Die Ansicht einer Weltkugel mit der Antarktis im Zentrum. Um die Antarktis ist der Zirkumpolarstrom durch kleine Pfeile angedeutet

© NASA / Wikimedia Commons

Pressemitteilung, 24.06.2021, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Intensität des Antarktischen Zirkumpolarstroms könnte künftig zunehmen und den Klimawandel verstärken

Die weltweit größte Ozeanströmung um die Antarktis bestimmt den Transport von Wärme, Salz und Nährstoffen im Weltozean entscheidend mit. Ein internationales Studienteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts hat nun Sedimentproben aus der Drake-Passage ausgewertet. Das Ergebnis: Während der letzten Warmzeit strömte das Wasser schneller als heute. Dies könnte eine Blaupause für die Zukunft sein und weltweit Folgen haben. So könnte etwa die Aufnahmekapazität des Südlichen Ozeans für CO2 aus der Atmosphäre sinken, was wiederum den Klimawandel verstärkt. Die Studie ist jetzt im Fachmagazin Nature Communications erschienen.

Der Antarktische Zirkumpolarstrom (engl. Antarctic Circumpolar Current, ACC) ist die mächtigste Ozeanströmung der Welt. Weil keine Landmasse den Weg versperrt, treiben die Stürme der Westwinddrift das Wasser ungehindert nach Osten, immer im Uhrzeigersinn um die Antarktis herum. So entsteht ein gigantischer Strömungsring, der den Pazifik, den Atlantik und den Indischen Ozean im Süden miteinander verbindet. Damit ist der ACC der zentrale Verteiler in der globalen Ozeanzirkulation – auch bekannt als „Globales Förderband“ – und beeinflusst so den ozeanischen Wärmetransport und die marinen Stoffkreisläufe auf der ganzen Welt. Große Veränderungen im ACC haben deshalb globale Folgen.

„Obwohl der ACC eine wichtige Rolle für das Klima von morgen spielt, ist das Wissen über sein Verhalten immer noch sehr begrenzt“, sagt Dr. Shuzhuang Wu, Forscher in der Sektion Marine Geowissenschaften am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Erstautor der Nature Communications-Studie. „Um die damit verbundenen Unsicherheiten in den Klimamodellen auszuräumen und die Vorhersagen zu verbessern, brauchen wir deshalb dringend Paläodaten, aus denen wir die Zustände und das Verhalten des ACC in der Vergangenheit rekonstruieren können.“

Die einzige Engstelle auf dem ringförmigen Weg des ACC ist die Drake-Passage zwischen der Südspitze Südamerikas und der Nordspitze der antarktischen Halbinsel. Hier pressen sich gewaltige 150 Millionen Kubikmeter Ozeanwasser pro Sekunde hindurch – das entspricht der 150-fachen Wassermenge aller Flüsse der Erde. In diesem Nadelöhr lassen sich Veränderungen des gesamten Stroms besonders gut ablesen. Deshalb fuhren die AWI-Forschenden 2016 an Bord des Forschungseisbrechers Polarstern in die Drake-Passage, um die Sedimentablagerungen der vergangenen Jahrtausende zu untersuchen. „Die Bodenströmung ist hier so stark, dass die Sedimente an vielen Stellen einfach fortgespült werden“, sagt der damalige Fahrtleiter und Studienmitautor Dr. Frank Lamy. „Trotzdem konnten wir mit dem Sedimentecholot der Polarstern Sedimenttaschen aufspüren und unter anderem einen mehr als 14 Meter langen Bohrkern aus 3.100 Metern Tiefe bergen. Das war ein großer Erfolg, weil die letzten vergleichbaren Kerne aus dem Bereich der Drake-Passage aus den 1960er Jahren stammen.“

Die Sedimente des geborgenen Kerns haben sich innerhalb der letzten 140.000 Jahre bis heute abgelagert. Damit decken sie einen kompletten Glazial-Interglazial-Zyklus ab, enthalten also Informationen aus der letzten Eiszeit, die vor 115.000 Jahren begann und vor 11.700 Jahren endete, und der vorhergehenden Eem-Warmzeit, die vor 126.000 Jahren begann.

Durch eine Analyse der Korngröße der abgelagerten Sedimente konnte das Studienteam die Strömungsgeschwindigkeit und das transportierte Wasservolumen des ACC in der Drake-Passage rekonstruieren. Aufgrund vieler kleiner Partikel auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit berechneten die Forschenden eine niedrige Geschwindigkeit und ein im Vergleich zu heute deutlich geringeres Wasservolumen. Grund dafür sind schwächere Westwinde und ausgedehnteres Meereis im Süden der Passage. Während der Kaltzeit blies der Hauptantrieb des ACC also schwächer und hatte weniger Angriffsfläche auf dem Wasser. Aus den sehr großen Partikeln auf dem Höhepunkt der Warmzeit ergaben sich dagegen eine hohe Strömungsgeschwindigkeit und ein im Vergleich zu heute 10-15 Prozent größerer Durchstrom.

„Auf dem Höhepunkt der letzten Warmzeit von 115.000 bis 130.000 Jahren vor heute war es weltweit im Schnitt 1,5° bis 2° C wärmer als heute. Der Zirkumpolarstrom könnte sich also im Zuge der globalen Erwärmung in Zukunft beschleunigen“, sagt Frank Lamy. „Das hätte weitreichende Auswirkungen auf das Klima. Zum einen prägt der ACC andere Ozeanströmungen wie den Golfstrom, der unser Klima in Nordwesteuropa mitbestimmt. Zum anderen nehmen die Ozeane etwa ein Drittel des zusätzlichen CO2 aus der Atmosphäre auf. Ein schnellerer ACC fördert jedoch den Auftrieb von CO2-reichem Tiefenwasser an die Oberfläche. Die Aufnahmekapazität der Ozeane für atmosphärisches CO2 könnte sich damit reduzieren und die Konzentration in der Luft könnte schneller steigen. Langfristig könnten dann sogar große Teile des Südlichen Ozeans zu einer CO2-Quelle werden.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Wie der Zirkumpolarstrom werden auch andere Meeresströmungen aufgrund der Erderwärmung künftig immer schneller fließen. Mehr darüber könnt ihr in unserem Klima- und Forschungsblog nachlesen.

 

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