Politik
Um die systematische Zerstörung der Ozeane zu verhindern, müssen wir uns gemeinsam dafür entscheiden.
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Verhandlungen gegen die Plastikflut starten
Pressemitteilung, 12.11.2023, WWF
WWF: „Abkommen muss rechtsverbindlich sein, Verbote besonders schädlicher Kunststoffprodukte umfassen und die Verursacher in die Pflicht nehmen“
Am Montag beginnt in Nairobi die dritte von fünf Verhandlungsrunden zur Ausarbeitung eines UN-Abkommens gegen Plastikverschmutzung (INC-3). Erstmals verhandeln die Staaten über einen konkreten Text, den sogenannten „Zero Draft“. Für ein wirksames Plastikabkommen fordert der WWF Kunststoffprodukte mit hohem Verschmutzungsrisiko sowie besonders problematische oder toxische Polymere und Chemikalien zu verbieten, oder ihre Produktion auslaufen zu lassen.
Florian Titze, Senior Policy Advisor beim WWF Deutschland, verfolgt die Verhandlungen vor Ort und sagt: „In Nairobi müssen die Staaten zeigen, wie ernst sie es mit dem Ende der Plastikverschmutzung meinen. Der Schlüssel für ein wirksames Abkommen sind verbindliche Regeln, die weltweit gelten und auch klare Verbote für problematische Kunststoffe wie Wegwerfprodukte und Mikroplastik umfassen. Auch verbindliche Regeln für die Produktgestaltung, die die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit verbessern und zu einer Kreislaufwirtschaft führen, sind unbedingt nötig. Sich auf nationale oder freiwillige Einzelmaßnahmen zu verlassen wäre unwirksam und hat uns in die Sackgasse eines ungerechten Plastik-Systems geführt: Plastikmüll verschmutzt den gesamten Planeten und gerade die ärmeren Staaten zahlen den höchsten Preis für den globalen Überkonsum von Plastik.“
Zudem fordert der WWF die Produktion und Marktnachfrage nach Neu-Plastik zu senken, beispielsweise indem man obligatorische Steuern für primäre Kunststoffpolymere erhebt und die Kunststoffproduktion nicht länger subventioniert. Um Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Plastikflut und dem Aufbau von Abfall-Infrastruktur zu unterstützen, müssen im Abkommen faire Finanzierungsmechanismen vereinbart werden. „Die Plastikkrise verursacht immense Kosten für die Umwelt, die Gesundheit und die Wirtschaft. Finanzielle Investitionen in eine globale Gesellschaft ohne Plastikmüll sollten deshalb nicht als Kosten betrachtet werden, sondern als zukünftige Einsparung der immensen Ausgaben, die durch die wachsende Plastikverschmutzung in der Welt anfallen. Das Plastiksystem ist kaputt und lässt sich nur mit einer globalen Lösung transformieren. Die Länder müssen jetzt vor allem Fortschritte im Text machen. Verzögerungstaktiken oder einen Stillstand der Verhandlungen können wir uns nicht leisten“, so Titze weiter. Einige erdölproduzierende Länder hatten in der Vergangenheit für Verzug gesorgt und versuchen ein verbindliches Abkommen zu verhindern. Dem gegenüber stehen Befürworter eines starken Abkommens, zu denen Deutschland und die EU sowie afrikanische Staaten wie Ruanda und Senegal zählen.
Der WWF hat im Vorfeld der Verhandlungsrunde einen Report veröffentlicht, der die strukturelle Ungerechtigkeit in der Plastik-Wertschöpfungskette aufzeigt. Demnach sind die Kosten von Plastikverschmutzung in ärmeren Ländern bis zu zehn Mal höher als in reichen Ländern. Verbindliche Regeln, die weltweit die Verursacher stärker in die Pflicht nehmen, können das System gerechter machen und die Umweltverschmutzung eindämmen.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.
