Klima

Meeresschutz ist Klimaschutz.

Klimawandel: Folgen für Koralle, Mensch & Co

Korallenriffe unter Wasser

© Jerry Reid / Wikimedia Commons (PD)

Pressemitteilung, 31.03.2023, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Modellierungen zeigen Auswirkungen der zukünftigen globalen Erwärmung auf das Ökosystem Korallenriff

Ein Forschungsteam – unter ihnen Senckenberg-Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Angelika Brandt, Dr. Marianna Simões und Dr. Hanieh Saeedi – hat die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das Ökosystem Korallenriff untersucht. In ihrer im Fachjournal „Progress in Oceanography“ erschienenen Studie zeigen sie unter anderem, dass 90 Prozent der untersuchten Warmwasserarten in ihren aktuellen Verbreitungsgebieten als Folge des Klimawandels nicht überlebensfähig sind. Global wird es laut den Forschenden und unter Annahme verschiedener Klimaszenarien zu einer geographischen Verlagerung zahlreicher Arten sowie zu Massenaussterbeereignissen in den Meeren kommen.

Der geschätzte Vermögenswert für Korallenriffe beläuft sich auf eine Billion US-Dollar. Die marinen Ökosysteme bieten eine direkte Lebensgrundlage für etwa 500 Millionen Menschen, allein in Asien versorgen sie eine Milliarde Menschen mit Nahrungsmitteln. Mehr als 150.000 Kilometer Küstenlinie werden von Riffen geschützt. „Angesichts der Bedeutung von Korallenriffen auch für unser eigenes Wohlergehen ist es enorm wichtig, diese Ökosysteme gesund zu erhalten“, erläutert Prof. Dr. Angelika Brandt vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Schon heute hat sich die globale Temperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um ein Grad Celsius erhöht, sie steigt aktuell um weitere 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt – mit massiven Auswirkungen auch auf das Ökosystem Korallenriff. 29 Korallenriffe mit Welterbestatus sind jetzt schon durch die Erderwärmung akut bedroht.“

Meeresforscherin Brandt, Erstautorin der Studie Dr. Chhaya Chaudhary vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und weitere Forschende von Senckenberg und der kanadischen Victoria-Universität haben in ihrer aktuellen Studie die Auswirkungen der zukünftigen globalen Erwärmung auf Korallenriffe und die darin lebenden Arten untersucht. Dabei legten sie zwei Klimaszenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu Grunde, anhand derer sie die Auswirkungen für 57 Organismengruppen aus Korallen, Mollusken, Fischen, Krebstieren und Polychaeten in warmen, kalten, flachen und tiefen Gewässern für die Gegenwart und die Jahre 2050 und 2100 modellierten.

„Laut unseren Ergebnissen werden wir im Zuge der globalen Erwärmung 90 Prozent der 30 untersuchten Warmwasserarten im Südchinesischen Meer, dem Indo-West Pazifik, dem Karibischen Meer, dem Golf von Mexiko oder vor der Nordküste Australiens, verlieren. Die Verbreitungsgebiete werden sich unter den angenommenen zukünftigen Klimabedingungen deutlich nach Süden verlagern“, erklärt Chaudhary, die während des Forschungsprojekts als Postdoktorandin bei Senckenberg beschäftigt war.

Die 27 untersuchten Kaltwasserarten reagierten unterschiedlich auf die modellierten Temperaturerhöhungen: Die meisten Arten der nördlichen gemäßigten Breiten konnten sich unter den neuen Bedingungen ausbreiten, während die arktischen Arten allesamt zurückgingen.  „Unabhängig von ihrer taxonomischen Gruppe gelingt es Arten mit größeren Verbreitungsgebieten sich besser an den Klimawandel anzupassen – eine Zunahme von Generalisten und eine Abnahme von spezialisierten, endemischen Arten könnte die Folge sein“, ergänzt Dr. Hanieh Saeedi vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

Neben der geographischen Verschiebung der Korallenriff-Verbreitungsgebiete warnen die Wissenschaftler*innen auch vor einem Artensterben in den Meeren der Tropen, Teilen der nördlichen gemäßigten Regionen und der gesamten Arktis als Folge des Klimawandels. „Vor etwa 125.000 Jahren gab es schon einmal solch ein Aussterbeevent bei tropischen Korallen, das auf veränderte Klimabedingungen zurückzuführen ist. Solche Ereignisse können unter anderem zu einer Destabilisierung der Räuber-Beute-Dynamik in den Korallenriffen und der damit verbundenen Nahrungskette führen – mit negativen Auswirkungen für den menschlichen Lebensunterhalt, die Fischerei, den Tourismus und den Küstenschutz“, so Chaudhary.

Brandt resümiert: „Unsere globalen Projektionen zeigen die Regionen, in denen es durch den Klimawandel zu einem potenziellen Verlust oder Gewinn von Arten kommen kann. Jedes Ungleichgewicht in den Populationen der Korallenriffe wirken sich auch auf die Produktivität dieser Ökosysteme aus. Entscheider*innen sollten unsere Ergebnisse nutzen, um die biologische Vielfalt zu schützen und das menschliche Wohlergehen in den betroffenen Ländern und Regionen zu erhalten!“

Diese Pressemittelung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Forscher:innen haben Genabschnitte von Korallen untersucht, die mit einer natürlichen Hitzetoleranz in Verbindung stehen könnten. Hier findet ihr weitere Infos und die dazugehörige Podcastfolge vom Deutschlandfunk.

Lemke: Mit Natürlichem Klimaschutz Ökosysteme stärken und gegen Klimakrise angehen

Eine Salzwiese

© Trish Hartmann / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Pressemitteilung, 29.03.2023, BMUV

Bundesregierung verabschiedet Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz zur Stärkung und Wiederherstellung von Ökosystemen

