umweltbedingungen gespeichert. Sie ermöglichen es Forschenden herauszufinden, wann und warum sich Kaltwasserkorallen vermehrt haben und wann nicht. Die Ergebnisse, betonten die Autor:innen, würden auch zeigen, wie die Korallen auf künftige klimatische Veränderungen reagieren könnten. Die Studie analysiert Veränderungen der wichtigsten Umweltfaktoren über die vergangenen 20.000 Jahre, den Zeitraum der letzten großen globalen Erwärmung nach der letzten Eiszeit, und vergleicht diese mit dem Auftreten von Kaltwasserkorallen.
„Wir haben in die Vergangenheit geblickt, um zu verstehen, wie Lophelia pertusa auf Umweltveränderungen reagiert hat“, fasst Portilho-Ramos zusammen. Die Korallen verschwanden oder kehrten in eine Region meistens dann zurück, wenn sich das Nahrungsangebot für die Korallen oder der Sauerstoffgehalt des Wassers verändert hat. Kaltwasserkorallen ernähren sich von mikroskopisch kleinem Plankton und Partikeln, die mit der Meeresströmung transportiert werden. Wenig Einfluss auf das Absterben und die Vermehrung von Kaltwasserkorallen hatten die Temperatur und der Salzgehalt des Wassers. „Darum gehen wir davon aus, dass vor allem Nahrungszufuhr und die Verfügbarkeit von Sauerstoff die entscheidenden Faktoren sein werden, wenn es um Leben und Tod von Kaltwasserkorallen geht“, betont Portilho-Ramos. Unklar ist, wie sich die Ozeanversauerung langfristig auswirkt, da es dazu keine paläozeanographischen Daten gibt.
Als Ökosystem-Ingenieure tragen die Kaltwasserkorallen maßgeblich zur Entstehung von Biodiversitäts-Hotspots in der Tiefsee bei. Mit ihrem Einfluss auf Nahrungsnetze und Nährstoffkreisläufe, mit ihrer Rolle als Fisch-Kindergärten und mit einer beeindruckenden Biodiversität liefern Kaltwasserkorallen-Riffe wichtige Ökosystem-Leistungen. Um diese auch in Zeiten des Klimawandels in der Zukunft erhalten zu können, bilden die Ergebnisse dieser Studie eine wichtige Grundlage, um wissensbasierte Managementstrategien für solche Tiefsee-Ökosysteme zu entwickeln. Damit trägt sie auch maßgeblich zu den Zielen des Bremer Exzellenclusters bei, dass sich der Erforschung des Ozeanbodens widmet.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Weitere Informationen zu Kaltwasserkorallenriffen und die Auswirkungen der Klimakrise, findet ihr in unserem Forschungs- und Klimablog.
Der Südozean, wie man ihn noch nie gesehen hat
Pressemitteilung, 07.06.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Die Beschaffenheit des Ozeanbodens entscheidet mit darüber, wie sich Wassermassen und Strömungen in den Meeren bewegen und unser Klima beeinflussen. Auch die Lebensvielfalt im Meer ist beeinflusst von Meeresbodenstrukturen. Deshalb sind möglichst genaue Informationen zur Bodentopografie für meeres- und klimawissenschaftliche Forschung unabdingbar. Mit der zweiten Version der International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO v2) hat eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts die bislang beste und detailreichste Bodenkarte des Südlichen Ozeans vorgestellt, der im System Erde eine Schlüsselrolle spielt. Die Karte und die komplexe Entwicklungsmethodik wurden im Nature-Fachmagazin Scientific Data veröffentlicht.
Rund um den antarktischen Kontinent erstreckt sich mit dem Südozean eine Schlüsselregion für das System Erde und das Weltklima. Der von starken Westwinden – den berühmten „Roaring Fourties“ – angetriebene Antarktische Zirkumpolarstrom ist hier das zentrale verbindende Element der weltumspannenden thermohalinen Zirkulation und beeinflusst so die Meeresströmungen in Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean. Zudem nimmt das kalte Wasser des Südlichen Ozeans gigantische Mengen an CO2 und Wärme aus der Atmosphäre auf und puffert so vorübergehend einen Teil der negativen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels ab. Darüber hinaus ist er ein Ort hoher biologischer Produktivität und beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt.