Update: Pressemitteilung, 19.11.2023, WWF
Auf der Stelle getreten
WWF: „Abkommen muss rechtsverbindlich sein, Verbote besonders schädlicher Kunststoffprodukte umfassen und die Verursacher in die Pflicht nehmen“
Heute Abend endete in Nairobi die dritte von fünf Verhandlungsrunden zur Ausarbeitung eines UN-Abkommens gegen Plastikverschmutzung. Der WWF Deutschland zeigt sich enttäuscht und bemängelt viel verlorene Zeit. Florian Titze, Senior Policy Advisor des WWF Deutschland, sagt:
„In Nairobi zeigten sich die langsamen Mühlen der internationalen Umweltdiplomatie: Fortschritte am Abkommenstext dürfen nicht zu Lasten des Ambitionsniveaus gehen. Will man sich auf beiden Ebenen bewegen, ist das eine Gratwanderung in Trippelschritten – diese Woche wurde jedoch so wenig erreicht, dass sich das Treffen vor Ort kaum gelohnt hat. Die Bremsmanöver und der Widerstand von ölproduzierenden Staaten wie Saudi-Arabien, Russland und Iran haben viel Zeit gekostet und die Verhandlungen beinahe vollständig zum Stillstand gebracht. Kritisch ist, dass in den kommenden Runden viel verlorene Zeit aufgeholt werden muss und eine große Schippe mehr politischer Wille nötig ist: Es konnte weder ein Mandat erteilt werden, zwischen den Verhandlungsrunden politisch am Text weiterzuarbeiten, noch für technische Arbeitsgruppen zur wissenschaftlichen Basis des Abkommens. Beides wäre dringend nötig, um den Zeitplan sicher zu halten. Zumindest ist es gelungen, inhaltliche Rückschritte zu verhindern, das hat Nairobi vor einem völligen Scheitern bewahrt. Die Mehrheit der Staaten hat verteidigt, dass das Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik inklusive der Produktion umfassen muss, statt nur Fragen von Abfallentsorgung und -aufbereitung. In wichtigen Fragen hat sich die Entschlossenheit vieler Staaten bestätigt. Ein wirksames Abkommen braucht klare Verbote für problematische Kunststoffe wie Wegwerfprodukte und Mikroplastik. Zusätzlich müssen Regeln für die Produktgestaltung, die die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit verbessern und zu einer Kreislaufwirtschaft führen, festgeschrieben werden. Es liegen noch alle wichtigen Aspekte für ein ambitioniertes Abkommen auf dem Verhandlungstisch und erhalten teils großen Zuspruch, trotz der Opposition einer kleinen Gruppe lautstarker Staaten, die aktiv an der Verhinderung ambitionierter Lösungen arbeiten. Jetzt müssen die Verhandler:innen aller progressiven Länder die Zwischenzeit nutzen, um auf informellem Wege mehr Einigkeit und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. In der nächsten Verhandlungsrunde in Ottawa sind mehr Wille, mehr Tempo und eine gemeinsame Stimme nötig, um die Verhandlungen voranzutreiben. Rückschritte beim Inhalt und weitere Verzögerungen darf es nicht geben sonst ist der Zeitplan bis 2025 nicht mehr zu halten. Die Bundesregierung ist aufgerufen, ihre progressive Rolle in den Verhandlungen zu untermauern, jede Möglichkeit für weiteren Fortschritt zu ergreifen und zusätzliche Verhandlungstreffen auch finanziell zu unterstützen. Denn die Plastikkrise pausiert nicht: Schätzungsweise 35 Millionen Tonnen Plastik werden zusätzlich in den Ozean gelangen, während der zwei Jahre vom Beginn der Verhandlungen bis zu ihrem geplanten Ende. Weitere Verzögerungen können wir uns angesichts der zunehmenden Plastikflut nicht leisten.“
Diese Pressemitteilung findet ihr ebenfalls beim WWF.
Bereits im September hat der WWF rechtlich bindende Maßnahmen, globale Solidarität und ausreichende Finanzierung zum „Zero Draft“ gefordert. Und nicht nur die UN, sondern auch die EU bleibt zu zaghaft beim Kampf gegen die Plastikflut.