Das Bundeskabinett hat heute das von Bundesumweltministerin Steffi Lemke vorgelegte Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) verabschiedet. Mit dem ANK will die Bundesregierung dazu beitragen, den allgemeinen Zustand der Ökosysteme in Deutschland deutlich zu verbessern und so ihre Resilienz und ihre Klimaschutzleistung zu stärken. Natürliche Lebensräume wie Moore, Wälder, Wildnis, Auen, Meere und Küsten sollen besser geschützt und widerstandsfähiger werden, um dauerhaft zu den nationalen Klimaschutzzielen beizutragen. Hierzu verbindet das ANK Klimaschutz mit Naturschutz und hilft dabei, die Klimakrise zu bekämpfen, die biologische Vielfalt zu erhalten und gegen die Folgen der Klimakrise vorzusorgen. Das Aktionsprogramm enthält insgesamt 69 Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern. Für die Finanzierung stehen bis 2026 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land: Sie alle können Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und langfristig speichern. Sie sind Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten und wirken als Puffer gegen Folgen der Klimakrise, indem sie zum Beispiel Wasser in der Landschaft halten und bei Hitze für Abkühlung sorgen. Tagtäglich erbringt die Natur so für uns viele lebenswichtige Dienstleistungen, allerdings nur solange Ökosysteme intakt sind. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz schaffen wir jetzt gezielt Anreize und Angebote, um Ökosysteme wiederherzustellen und widerstandsfähiger zu machen. Das ist ein echter Paradigmenwechsel hin zur Wiederherstellung von Natur und eine gute Nachricht für den Klimaschutz, für die Natur, für Tiere, Pflanzen und natürliche Lebensräume. Und es ist eine gute Nachricht für uns alle. Denn überall dort, wo wir die Natur schützen und stärken, arbeitet sie auch für uns.“

Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz soll mit insgesamt 69 Maßnahmen in dreifacher Hinsicht für die Verbesserung von Ökosystemen wirken: Erstens sind intakte Ökosysteme natürliche Klimaschützer. Wälder und Moore, Meere und Gewässer, Grünflächen in der Stadt und auf dem Land binden CO2 aus der Luft und speichern es langfristig. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz leistet daher einen wichtigen Beitrag, um die im Bundes-Klimaschutzgesetz verankerten Ziele für den Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wald (LULUCF) und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Zweitens ist eine intakte Natur Lebensraum für viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Natürlicher Klimaschutz hilft deshalb dabei, die ehrgeizigen Verpflichtungen der Weltnaturkonferenz in Montreal umzusetzen. Und drittens hilft natürlicher Klimaschutz entscheidend dabei, Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise zu treffen. Denn gesunde Ökosysteme wie Flussauen, Moore und Wälder halten das Wasser in der Landschaft, können es für Dürrezeiten speichern und stehen bei Hochwasser als Überschwemmungsflächen zur Verfügung. Das ANK ist hier eng mit der Nationalen Wasserstrategie verknüpft, die das Kabinett vor zwei Wochen verabschiedet hat.

Hintergrundinformationen:

Das Programm enthält 69 Maßnahmen in insgesamt zehn Handlungsfeldern: zum Beispiel zu Mooren, Waldökosystemen, Meeren und Küsten, Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie zu Forschung und Kompetenzaufbau. Für die Umsetzung stehen bis 2026 vier Milliarden Euro bereit.

Für eine zügige Umsetzung sollen erste Maßnahmen rasch anlaufen. Bis zum Sommer soll das Kompetenzzentrum für Natürlichen Klimaschutz eingerichtet werden, damit sich Interessierte wie beispielsweise Landbesitzende über passende Fördermöglichkeiten informieren können. Eine erste Förderrichtlinie für Natürlichen Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum soll in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. In kommunalen Projekten sollen Flächen gezielt so genutzt werden, dass sie Klimaschutz und biologische Vielfalt fördern, ländliche Gebiete attraktiver machen und zur Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise beitragen. Und ein Maßnahmenpaket Stadtnatur soll noch in diesem Jahr starten, zum Beispiel um städtische Flächen zu entsiegeln, bestehende Grünflächen naturnah umzugestalten und Stadtbäume zu pflanzen.

Das ANK ist Ergebnis eines umfassenden Beteiligungsprozesses aus dem letzten Herbst. Rund 120 Stellungnahmen und über 1.000 Online-Kommentare wurden inhaltlich eingehend geprüft. Zur Umsetzung wurden die Grundlagen für eine breite Allianz mit Landbesitzenden, Naturschützerinnen und -schützern und Verantwortlichen vor Ort gelegt. Die Maßnahmen des ANK setzen insbesondere auf finanzielle Anreize, um eine freiwillige Umsetzung von Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes zu unterstützen. Flankiert werden diese Maßnahmen unter anderem durch eine Überprüfung des Rechtsrahmens, insbesondere um die Umsetzung der geförderten Projekte zu erleichtern, Beratungs- und Bildungsangebote, moderne Vorhaben aus Forschung und Innovation sowie ein umfassendes Monitoring.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.

Das ANK verbindet Klimaschutz mit Naturschutz – beides ist unumgänglich für einen erfolgreichen Schutz unserer Meere.

 

Weniger Meereis, mehr Hering

Das einzigartige Ökosystem Arktis

© Alfred-Wegener-Institut / Stefan Hendricks (CC-BY 4.0)

Pressemitteilung, 27.03.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Alte DNA aus dem Meeresgrund verrät, wie tiefgreifend der Klimawandel die marinen Ökosysteme der Arktis verändern könnte

[27. März 2023] Noch überziehen sich die Meere der Polargebiete jedes Jahr für Wochen oder Monate mit einem gefrorenen Panzer. Doch der Klimawandel lässt dieses Meereis zunehmend schwinden. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt nun, welche drastischen Folgen das für die dortigen Ökosysteme haben kann: Beim Übergang von saisonal vereisten zu eisfreien Bedingungen kann sich demnach die komplette Lebensgemeinschaft verändern. Das schließt ein Team vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam aus der Analyse von alter DNA aus dem Meeresgrund. Solche Umbrüche können auch Konsequenzen für die Fischerei und das globale Klima haben, warnen die Fachleute im Wissenschaftsjournal Nature Communications.

Der Eisschwund in den Polarmeeren könnte der Beginn tiefgreifender Veränderungen im Ökosystem sein. „Welche langfristigen Folgen die geringe sommerliche Meereisbedeckung für die Meeresbewohner hat, ließ sich bisher nur schwer einschätzen, weil entsprechende Langzeituntersuchungen fehlten“, erklärt Prof. Dr. Ulrike Herzschuh, Leiterin der Forschungsgruppe Polare Terrestrische Umweltsysteme am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Potsdam. Im Team mit ihren AWI-Kolleginnen Heike Zimmermann und Kathleen Stoof-Leichsenring sowie Forschenden der Jacobs University Bremen und dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat sie jetzt einen Blick rund 20.000 Jahre zurück bis in die letzte Eiszeit geworfen.