Trotz dieser großen Bedeutung sind im Südozean – wie in anderen Ozeanen auch – bislang nur vergleichsweise wenige Regionen des Meeresbodens detailliert vermessen und kartiert. Satellitendaten liefern zwar ein flächendeckendes, aber nur relativ grob aufgelöstes Bild. Hochauflösende Daten können derzeit nur schiffsbasiert aufgezeichnet werden. Dies führt unter anderem dazu, dass Forschungsschiffe wie der Eisbrecher Polarstern mit ihren Fächerlotmessungen im Südlichen Ozean immer wieder auf bislang unbekannte topografische Highlights wie einen 1920 Meter hohen Seeberg stoßen, den sie nach Nelson Mandelas Spitznamen „Madiba Seamount“ benannten.
„Wo auch immer man hingeht oder arbeitet, braucht man eine Karte, um sich zu orientieren. Deshalb sind praktisch alle meereswissenschaftlichen Disziplinen auf detaillierte Karten des Meeresbodens angewiesen“, sagt Dr. Boris Dorschel-Herr, Leiter der Bathymetrie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „So ist die Bodentopografie im Südlichen Ozean zum Beispiel auch entscheidend für das Verständnis vieler klimarelevanter Prozesse. Warme Wassermassen etwa fließen in tiefen Trögen im Kontinentalschelf bis zu den Eisschelfen und Gletschern der Antarktis und beeinflussen deren Abschmelzen. Umgekehrt hängt auch das Abfließen von Gletschern sowie die Stabilität von Eisschilden maßgeblich von der Beschaffenheit des Untergrunds ab. Mit IBCSO v2 liefern wir nun die bislang beste und detailreichste Abbildung des Südlichen Ozeans.“
Die International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO) ist ein internationales und vom AWI koordiniertes Projekt zur Kartierung des Südlichen Ozeans. Bereits 2013 wurde ein erstes IBCSO-Datenraster (IBCSO v1) mit hochauflösender Karte für den Bereich südlich von 60°S veröffentlicht. In den folgenden Jahren hat die Menge neuer Messdaten erheblich zugenommen.
Seit 2017 ist IBCSO Teil des Nippon Foundation – GEBCO Seabed 2030 Project, das sich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, bis 2030 die Weltozeane zu vermessen. „Die neue Version von IBCSO – IBCSO v2 – für den Südlichen Ozean deckt nun in einer hohen Auflösung von 500 mal 500 Metern den kompletten Bereich südlich des 50. Breitengrades ab – und damit eine 2,4 mal größere Fläche Meeresboden als die erste Version“, erklärt Boris Dorschel-Herr. „Dadurch sind nun auch der Antarktische Zirkumpolarstrom und die für sein Verständnis wichtigen ozeanografischen ‚Gateways‘ – die Drake-Passage und die Tasmanische Passage – vollständig enthalten. In die Karte sind über 25,5 Milliarden Messungen eingeflossen, die von 88 Institutionen aus 22 Ländern zur Verfügung gestellt wurden.“
Das Datenraster und eine hochaufgelöste Karte des Südlichen Ozeans stehen frei verfügbar auf der Projektseite www.ibcso.org und unter https://doi.org/10.1594/PANGAEA.937574 zum Download online.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.
Hier findet ihr einen weiteren Beitrag zur thermohalinen Zirkulation und zum Zirkumpolarstrom. Schaut doch auch bei unserem Klima-Blog vorbei, falls ihr euch über die Entwicklungen der Antarktis und Arktis informieren wollt.
Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten
Der Klimawandel und die damit einhergehende Ozeanversauerung macht sich immer stärker in unseren Meeren bemerkbar. Einige Planktonarten, darunter auch die Coccolithophoriden (Kalkflagellaten), produzieren im Zuge ihres Stoffwechsels Kalziumkarbonat, wodurch sie Kalkschalen oder -skelette ausbilden. Die Versauerung des Meerwassers stellt ein großes Problem für diese Organismen dar, denn die Säure zersetzt die lebensnotwendigen Kalkgebilde. Auch in den vergangenen Warmphasen der Erdgeschichte wurden bisher keine Fossilien der Coccolithophoriden gefunden. Nun fanden jedoch schwedische Forscher:innen „Geisterfossilien“, die dafür sprechen könnten, dass die Kalkflagellaten eventuell besser mit der Klimakatastrophe zurecht kommen, als bisher erwartet wurde.