Verzögerungen bei LNG-Projekt vor Rügen
Pressemitteilung, 3.11.2023, DUH
Neue Recherchen belegen Verzögerungen bei LNG-Projekt vor Rügen: Behörden halten Inbetriebnahme des Terminals im Winter für unwahrscheinlich
- DUH-Auswertung interner Dokumente belegt, dass weder Genehmigungsbehörden noch Betreiber mit einer Inbetriebnahme des LNG-Terminals Rügen im Winter rechnen
- Entgegen der Behauptung der Bundesregierung wird das Terminal demnach keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit im Winter leisten können
- Damit entfällt auch die Notwendigkeit einer beschleunigten Genehmigung und die Anwendbarkeit des LNG-Beschleunigungsgesetzes
- DUH fordert, laufende Bauarbeiten an der Anschlusspipeline sofort zu stoppen und reguläres Genehmigungsverfahren durchzuführen
Berlin, 3.11.2023: Weder die zuständigen Genehmigungsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern noch die Betreiberfirmen Regas und Gascade rechnen offenbar mit einer Inbetriebnahme des geplanten LNG-Terminals Mukran auf Rügen im anstehenden Winter. Dies geht aus Unterlagen hervor, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ausgewertet hat. Dass das Terminal entgegen der Behauptungen von Bundeswirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur im Winter offenkundig noch keinen Beitrag zur Energieversorgung leisten kann, hat weitreichende Konsequenzen für das fossile Großprojekt: Die Durchführung des verkürzten Verfahrens nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz wäre damit gesetzeswidrig. Die DUH fordert daher erneut, die Bauarbeiten an der Pipeline sofort zu stoppen und ein reguläres Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die Akten sprechen eine klare Sprache: Im Grunde rechnet niemand mit der Inbetriebnahme des LNG-Terminals bis zum Winter. Trotzdem verkündet die Bundesregieung stoisch völlig unrealistische Zeitpläne. Der Grund ist offensichtlich: Würde die Verzögerung eingestanden, dürften Terminal und Pipeline nicht nach den Regeln des LNG-Beschleunigungsgesetzes ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zugelassen werden. Mit Umweltprüfung aber würden die dramatischen Umweltzerstörungen erst recht sichtbar und das Terminal und die Pipeline wären nicht genehmigungsfähig. Wir fordern, dass sich Bundesregierung und Betreiber endlich ehrlich machen, aufhören zu tricksen und sich einer regulären Prüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung stellen. Der laufende Bau an der Anbindungspipeline muss bis zum Abschluss einer Prüfung eingestellt werden.“
Aus einer Reihe jetzt bekannt gewordener und von der DUH ausgewerteter Dokumente geht deutlich hervor, das sich die aktuellen Bauarbeiten bereits in Verzug befinden. Eine Inbetriebnahme könnte sich auch über den Winter hinaus noch über Monate hinauszögern. Aufgrund der Laichzeit des gefährdeten Ostseeherings sowie der Vogelrast sind Arbeiten an der Anschlusspipeline von Januar bis Mai zudem ausgeschlossen.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Der Blick hinter die Kulissen zeigt eine offenbar dramatische Lage: Längst sind die Pläne aufgegeben worden, noch im anstehenden Winter das LNG-Terminal in Mukran in Betrieb zu nehmen. Die beteiligten Firmen hinken ihren eigenen Zeitplänen hinterher, die schon ursprünglich vom Bergamt für ‚unwahrscheinlich‘ gehalten wurden. Konsequenterweise soll das Terminalschiff Neptune schon gar nicht mehr im Winter nach Mukran verlegt werden. Es wird ganz deutlich: Mit Versorgungssicherheit im nächsten Winter hat dieses Projekt rein gar nichts zu tun. Anstatt hier weiter den Erfüllungsgehilfen für die profitorienterte Regas zu spielen, sollten Bundesregierung und Behörden endlich den Tatsachen ins Auge sehen und dieses unnötige Terminal absagen.“
Hintergrund:
Das Bergamt Stralsund konstatiert in einem Schreiben vom 19. Juni 2023 an das Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern eine „unwahrscheinliche Fertigstellung des Leitungsbaus bis Jahresende 2023!“ Aus dem Schreiben geht weiter hervor, dass die Baggerarbeiten für den zweiten Seeabschnitt bereits jetzt um mindestens einen Monat verzögert sind. Wird die Anschlussleitung jedoch nicht bis zum Jahresende fertiggestellt, können die Arbeiten im Zeitraum vom 1. Januar bis 15. Mai wegen der Laichzeit des gefährdeten Ostseeherings sowie der Vogelrastzeit nicht fortgesetzt werden. Weiterbau und Inbetriebnahme wären damit überhaupt erst nach dem 15. Mai 2024 möglich.
Im Erläuterungsbericht von Gascade, dem Vorhabenträger beim Bau der Anbindungspipeline, heißt es: „Das Ende sämtlicher Baggerarbeiten ist für Mitte September 2023 zu erwarten.“ Dies ist Teil einer „Basisplanung“, die eine Fertigstellung der Pipeline bis Jahresende gewährleisten soll. Tatsächlich sind bis Anfang November die Baggerarbeiten noch nicht annähernd abgeschlossen. Die Verzögerung liegt bereits bei mehr als acht Wochen.
Während Vorhabensträger Gascade laut Schreiben des Bergamts Stralsund vom 19. Juni 2023 die Zulassung eines vorzeitigen Baubeginns für den zweiten Seeabschnitt der Anbindungspipeline für den 1. September 2023 erbeten hatte, wurde dieser erst rund einen Monat später am 29. September gewährt. Auch dies bedeutet eine weitere Verzögerung, die die Fertigstellung bis Ende des Jahres in Frage stellt.