Informationen über die jeweiligen Umweltverhältnisse lassen sich aus den Ablagerungen herauslesen, die sich im Laufe der Jahrtausende am Grund des Meeres angesammelt haben. „Diese Sedimente sind ein natürliches Archiv der Klimageschichte“, sagt Ulrike Herzschuh. Wer das Material mit einem Bohrer an die Oberfläche holt, kann in den unterschiedlich alten Schichten die Spuren längst verstorbener Meeresbewohner finden. Mithilfe der sogenannten Shotgun-Sequenzierung hat das Team DNA von Vertretern aus 167 Familien von Meeresbewohnern gefunden, deren Lebensraum das Eis oder das freie Wasser ist. „Wir waren selbst überrascht, dass in diesen alten Sedimenten Informationen über das komplette Ökosystem stecken“, sagt Ulrike Herzschuh.

Typisch für die kälteren Phasen der letzten Eiszeit waren demnach Diatomeen und andere Algen, die in oder unter dem Meereis leben. Diese winzigen Sauerstoffproduzenten waren eine beliebte Nahrungsquelle für Ruderfußkrebse, die ihrerseits von Fischen aus der Familie der Dorsche wie dem Pazifischen Kabeljau, dem Alaska-Seelachs und dem Polardorsch gefressen wurden. In den wärmeren Epochen ohne Eis gab es dagegen deutlich weniger Diatomeen und Ruderfußkrebse, dafür aber umso mehr Cyanobakterien. Am Meeresgrund breiteten sich in geschützten Buchten Seegraswiesen aus und statt der Dorsche schwammen in der Beringsee mehr Lachse und Pazifische Heringe.

„Wir können damit nun zum ersten Mal zeigen, wie sich mit dem Rückgang des Meereises das komplette Ökosystem umbaut“, resümiert Ulrike Herzschuh. „Das fängt bei den Algen an und geht bis zu den Fischen und Walen.“ Ähnlich tiefgreifende Veränderungen erwartet das Team auch für eine wärmere und weitgehend eisfreie Zukunft. Das aber könnte massive ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen haben. So wird sich der Fang einiger beliebter Speisefische wie Seelachs und Kabeljau in der Beringsee womöglich nicht mehr lohnen. Dafür könnten der Buckellachs und der Pazifische Hering weiter nach Norden vordringen.

Dazu kommt, dass die Planktongesellschaften unter eisfreien Bedingungen wohl auch weniger Kohlenstoff in die Tiefe transportieren und in den Sedimenten deponieren. Möglicherweise können die Meere dann nicht mehr so viel Kohlendioxid speichern, was den Klimawandel weiter anheizen würde. Das Verschwinden des Meereises könnte also auch dazu führen, dass diese Ökosysteme wichtige Dienstleistungen nicht mehr in gewohntem Umfang bereitstellen können.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Die Originalpublikation „Marine ecosystem shifts with deglacial sea-ice loss inferred from ancient DNA shotgun sequencing“ findet ihr bei Nature Communications.

Diese neuen Forschungserkenntnisse bestätigen wieder einmal, dass Klimaschutz mit Meeresschutz einhergeht – und umgekehrt.

Flüssig-Gasinfrastruktur in der Ostsee zerstört Ökosysteme

Ein Gas-Terminal in einem Hafen in Antwerpen

© Uberprutser / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 17.03.2023, WWF

Ostseeschutzallianz warnt vor verheerenden Auswirkungen für die Meeresnatur

Die in der Ostseeschutzallianz MV kooperierenden Umweltverbände BUND, NABU und WWF warnen vor der Umsetzung der geplanten Errichtung von festen Gas-Terminals mit großen Regasifizierungseinheiten sowie einer weiteren Gas-Pipeline durch den Greifswalder Bodden und Seetrassen durch die Ostsee.

„Sowohl der Bau als auch der langdauernde Betrieb werden zur Zerstörung empfindlicher und geschützter Lebensräume, zur Dauerbelastung bedrohter Meeressäugetiere, Rast- und Zugvögel sowie nicht zuletzt der Fischwanderrouten und des bedeutendsten Heringslaichgebietes der westlichen Ostsee führen. Für diesen Naturraum und seine Funktionsfähigkeit trägt Mecklenburg-Vorpommern die Verantwortung und steht in der Pflicht, die dort ausgewiesenen Meeresschutzgebiete auch tatsächlich landes- und EU-rechtskonform zu schützen“, sagt NABU-Landesgeschäftsführerin Dr. Rica Münchberger.

Studien zeigen sehr klar auf, dass durch die bestehenden und geplanten Vorhaben zur Anlandung von LNG deutlich mehr Gas-Kapazitäten geschaffen würden, als benötigt werden. Deutschland hat bereits 2022 LNG über Frankreich, die Niederlande und Belgien importiert und kann das auch zukünftig fortsetzen. Ein Bedarf an weiteren Anlagen im Küstenraum Mecklenburg-Vorpommerns besteht nicht. Weitere Studien belegen zudem, dass es in absehbarer Zeit zu einer LNG-Knappheit auf dem Weltmarkt kommen könnte. Nicht die Anlandungsinfrastruktur, sondern die LNG-Verfügbarkeit wird damit zum Flaschenhals bei der Versorgung Deutschlands und Europas mit Gas.

Ein weiterer Ausbau der auf LNG ausgerichteten Infrastruktur trägt zudem dazu bei, die globale Erderhitzung zu verstärken, indem die notwendige Abkehr von klimaschädlichen Energieträgern auf Kosten von Natur, Umwelt und Menschen erheblich in die Zukunft verschoben wird. „Rechtlich sind die Zerstörungen und Beeinträchtigungen durch die geplanten LNG-Vorhaben unhaltbar. Der geplanten Belastung der insgesamt vier Europäischen Natura 2000 -Schutzgebiete steht nachweislich kein begründeter nationaler Bedarf gegenüber. Die prognostizierten Anlande- und Durchflussmengen von Flüssiggas sind nicht mit den Klimaschutzzielen Deutschlands vereinbar. Sie behindern stattdessen die notwendigen Schritte der Energiewende und zementieren die Nutzung fossiler Energieträger. Durch das geplante Projekt sind Lock-in-Effekte zu erwarten, welche die fossile Abhängigkeit Deutschlands und auch Osteuropas verlängern. Auch sicherheitspolitische Redundanzen überzeugen hier nicht“, sagt BUND-Geschäftsführerin Corinna Cwielag.