Bei den gefundenen Fossilien handelt es sich nicht um die Kalkschalen selbst, sondern um ihre Abdrücke auf Pollenfossilien, weshalb das Forscherteam diese als „Geisterfossilien“ bezeichnet. Diese Funde deuten darauf hin, dass die Coccolithophoriden trotz der ungünstigen Klimabedingungen während der Erwärmungsereignisse in der Jura- und Kreidezeit existiert haben müssen. Der Fund der winzig kleinen Abdrücke war somit eine riesige Überraschung für die Forscher:innen. Sie haben jedoch eine Erklärung dafür, wieso bisher wahrscheinlich noch keine vollständigen Fossilien der Kalkflagellaten entdeckt wurden. Der erhöhte Säuregehalt des umgebenen Wassers muss die Kalkplatten im Nachhinein aufgelöst haben, wodurch nur noch die Abdrücke und nicht mehr ganze Fossilien zu finden sind. Darum blieb die Existenz der Coccolithophoriden zu diesen Epochen bisher auch unentdeckt. Aufgrund dieser Entdeckung könnte man davon ausgehen, dass die Kalkalgen durch den Klimawandel eventuell weniger stark belastet werden, als bisher angenommen wurde. Jedoch warnt das Forschungsteam auch vor falscher Vorsicht, denn die Klimakrise verläuft viel schneller, als bisherige Warmphasen. Somit ist es sehr schwierig, Vorhersagen diesbezüglich zu treffen.
Den Artikel „Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten“ vom 19.05.2022 von Elena Bernard findet ihr bei wissenschaft.de.
Das Originalpaper „Global record of “ghost” nannofossils reveals plankton resilience to high CO2 and warming“ von Sam Slater findet ihr bei science.
Falls ihr noch mehr zur Ozeanversauerung und der Anpassung der Kalkalgen lesen möchtet, schaut euch doch diesen Beitrag von uns an: „Ozeanversauerung – die Grenzen der Anpassung“ .
Mit Gesteinsmehl gegen den Klimawandel
Pressemittelung vom 15. Mai 2022, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Das Projekt OceanNETs erforscht in einem norwegischen Fjord Methoden zur Aufnahme von Kohlendioxid im Ozean
Das Ziel ist eindeutig: Im Übereinkommen von Paris hat die Weltgemeinschaft beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie unter 1,5° Celsius zu halten. Dies ist nur zu erreichen, wenn wir unsere Treibhausgas-Emissionen drastisch senken und Maßnahmen ergreifen, um Kohlendioxid (CO2) aktiv wieder aus der Atmosphäre zu entfernen – also „negative Emissionen“ zu erzeugen. Inwieweit der Ozean hierbei helfen kann und welche Risiken und Nebenwirkungen damit verbunden sein könnten, untersucht derzeit ein internationales 43-köpfiges Team von Forschenden unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in einer Feldstudie südlich von Bergen.
Für das Langzeit-Experiment setzen die Forschenden die am GEOMAR entwickelten Mesokosmen ein, eine Art übergroßer Reagenzgläser mit 20 Metern Länge und einem Durchmesser von zwei Metern. In den abgeschlossenen Behältern wird der pH-Wert des Meerwassers durch die gezielte Zugabe von Mineralien erhöht. Diese so genannte Alkalinisierung wirkt nicht nur der Ozeanversauerung entgegen, sondern erhöht auch das Potential des Ozeans, CO2 zu binden. Regelmäßige Probennahmen und Messungen dokumentieren die chemischen und biologischen Veränderungen in den Mesokosmen über einen Zeitraum von etwa acht Wochen.