Eine Auseinandersetzung mit diesen Fakten fehlt in der Planung des Vorhabens vollständig, sind sich die Vertreter der Ostseeschutzallianz einig. Stattdessen soll dieser so schwerwiegende zerstörerische Eingriff in das Ökosystem wider besseres Wissen in Kauf genommen werden.

„Wir haben die schwindende Biodiversität und den fortschreitenden Klimawandel als planetare Krisen, die wir gemeinsam und schnell lösen müssen. Der Wille, der in der fehlgeleiteten Beschleunigung zur LNG-Infrastruktur erkennbar ist, muss nun als Booster für erneuerbare und grüne Infrastruktur eingesetzt werden. Die Behördenleitungen müssen das Ermöglichungs-Mind-Set auf das überragende öffentliche Interesse für den Klima- wie auch den Naturschutz konzentrieren“, sagt der Leiter des WWF-Büros Ostsee, Dr. Finn Viehberg.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.

Das Bild zeigt ein LNG-Terminal im Wilhelmina-Hafen in den Niederlanden.

LNG-Flüssiggas trägt nicht zur Luftverschmutzung bei, erhöht aber sogar den Methanausstoß bei Schiffen, die es verwenden. Nicht nur deshalb fordern Umweltverbände, LNG-Terminals auf den Prüfstand zu stellen.

Abkühlung von Teilen der Arktis kehrt sich offenbar um

Ein großer Teil des Bodens in der Arktis ist eisfrei

© Matti&Keti / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Bereits im Jahr 2010 wurde festgestellt, dass in der Arktis seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend zu beobachten ist: 

Pressemitteilung, 29.07.2010, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung

– neue Daten deuten auf rapiden Temperaturanstieg in kältester Region
des europäischen Festlands hin

Moskau/ Stuttgart/ Halle(Saale). Teile der Arktis haben sich im letzten Jahrhundert deutlich abgekühlt. Seit 1990 steigen die Temperaturen jedoch auch dort stark an. Das geht aus einer Rekonstruktion der Sommertemperaturen der letzten 400 Jahre mit Hilfe von Baumringen aus Regionen nördlich des Polarkreises hervor. Dazu analysierten deutsche und russische Forscher das Baumwachstum mit Hilfe von Jahresringen von der russischen Kola-Halbinsel und verglichen es mit drei ähnlichen Untersuchungen von anderen Orten in der Arktis. Seit dem Jahre 1600 hat die rekonstruierte Sommertemperatur auf Kola in den Monaten Juli und August zwischen 10,4°C (1709) und 14,7 °C (1957) gelegen – bei einem Mittelwert von 12,2 °C über die letzten 400 Jahre. Nach einer Phase der Abkühlung ist seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend beobachtbar. „Die Daten deuten auf einen starken Einfluss der Sonnenaktivität auf die Sommertemperaturentwicklung hin, der allerdings seit 1990 von anderen Faktoren überlagert wird“, schreiben Wissenschaftler der Moskauer Instituts für Geographie, der Universität Hohenheim und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Fachblatt Arctic, Antarctic and Alpine Research.

Für die Untersuchungen verwendeten die Forscher Holzproben von insgesamt 69 Waldkiefern (Pinus sylvestris) aus dem Khibiny-Gebirge auf der Kola-Halbinsel unweit der Grenze zu Finnland zwischen dem Polarkreis und dem Nordmeerhafen Murmansk. Die Untersuchungsregion befindet sich in der Übergangszone zwischen dem von Golf- bzw. Nordatlanikstrom geprägten Skandinavien und den kontinentalen Gebieten Eurasien. Diese Grenzlage macht diese Region besonders interessant für klimatologische Studien.

Auf Kola herrscht ein kalt-gemäßigtes Klima mit langen, mittelkalten Wintern und kalten feuchten Sommern. Die Temperatur schwankt in diesem Teil der Arktis im Mittel zwischen -12°C im Januar und +13°C im Juli, bei einer Wachstumsphase für die Bäume von nur 60 bis 80 Tagen. Die Vegetation an den nördlichen Ausläufern der Taiga wird von Fichten, Kiefern und Birken geprägt. Die Proben stammten von drei Standorten in Khibiny Gebirge in der Nähe der heutigen Höhenbaumgrenze zwischen 250 und 450m über dem Meeresspiegel. Die geografische (nördliche) Baumgrenze verläuft etwa 100 Kilometer weiter nördlich. In früheren Studien konnten die Forscher um Tatjana Böttger vom UFZ zeigen, dass die Kiefernwälder auf der Kola-Halbinsel vor 7000 bis 3500 Jahren bereits ca. 50 Kilometer weiter im Vergleich zu Ihrer heutigen nördlichen Position nach Norden reichten. Für diese Studie haben die Forscher jedoch Bäume von der Höhen-Baumgrenze verwendet, da diese sehr sensibel auf Temperaturschwankungen reagieren und besonders aussagekräftig sind wie auch US-Amerikanische Forscher im November 2009 im Fachblatt PNAS demonstrierten als sie mit Hilfe einer langlebigen Kiefernart in Kalifornien und Nevada nachwiesen, dass diese Bäume in den letzten 50 der vergangenen 3500 Jahre aufgrund von gestiegenen Temperaturen besonders stark gewachsen waren.

Im Institut für Botanik der Universität Hohenheim in Stuttgart maßen die deutschen Forscher die Breite der einzelnen Jahresringe. Die Kalibrierung der Jahresringchronologien mit Hilfe der meteorologischen Wetteraufzeichnungen der letzten 127 Jahre und die Auswertung der Ergebnisse erfolgte zusammen mit dem Institut für Geographie der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW) in Moskau und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. „Neben Temperatur, hängt das Wachstum stark auch von nichtklimatischen Faktoren wie Licht, Nährstoffen, Wasserversorgung und Konkurrenz zu anderen Bäumen ab. Es ist daher entscheidend, diese Trends zu isolieren, um das möglichst reine Klimasignal zu erhalten“, erklärt Yury M. Kononov von der RAW in Moskau.

Nach der Rekonstruktion der Sommertemperaturen auf der Kola-Halbinsel verglichen die Forscher ihre Ergebnisse mit ähnlichen Untersuchungen an Baumringen aus dem schwedischen Lappland sowie von der Yamal- und Taimyr-Halbinsel im sibirischen Teil Russlands, die bereits 2002 im Fachblatt Holocene veröffentlicht worden waren. Die rekonstruierten Sommertemperaturen der letzten vier Jahrhunderte ähneln sich zwischen Lappland, der Kola- und Taimyr-Halbinsel insofern, dass alle drei Datenreihen ein Temperaturmaximum in der Mitte des 20. Jahrhunderts zeigen, auf das eine Abkühlung um ein bis zwei Grad folgte. Lediglich die Datenreihe der Yamal-Halbinsel erreichte ihr Maximum erst um etwa 1990. Auffällig an den Daten der Kola-Halbinsel ist, dass die höchsten Werte im Zeitraum um die Jahre 1935 und 1955 ermittelt wurden und die Kurve bis 1990 auf das Niveau von 1870 sank, was dem Beginn des industriellen Zeitalters entspricht. Seit 1990 erhöhten sich die Temperaturen dagegen wieder deutlich. Auffällig an den neuen Daten ist, dass die rekonstruierten Temperaturminima gerade mit Zeiten niedriger Sonnenaktivität zusammenfallen. Daher vermuten die Forscher, dass in der Vergangenheit die Sonnenaktivität einen wesentlichen Beitrag zu den Schwankungen der Sommertemperaturen der Arktis beigetragen hat. Allerdings ist dieser Zusammenhang nur bis 1970 deutlich, dann gewinnen andere, möglicherweise regionale Besonderheiten, die Oberhand. „Sicher ist nur: Dieser Teil der Arktis hat sich nach der Ende der Kleinen Eiszeit vor ca. 250 Jahren erwärmt, ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts abgekühlt und erwärmt sich seit 1990 wieder“ so die Paleoklimatologin Dr. Tatjana Böttger vom UFZ.

Im September 2009 hatte eine internationale Forschergruppe Modellrechnungen präsentiert, wonach sich die Arktis in den letzten zwei Jahrtausenden bis zum Beginn des Industriezeitalters um etwa 0,2 °C pro Tausend Jahre langsam abgekühlt hat und dafür ein langsames Nachlassen der Sonneneinstrahlung im Sommer verantwortlich gemacht. Allerdings sei das letzte Jahrzehnt das wärmste seit Beginn der Zeitrechnung gewesen und habe 1,4°C über der Prognose gelegen, so Darrell S. Kaufman und Kollegen im Fachblatt Science. Die neuen Daten von Kononov, Friedrich und Böttger stützen diese These, wonach die Sonnenaktivität in der Vergangenheit einen wesentlichen Einfluss auf die Sommertemperaturen in der Arktis hatte, dieser aber in den letzten Jahrzehnten stark abgeschwächt ist.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung.

Neben der voranschreitenden Erwärmung und das Schmelzen des Eises wird das Ökosystem Arktis auch durch zunehmende Versauerung und Plastikverschmutzung immer stärker bedroht.

Warum Ökonomen Walen ein Preisschild verpassen wollen

Ein Wal wirft sich Rückwärts auf die Wasseroberfläche

© Todd Cravens / Unsplash

Ein Podcast zum immer mehr beachteten Aspekt, wie Wale zum Klimaschutz beitragen können.
Mit unserem langjährigen Kollegen Fabian Ritter von WDC und M.E.E.R. e.V., einem der fachkundigsten Experten auf diesem Gebiet.

Den Podcast findet ihr beim Spiegel.

Wenn ihr mehr von Fabian Ritter hören beziehungsweise lesen wollt, können wir euch sein Buch „Die Insel der Delfine“ sehr empfehlen. Mit Fotografien aus 25 Jahren Feldforschung auf dem Meer beschreibt er darin die am häufigsten gesichteten Wal- und Delfinarten vor La Gomera – jeweils ergänzt durch einen „Magischen Moment“ während der Beobachtung – sowie Seevögel und Schildkröten.

Der weltweit steigende Schiffsverkehr wird zunehmend zur Bedrohung von Walen, da diese immer häufiger mit Schiffen zusammenstoßen. Was man dagegen tun kann, könnt ihr in unserem Beitrag „Wie man einen Wal rettet“ nachlesen. Neben der Gefahr einer Kollision verursacht jedes Schiff zusätzlich Lärm, der für Wale lebensbedrohlich werden kann, indem er ihre Kommunikation und ihre natürlichen Verhaltensweisen beeinträchtigt.

Soziale Kipppunkte im Klimawandel: Große Veränderungen mit Zuversicht bewirken

Bei einer Demonstration wird ein Plakat mit der Aufschrift "The climate is changing, why aren't we?" hochgehalten

© Markus Spiske / Unsplash

Kipppunkte, wie das Korallensterben, die irreversible Szenarien auslösen, sind im Kampf gegen die Klimakrise allgegenwärtig. Doch auch sogenannte soziale Kippunkte gewinnen beim Klimaschutz immer mehr an Aufmerksamkeit.

Durch „soziale Ansteckung“ kann das Verhalten von einigen wenigen das Verhalten von vielen erheblich beeinflussen. Da wir gesellschaftliche Wesen sind und uns Verhaltensweisen abgucken, lassen wir uns besonders von anderen Menschen zum Handeln bewegen. Das Gefühl der Ohnmacht und Kontrollverlust, das oft zum Nichtstun führt, kann durch das Handeln in der Gruppe deutlich reduziert werden. Laut einer Studie sind soziale Kipppunkte erreicht, wenn etwa ein Viertel der Bevölkerung von einer neuen Richtung überzeugt ist. Dieser soziale Wandel ist entscheidend, um unsere Klimaziele einzuhalten. Neben klimafreundlichem Handeln, wie Flugreisen und Autofahren zu vermeiden, grüne Energie zu nutzen und vegetarisch oder vegan zu leben, ist es besonders wichtig, über klimafreundliches Verhalten zu reden und mehr Menschen darauf aufmerksam zu machen.

Den zugehörigen Beitrag „Große Veränderungen mit Zuversicht bewirken“ vom 08.02.2023 findet ihr beim Deutschlandfunk.

Das Schmelzen der Permafrostböden und der Eisschilde zählt unter anderem zu den Kipppunkten und löst eine sich selbst verstärkende Rückkopplung aus. Durch das Schmelzen des Permafrosts aufgrund der Erderwärmung werden große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, die wiederum zur Klimakrise beitragen und weiteres Schmelzen vorantreiben.

Küstenschütz mit Salzwiesen: Gegen die Flut wächst ein Kraut

Salzwiesen vor der Küste

© Pete / Pixabay

Salzwiesen können dabei helfen, die Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.