Das untersuchte Verfahren ist einem natürlichen Prozess nachempfunden: In der freien Natur sind Mineralien aus Gesteinen und Böden für die Alkalinität von Gewässern verantwortlich. Im Experiment werden gelöschter Kalk – stellvertretend für kalziumbasierte Mineralien – und Magnesium-Silikat – als Vertreter für siliziumhaltige Mineralien – zur Alkalinisierung genutzt, da sie frei von Unreinheiten regulärer Mineralien sind und sich zudem leichter im Wasser lösen. Das Experiment soll klären, wie effektiv hierdurch zusätzliches CO2 gebunden wird, welche der beiden Substanzen bessere Ergebnisse erzielt und vor allem, wie sich die Ozean-Alkalinisierung auf marine Lebensgemeinschaften auswirkt.
„Wir müssen an Wegen arbeiten, um dem Klimawandel aktiv zu begegnen. Das Problem wird immer drängender. Selbst wenn es uns gelingt, die CO2-Emissionen schnell und energisch zu reduzieren, wird es immer noch Treibhausgas-Emissionen geben, die wir nicht vermeiden können“, sagt Professor Dr. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR und Leiter der Studie. „Wir wollen mit unserer Forschung sichere und nachhaltige Lösungen entwickeln helfen, mittels derer sich Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen lässt. Dabei ist es besonders wichtig, negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt auszuschließen.“
Mesokosmen-Studien eignen sich besonders, um die Auswirkungen von Veränderungen im Meerwasser zu untersuchen, ohne dabei die Meeresumwelt zu beeinflussen. Durch die abgeschlossene Struktur der „Riesen-Reagenzgläser“ können die Bedingungen im enthaltenen Wasser kontrolliert verändert werden. Mesokosmen schließen natürliche Lebensgemeinschaften ein und sind während der Experimente den realen Umweltbedingungen ausgesetzt, so dass naturnahe Zustände simuliert werden können. Dies ist im Labor nicht möglich.
Neben den Wissenschaftler:innen vom GEOMAR sind auch Forschende der Universität Bergen, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Universität Hamburg, der Universität von Las Palmas de Gran Canaria, des Alfred-Wegener Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung, des Bigelow Laboratory for Ocean Sciences, der University of Tasmania, der Southern Cross University, der University of Agder und der Technischen Universität Dänemark am Experiment beteiligt.
„Die Ergebnisse der Studie in Norwegen und eines vergleichbaren Experiments, das im Herbst 2021 auf Gran Canaria durchgeführt wurde, fließen in eine übergreifende Bewertung verschiedener ozean-basierter Maßnahmen zur aktiven CO2-Entnahme ein“, erklärt Dr. David Keller, Erdsystemmodellierer am GEOMAR und Koordinator des Projekts OceanNETs. „Dabei verfolgen wir einen transdisziplinären Ansatz, der neben naturwissenschaftlichen auch wirtschaftliche, rechtliche und soziale Aspekte berücksichtigt. Unsere Ergebnisse und Bewertungen sollen dazu beitragen, eine Entscheidungsgrundlage für den möglichen Einsatz von Maßnahmen zur aktiven CO2-Entfernung zu liefern. Welche Maßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, kann nur durch Abwägung aller Vor- und Nachteile und eingebunden in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess zur Minderung des Klimawandels entschieden werden.“
Projektförderung und -koordination:
Neben dem Projekt OceanNETs, welches die Europäische Union im Rahmen des Horizon2020-Programms fördert, wird die Studie auf Bergen zusätzlich aus dem EU-Projekt AQUACOSM-plus co-finanziert. Das Projekt OceanNETs wird am GEOMAR von Dr. David Keller koordiniert.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss Deutschland bis 2035 CO₂ sein. Welche katastrophalen Auswirkungen der Klimawandel für unsere Meere hat, zeigt der IPCC-Sonderbericht.