Das schmelzende Landeis in Grönland und der Antarktis, sowie die Ausdehnung von wärmerem Wasser sind hauptsächlich für den steigenden Meeresspiegel verantwortlich. Dieser ist auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog im letzten Jahrhundert um knapp 20 Zentimeter gestiegen. Bis zum Jahr 2150 ist mit einem Anstieg von bis zu 90 Zentimetern zu rechnen – auch wenn wir unsere Treibhausgasemissionen ab jetzt deutlich reduzieren würden. Auch werden Sturmfluten stärker und häufiger, weshalb immer mehr Geld in den Küstenschutz in Form von Deichen und Mauern gesteckt werden muss. Ob diese auch in Zukunft ausreichend Schutz bieten, ist allerdings fraglich. Hier kommen die Seegraswiesen ins Spiel. Die über 45 Pflanzenarten, die auf den Salzwiesen wachsen, stabilisieren den Boden mit ihren Wurzeln und ihre Halme bremsen die Wassermassen ab. Durch diese Pufferzone verlieren die Wellen an Energie und werden kleiner – Deiche müssten dadurch weniger hoch gebaut werden. Dies hat sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile.

Salzwiesen schützen nicht nur uns Menschen, sie bieten außerdem Brut-, Rast-, und Futterplätze für ungefähr 50 Vogelarten sowie Lebensraum für über 1500 Arten an wirbellosen Tieren. Zusätzlich sind Salzwiesen natürliche Kohlenstoffdioxidsenken und können große Mengen an CO2 speichern, weshalb sie von großer Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise sind.

Den zugehörigen Artikel „Gegen die Flut wächst ein Kraut“ von Thea Marie Klinger vom 04.02.2023 findet ihr bei der taz.

Warum Klimaschutz nicht ohne Meeresschutz möglich ist, könnt ihr in der Pressemitteilung vom NABU „Meeresschutz ist Klimaschutz“ nachlesen.

CO2-Entnahme aus At­mo­sphä­re für Kli­ma­schutz un­ver­zicht­bar

Ein Kraftwerk bläst viel dunklen Rauch und CO2 in die Luft

© Michal Pech / Unsplash

Pressemitteilung, 31.01.2023, MARUM

CDRma­re-Jah­res­ta­gung legt Fo­kus auf mee­res­ba­sier­te Me­tho­den

Die Zeit drängt: Welt­weit mahnt die For­schung, dass es bald kaum noch mög­lich sein wird, den men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del so­weit auf­zu­hal­ten, dass die in­ter­na­tio­nal ver­ein­bar­ten Kli­ma­zie­le ein­ge­hal­ten wer­den. Selbst eine um­ge­hend rea­li­sier­te dras­ti­sche Re­duk­ti­on der Koh­len­di­oxid (CO2)-Emis­sio­nen reicht nach ak­tu­el­lem Stand da­für nicht mehr aus, son­dern wird durch zu­sätz­li­che CO2-Entnahme aus der At­mo­sphä­re er­gänzt wer­den müs­sen. Vor die­sem Hin­ter­grund star­tet heu­te in Stral­sund die 2. Jah­res­ta­gung der For­schungs­mis­si­on CDRma­re der Deut­schen Al­li­anz Mee­res­for­schung, auf der sich rund 200 Ex­pert:in­nen drei Tage lang zu mee­res­ba­sier­ten Me­tho­den der CO2-Entnahme aus der At­mo­sphä­re aus­tau­schen.

Die For­schungs­mis­si­on CDRma­re – kurz für „Ma­ri­ne Koh­len­stoffspei­cher als Weg zur Dekar­bo­ni­sie­rung“ (CDR = Car­bon Di­oxi­de Re­mo­val = Koh­len­di­oxi­d­ent­nah­me) – wird vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) für ak­tu­ell drei Jah­re mit rund 26 Mil­lio­nen Euro ge­för­dert und bün­delt die Ex­per­ti­se von ins­ge­samt 22 For­schungs­ein­rich­tun­gen, Be­hör­den und Un­ter­neh­men. Ko­or­di­niert am GEO­MAR Helm­holtz-Zen­trum für Oze­an­for­schung Kiel und dem Leib­niz-In­sti­tut für Ost­see­for­schung War­ne­mün­de (IOW), be­fas­sen sich seit Au­gust 2021 Wis­sen­schaft­ler:in­nen in sechs For­schungs­ver­bün­den mit ver­schie­de­nen Me­tho­den, die dar­auf zie­len, das Po­ten­zi­al des Oze­ans aus­zu­bau­en, CO2 aus der At­mo­sphä­re auf­zu­neh­men und zu spei­chern. Da­bei wer­den auch Ri­si­ken und mög­li­che Aus­wir­kun­gen sol­cher Me­tho­den auf die Mee­res­um­welt und das Erd­sys­tem, so­wie die ge­sell­schaft­li­chen, ethi­schen und recht­li­chen As­pek­te sol­cher Maß­nah­men er­forscht.

Wäh­rend der zwei­ten CDRma­re-Jah­res­ta­gung im Stral­sun­der Ozea­ne­um wer­den jetzt die seit Mis­si­ons­be­ginn er­ziel­ten Ar­beits­er­geb­nis­se dis­ku­tiert. Kon­kret geht es da­bei um die fol­gen­den An­sät­ze der mee­res­ba­sier­ten CO2-Entnahme aus At­mo­sphä­re: 1. Die Er­hö­hung des Säu­re­bin­dungs­ver­mö­gens von Meer­was­ser – z.B. durch Ein­brin­gen von Ge­steins­mehl – soll die CO2-Auf­nah­me des Oze­ans aus der At­mo­sphä­re ver­stär­ken. 2. Künst­lich er­zeug­ter Auf­trieb von nähr­stoff­rei­chem Tie­fen­was­ser in be­stimm­ten Mee­res­ge­bie­ten soll die Bin­dung von at­mo­sphä­ri­schem CO2 in Al­gen­bio­mas­se stei­gern. 3. In ve­ge­ta­ti­ons­rei­chen Küs­te­nöko­sys­te­men, ins­be­son­de­re See­gras­wie­sen, Salz­mar­schen und Man­gro­ven, soll das Koh­len­stoffspei­cher­po­ten­zi­al ge­zielt ge­stärkt wer­den. 4. Für be­stimm­te, bis­her noch nicht ent­spre­chend ge­nutz­te Ge­bie­te sol­len Mach­bar­keit und Rah­men­be­din­gun­gen der CO2-Spei­che­rung un­ter dem Mee­res­bo­den er­forscht wer­den. Das Spek­trum der For­schungs­an­sät­ze von CDRma­re reicht von La­bor­un­ter­su­chun­gen über Me­so­kos­men­stu­di­en in na­tür­li­chen Öko­sys­te­men und Stu­di­en in tro­pi­schen Man­gro­ven­wäl­dern bis hin zu re­gio­na­ler und glo­ba­ler Mo­del­lie­rung.

Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin Bet­ti­na Stark-Watz­in­ger er­klärt an­läss­lich des CDRma­re-Jah­res­tref­fens: „Um den Kli­ma­wan­del ent­schie­den zu be­kämp­fen, müs­sen wir auch auf Tech­no­lo­gi­en zur Ent­nah­me von CO2 aus der At­mo­sphä­re und zur Spei­che­rung set­zen. Das be­tont auch der Welt­kli­ma­rat IPCC in sei­nen letz­ten Be­rich­ten. Wir müs­sen die Spei­che­rung von CO2 im in­dus­tri­el­len Maß­stab kurz­fris­tig zu­las­sen, um schnell in die Um­set­zung zu kom­men. Die da­für not­wen­di­ge Ge­set­zes­än­de­rung muss in je­dem Fall die wei­te­re For­schung er­mög­li­chen, ohne die der Wis­sen­schafts­stand­ort Deutsch­land sei­nen An­schluss in die­sem Be­reich ver­lie­ren wür­de. Das Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­ri­um hat die For­schung an die­sem Zu­kunfts­the­ma be­reits früh­zei­tig ge­för­dert. Mit ins­ge­samt rund 50 Mil­lio­nen Euro un­ter­stüt­zen wir schon jetzt die Er­for­schung land­ba­sier­ter und ma­ri­ner CO2-Entnahme-­me­tho­den, wie bei CDRma­re, da­mit Deutsch­land künf­tig eine Vor­rei­ter­rol­le ein­neh­men kann. Jetzt kommt es dar­auf an, die tech­no­lo­gi­schen und re­gu­la­to­ri­schen Grund­la­gen zeit­nah zu le­gen.“

„Der Oze­an ist be­reits jetzt Haupt­ak­teur für den Kli­ma­schutz und nimmt je­des Jahr etwa ein Vier­tel der vom Men­schen ver­ur­sach­ten CO2-Emis­sio­nen auf und bremst so­mit die Erd­er­wär­mung. An­ge­sichts der Tat­sa­che, dass die Mensch­heit Mit­te des Jahr­hun­derts selbst bei mas­si­ver Emis­si­ons­re­duk­ti­on wohl im­mer noch 5 bis 15 % der heu­ti­gen CO2-Emis­sio­nen aus­sto­ßen wird, ist es im­mens wich­tig, alle Op­tio­nen zu er­for­schen, mit de­nen die­se Res­te­mis­sio­nen durch Ent­nah­me von CO2 aus der At­mo­sphä­re kom­pen­siert und eine net­to Emis­si­ons­null er­reicht wer­den kann. Der Oze­an kann hier eine wich­ti­ge Rol­le spie­len. Wir er­for­schen, wie die­se Rol­le im Ein­klang von Mee­res­schutz und Kli­ma­schutz aus­se­hen könn­te“, kom­men­tiert CDRma­re-Co-Spre­cher An­dre­as Oschlies, Ozea­no­graph und Kli­ma­mo­del­lie­rer am GEO­MAR, den Ta­gungs­auf­takt. „Wich­tig ist uns da­bei, dass die Er­geb­nis­se von CDRma­re kon­kret um­setz­ba­re Hand­lungs­op­tio­nen be­reit­stel­len, auf de­ren Ba­sis die nö­ti­gen Ent­schei­dun­gen in Po­li­tik, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft ge­trof­fen wer­den kön­nen. Da­bei gilt es auch, mög­li­che Um­welt­ri­si­ken, Nut­zungs­kon­flik­te und Ver­tei­lungs­un­ge­rech­tig­kei­ten zu un­ter­su­chen. Des­we­gen füh­ren wir un­se­re For­schung im en­gen Dia­log mit den je­wei­li­gen ge­sell­schaft­li­chen In­ter­es­sen­grup­pen durch und sind da­her froh, dass ei­ni­ge der ent­spre­chen­den Ak­teu­re hier auf der Ta­gung an­we­send sind“, er­gänzt Gre­gor Reh­der, IOW-Mee­resche­mi­ker und eben­falls Co-Spre­cher von CDRma­re.

Bei­de CDRma­re-Spre­cher sind sich ei­nig, dass die For­schungs­mis­si­on eine po­si­ti­ve Halb­zeit-Bi­lanz für die ers­te För­der­pha­se ver­zeich­nen kann: Alle For­schungs­ver­bün­de sei­en er­folg­reich und in­ten­siv in die prak­ti­schen Ar­bei­ten ein­ge­stie­gen – etwa mit ver­schie­dens­ten La­bor­un­ter­su­chun­gen, Me­so­kos­men-Ex­pe­ri­men­ten, so­wie See­rei­sen und küs­ten­na­hen Pro­ben­nah­me-Kam­pa­gnen im In- und Aus­land, aber auch mit Tech­no­lo­gie-ent­wick­lung für ein even­tu­el­les Mo­ni­to­ring und mit ers­ten Mo­del­lie­rungs­stu­di­en zur Ex­tra­po­la­ti­on der Er­geb­nis­se auf grö­ße­re Mee­res­ge­bie­te. „Auch die über­grei­fen­de Ver­net­zung der CDRma­re-For­schen­den und das in­sti­tu­tio­nen­über­grei­fen­de Da­ten­ma­nage­ment, bei­des im­mens wich­tig bei ei­ner so groß an­ge­leg­ten For­schungs­mis­si­on mit vie­len in­sti­tu­tio­nel­len Part­nern, sind gut eta­bliert. Dar­über hin­aus hat der Wis­sens-trans­fer mit Po­li­tik und Ge­sell­schaft be­reits be­gon­nen, bei­spiels­wei­se mit der Er­stel­lung von Fak­ten­blät­tern zu den ver­schie­de­nen mee­res­ba­sier­ten CDR-An­sät­zen und Dia­log­ver­an­stal­tun­gen spe­zi­ell für po­li­ti­sche Ent-schei­dungs­tra­gen­de und die in­ter­es­sier­te Öffent­lich­keit“, so das po­si­ti­ve Re­sü­mee von Oschlies und Reh­der.