Ozeanwirbel könnten antarktisches Meereis-Paradoxon erklären
Pressemitteilung, 02.02.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
AWI-Studie liefert Basis für verlässlichere Prognosen zu den Folgen des Klimawandels in der Antarktis
Trotz der globalen Erwärmung und des Meereisverlustes in der Arktis ist die antarktische Meereisausdehnung seit 1979 im Durchschnitt konstant geblieben. Derzeitige Klimamodell-Simulationen zeigen im Gegensatz zu den tatsächlichen Beobachtungen jedoch für denselben Zeitraum eine starke Meereisabnahme. Wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts nun zeigen, könnte der Ozean die Erwärmung rund um die Antarktis dämpfen und den Rückgang der Eisbedeckung verzögern. Weil dieser Faktor und die Rolle der Ozeanwirbel in vielen Modellen noch nicht ausreichend wiedergegeben werden können, liefert die jetzt im Fachmagazin Nature Communications erschienene Studie eine Basis für bessere Simulationen und Prognosen zur künftigen Entwicklung in der Antarktis.
Die globale Erwärmung schreitet rasant voran und hinterlässt weltweit deutliche Spuren. Besonders dramatisch sind die Folgen des Klimawandels in der Arktis: Seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 hat sich das Meereis hier aufgrund von steigenden Temperaturen massiv zurückgezogen. Noch vor 2050 – so zeigen aktuelle Modellrechnungen – könnte die Arktis im Sommer komplett eisfrei sein, in vereinzelten Jahren möglicherweise bereits vor 2030.
Auf der anderen Seite der Erde in der Antarktis scheint sich die Eisbedeckung dagegen einem klaren Trend zu entziehen. Seit 2010 gibt es zwar mehr zwischenjährliche Schwankungen als in der Periode zuvor. Bis auf einen erheblichen negativen Ausschlag in den Jahren 2016 bis 2019 ist die langjährige mittlere Meereisbedeckung rund um den antarktischen Kontinent seit 1979 aber stabil geblieben. Damit steht die messbare Realität den meisten Simulationen der Wissenschaft entgegen, die für den gleichen Zeitraum eine deutliche Abnahme der Meereisfläche zeigen. „Dieses sogenannte antarktische Meereis-Paradoxon beschäftigt die wissenschaftliche Gemeinde schon länger“, sagt Studien-Erstautor Thomas Rackow vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Die gängigen Modelle können das Verhalten des antarktischen Meereises noch nicht korrekt abbilden, etwas Entscheidendes scheint zu fehlen. Deshalb geht auch das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC derzeit davon aus, dass das Vertrauensniveau der Modell-Prognosen zur weiteren Entwicklung des antarktischen Meereises gering ist.“ Zum Vergleich: In der Arktis sind die Modelle bereits so gut, dass der IPCC den Prognosen ein hohes Vertrauensniveau beimisst. „Mit unserer Studie liefern wir nun einen neuen Ansatzpunkt, der die Zukunftsprojektionen in der Antarktis deutlich verlässlicher machen könnte.“
Im Rahmen der Studie setzte das Team das AWI Climate Model (AWI-CM) ein. Im Gegensatz zu anderen bekannten Klimamodellen ist es mit dem AWI-CM möglich, bestimmte Schlüsselregionen wie das Südpolarmeer wesentlich detaillierter – oder mit anderen Worten „in hoher Auflösung“ – zu simulieren. Auf diese Weise lassen sich auch Vermischungsprozesse berücksichtigen, die im Meerwasser durch kleinere Ozeanwirbel mit Durchmessern von 10 bis 20 Kilometern, sogenannte Eddies, verursacht werden.
„Bei unseren Modellläufen haben wir verschiedenste Konfigurationen angewandt. Dabei stellte sich heraus, dass nur Simulationen mit einem hoch aufgelösten Südlichen Ozean rund um die Antarktis zu einem ähnlich verzögerten Meereis-Schwund führen, wie wir ihn in der Realität beobachten“, sagt Thomas Rackow. „Wenn wir das Modell dann weiter in die Zukunft rechnen lassen, bleibt die antarktische Meereisbedeckung selbst bei einem sehr ungünstigen Treibhausgasszenario noch bis zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend stabil. Danach jedoch zieht sich das Eis dann ähnlich rasant zurück, wie es in der Arktis schon seit Jahrzehnten der Fall ist.“
Die AWI-Studie liefert damit auch eine mögliche Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten des antarktischen Meereises entgegen dem globalen Erwärmungstrend. „Die paradoxe Stabilität der Meereisbedeckung kann verschiedene Gründe haben. Diskutiert wird etwa die Theorie, dass zusätzliches Schmelzwasser aus der Antarktis die Wassersäule und damit auch das Eis stabilisiert, indem das kühle Oberflächenwasser vom wärmeren Tiefenwasser abgeschirmt wird. Eine andere Theorie verdächtigt die in Folge des Klimawandels verstärkten Westwinde rund um die Antarktis. Diese könnten letztlich dazu führen, dass das Eis wie ein Pizzateig dünn ausgerollt und auf eine größere Fläche verteilt wird. Das Eisvolumen könnte dabei schon heute abnehmen und nur die bedeckte Fläche scheinbar konstant bleiben“, erklärt Thomas Rackow.