Ne­ben der in­ten­si­ven Aus­ein­an­der­set­zung mit dem bis­her Er­reich­ten dient die Ta­gung au­ßer­dem dazu, die wei­te­re For­schungs­pla­nung im Rah­men von CDRma­re vor­an­zu­trei­ben, ins­be­son­de­re auch per­spek­ti­visch für die an­ge­streb­te zwei­te För­der­pe­ri­ode ab Som­mer 2024.

– Gemeinsame Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde und des GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel –

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Mehr über Methoden zur CO2-Entnahme erfahrt ihr bei dem Projekt OceanNETS, dass in einem norwegischen Fjord Experimente mit Gesteinsmehl durchgeführt hat.

NABU: Notverordnung verschärft Konflikte beim Ausbau der Windenergie auf See

Windenergie: Nahaufnahme einer Windturbine in Schleswig-Holstein

© Waldemar / Unsplash

Pressemitteilung, 27.01.2023, NABU

Krüger: Abbau ökologischer Standards wird den Ausbau nicht beschleunigen

Berlin – Das Bundeskabinett will zeitnah eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag des Raumordnungsgesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien an Land und auf See auf den Weg bringen. Aus Sicht des NABU verschärft das die Konflikte zwischen dem Ausbau der Offshore-Windenergie und dem Meeresnaturschutz.

„Die Bundesregierung verschläft notwendige Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungsprozessen, während sie weiter Umweltstandards abbaut. Im Schnelldurchgang sollen drei Jahrzehnte etabliertes Planungsrecht einkassiert werden, ohne tatsächliche Chance auf schnellere Energieunabhängigkeit durch Offshorewind“, kritisiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Die Formulierungshilfe für das Raumordnungsgesetz sieht weitere Einschränkungen des Naturschutzrechts beim Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee vor. So sollen die Umweltverträglichkeitsprüfung und die artenschutzrechtliche Prüfung für den Zubau von insgesamt 8,8 Gigawatt Offshore-Windstrom ausgesetzt werden, selbst auf bisher nicht voruntersuchten Flächen. Damit geht die so wichtige kumulative Folgenabschätzung tausender Windräder auf See und der europarechtlich verankerte Ökosystemansatz verloren, ohne gleichzeitig die strategische Umweltprüfung qualitativ zu stärken.

„Eine Verdopplung der Kapazitäten auf See ohne ernsthafte naturschutzfachliche Vorbereitung grenzt an Russisch-Roulette. Trotz Datenlücken sollen Windparks genehmigt werden. Offensichtlich haben sich grüne Umweltpolitiker*innen erfolgreich um Schadensbegrenzung bemüht, doch erneut negiert das federführende Wirtschaftsministerium die gleichberechtigte Herausforderung des Natur- und Artenschutzes und auch die SPD versucht ökologische Standards zugunsten jeglicher wirtschaftlicher Infrastruktur abzubauen“, so NABU-Leiter Meeresschutz Kim Detloff.

Positiv ist, dass die neuen Maßnahmen nicht auf die kritischen Standorte der Ostsee angewendet und zeitlich auf die Jahre 2022 und 2023 befristet sind. Damit müssen sich Projekte wie der vom NABU kritisierte Windpark Gennaker in der Vogelzuglinie Rügen-Schonen weiter der Umweltprüfung stellen.

Gleichzeitig kritisiert der NABU die viel zu niedrige finanzielle Beteiligung der Windparkbetreiber an notwendigen Vermeidungsmaßnahmen für geschützte Arten. „Milliardenschwere Infrastrukturprojekte sollen sich billig aus der Verantwortung für die Meeresnatur kaufen dürfen. Der jährlich zu leistende Betrag muss deutlich auf mindestens 12.000 Euro pro Megawatt Leistung erhöht werden, wie es auch an Land üblich ist“, so Detloff. Besorgt sind die Umweltschützer auch, dass die Vorgabe von Schutz- und Vermeidungsdaten ohne entsprechende Daten nur schwer möglich ist. Hier müssen das Bundesamt für Naturschutz und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) eigenständiger und dem Vorsorgeansatz folgend Maßnahmen anordnen können. Dazu gehören obligatorische Radarsysteme und Abschaltautomatiken für Fledermäuse, bei Massenzugereignissen und während sensibler Rastzeiten.

Ob der Abbau von Umweltstandards den Ausbau der Windkraft tatsächlich beschleunigen, steht für den NABU dabei in Frage. Bisherige zeitliche Planungen des BSH orientieren sich auch an der technischen Umsetzbarkeit. Und auch ohne seriöse Umweltprüfungen gibt es weder mehr Errichterschiffe, technisches Personal, Blasenschleier und lösen sich auch keine Lieferengpässe am Beton- und Stahlmarkt auf.

Der NABU appelliert an die Mitglieder des Deutschen Bundestags, der Gesetzesänderung in ihrer heutigen Form nicht zuzustimmen. Insbesondere alle Flächen, die an Schutzgebiete grenzen und wo marine Schutzgüter der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie Verbreitungsschwerpunkte haben – Schweinswale oder streng geschützte Seevögel – müssen auch zukünftig einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.

Hintergrund EU-Notverordnung

Mit der Umsetzung der EU-Notverordnung um eine Änderung des Raumordnungsgesetzes, plant die Bundesregierung zur Verfahrensbeschleunigung nach dem sogenannten Osterpaket weitere beschleunigende Maßnahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien auf See, an Land und für die Stromnetze. Für den Bereich der Nord- und Ostsee hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie mit dem Flächeentwicklungsplan Offshore (FEP) am 20. Januar 2023 einen verbindlichen Fahrplan vorgelegt, um das gesetzliche Ausbauziel von 30 GW bis 2030 zu erreichen bzw. sogar zu übertreffen. Und das mit den heute gültigen Umweltprüfungen. Das zeigt eindeutig, dass eine weitere Privilegierung der Offshore-Windenergie über die Festlegungen des Windenergie-auf-See-Gesetzes in seiner 2022 geänderten Form unnötig ist. Die Notverordnung in ihrer jetzigen Form setzt damit allein die planerische Qualität herab und senkt die Kosten der Betreiber, wird aber weder zu mehr noch schnellerer erneuerbaren Energie vom Meer führen.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Gegen den Offshore Windpark Butendiek hat der NABU bereits erfolgreich Revision eingelegt. Die Pressemitteilung dazu findet ihr hier.

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