Die Forschungsarbeit des AWI rückt nun die Ozeanwirbel in den Fokus. Denn diese könnten entscheidend dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels im Südlichen Ozean zu dämpfen und damit zu verzögern, indem der Ozean zusätzliche Wärme aus der Atmosphäre nach Norden in Richtung Äquator transportiert. Der nordwärtige Wärmetransport hängt eng mit der zugrundeliegenden Umwälzzirkulation in den oberen etwa 1000 Meter des Ozeans zusammen, die im Südlichen Ozean einerseits vom Wind angetrieben, aber auch durch Wirbel beeinflusst wird. Während der nach Norden gerichtete Anteil der Zirkulation durch die verstärkten Westwinde zunimmt, scheinen dies die vereinfacht dargestellten Wirbel in grob-aufgelösten Klimamodellen oft mit einem Beitrag Richtung Antarktis überzukompensieren. Die explizit simulierten Wirbel im hoch-aufgelösten Modell verhalten sich eher neutral. In der Summe wurde also eine größere nordwärts gerichtete Änderung des Wärmetransports im hochaufgelösten Modell beobachtet. Auf diese Weise erwärmt sich das Meer rund um die Antarktis insgesamt langsamer und die Eisbedeckung bleibt länger konstant. „Unsere Studie unterstützt damit die Hypothese, dass Klimamodelle und Vorhersagen zum antarktischen Meereis deutlich zuverlässiger werden, wenn diese einen hoch aufgelösten Ozean mit Meereswirbeln realistisch simulieren können“, sagt Thomas Rackow. „Dank immer schnellerer paralleler Superrechner und neuer effizienter Modelle sollte dies mit Klimamodellen der nächsten Generation routinemäßig möglich sein.“
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Im Gegensatz zu der Antarktis, erwärmt sich die Arktis deutlich schneller, was zu einem kontinuierlichen Negativtrend im jährlichen Meereisminimum führt. Mehr darüber erfahrt ihr in unserem Klima- und Forschungsblog.
„Was, wenn wir einfach die Welt retten?“ – Frank Schätzing im Climaware Podcast
Frank Schätzing, Autor des Bestsellers „Der Schwarm“ und Förderer von DEEPWAVE, erzählt in diesem Podcast, wie er zum ersten Mal mit den Problemen konfrontiert wurde, denen unsere Ozeane aufgrund der Klimakrise ausgesetzt sind – ausgelöst durch seine Recherchen zu „Der Schwarm“. Dass der Golfstrom aufhört zu fließen, ist durchaus unheimlich genug für einen Thriller, allerdings auch hinsichtlich der Prognosen von Klimawissenschaftler:innen ein nicht unrealistisches Zukunftsszenario. Was Frank Schätzing bewegt hat, sich über sein Dasein als Autor hinaus auch klimaaktivistisch zu betätigen und als Klima-Kommunikator zu fungieren, könnt ihr in dieser spannenden und lehrreichen Podcast-Episode des Climaware Podcast hören.
Das neue Buch von Frank Schätzing
Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise
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Der Podcast Climaware bündelt nicht nur Faktenwissen rund um die Klimakrise, sondern bietet auch zahlreiche Interviews mit inspirierenden Personen, die ihre persönlichen Geschichte über den Umgang mit der Klimakrise erzählen und weitreichende Lösungsansätze aufzeigen.
Mehr über den „Schwarm“ könnt ihr in unserer Büchersammlung Ozeanbücher nachlesen.