Aus einem Besprechungsprotokoll des Ministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Juni 2023 geht hervor, dass das LNG-Terminalschilff Neptune der Betreiberfirma Regas bis April 2024 „zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit“ an seinem bisherigen Standort im Industriehafen Lubmin verbleiben soll. In einem weiteren Protokoll des Ministeriums vom 27. Juni 2023 wird dies bestätigt. Demnach soll die Neptune sogar erst im Juli 2024 nach Mukran verlegt werden. Dass Regas die Neptune im Winter ohnehin nicht nach Mukran verlegen möchte, legt nahe, dass die Betreiberfirma selbst nicht an die Fertigstellung des Terminals im Winter glaubt.
Aus einer Pressemitteilung der Betreiberfirma Regas vom 12. Oktober 2023 geht hervor, dass Kapazitäten des LNG-Terminals Mukran „ab April 2024“ genutzt werden können. Dies bezieht sich vermutlich auf das zweite LNG-Terminalschiff „Transgas Power“, das von der Bundesregierung gechartert wurde, jedoch von Regas in Mukran betrieben werden soll.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.
HELCOM-Bericht zeigt, wie schlecht es der Ostsee geht
Pressemitteilung, NABU, 31.10.2023
HELCOM-Bericht zeigt, wie schlecht es der Ostsee geht
Krüger: Nationalpark ist essenziell für Ostseeschutz
Berlin – Der heute veröffentlichte dritte Bericht der Helsinki-Konvention (HELCOM) zeigt erneut den schlechten Zustand der Ostsee. Vor allem Infrastrukturprojekte, Rohstoffgewinnung, Fischerei, Schadstoffeinträge und Schifffahrt tragen zur Zerstörung von Lebensräumen bei.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Während international Versprechungen gemacht werden, die heimische Natur stärker zu schützen, sehen wir gerade am Beispiel des Nationalparks Ostsee, den Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther und seine CDU verhindern wollen, dass die deutsche Politik unwillig, ja unfähig ist, den vor unserer Haustür dringend notwendigen Meeresschutz konsequent umzusetzen. Deutschland hat sich erst in der letzten Zustandsbewertung der Meeresgewässer im Zuge der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie selbst bescheinigt, dass es der Natur an unseren Küsten schlecht geht. Zum selben Ergebnis kommt auch das Regionalabkommen HELCOM. Wie viele solcher Bewertungen braucht es noch, bis Bundesregierung und Küstenländer endlich auf den zunehmenden Artenverlust reagieren?“
Zwar hat Deutschland die Hälfte seiner Ostseefläche unter Schutz gestellt, allerdings fehlt noch immer die Umsetzung von Maßnahmen, um bedrohte Arten und ihre Lebensräume wirksam zu schützen. Der Ostseeschweinswal ist vom Aussterben bedroht, Fischbestände kollabieren und Seegraswiesen gehen zurück. Dabei sind wirksame Schutzgebiete ein wichtiger Grundstein für Meeresnaturschutz und Klimaschutz. Sie werden international, auch bei der HELCOM, immer stärker fokussiert und eingefordert.
„Deutschland hat sich über die Umsetzung des HELCOM-Ostseeaktionsplans und die EU-Biodiversitätsstrategie verpflichtet, mindestens zehn Prozent der Meeresumwelt unter strengen Schutz zu stellen und somit Bereiche auszuweisen, die frei von jeglicher schädlichen Nutzung sind. Ein Nationalpark Ostsee würde, wenn er konsequent umgesetzt wird, auf dieses Ziel einzahlen und dabei helfen, das Überleben bedrohter Arten und Lebensräume zu sichern. Stattdessen erleben wir derzeit eine weitere Industrialisierung der Meere und den Abbau etablierter ökologischer Standards“, so NABU-Meeresschutzexpertin Daniela Herrmann.
Der NABU appelliert an Bund und Länder der Meeresoffensive zum Schutz der Meeresnatur aus dem Koalitionsvertrag endlich Taten folgen zu lassen und erarbeitet aktuell eigene Vorschläge zur Umsetzung des Zehn-Prozent-Ziels in der deutschen Nord- und Ostsee.
Hintergrund:
Das Regionalabkommen HELCOM (Helsinki-Konvention) veröffentlicht zum dritten Mal einen Bericht über den ökologischen Zustand der Ostsee (HOLAS III). Dabei haben die Mitgliedsstaaten der Konvention im Vorfeld Analysen zur Biodiversität, Eutrophierung, Schadstoffeinträgen, Nutzungsdruck sowie wirtschaftlichen und sozialen Aspekten vorgenommen. Die Zustandsbewertung liefert wichtige Erkenntnisse über Arten- und Lebensraumzustand sowie regionale Unterschiede in der Ostsee und dient international seit Jahren als Indikator für die Gesundheit des Meeres.
Bericht auf der HELCOM-Website: http://stateofthebalticsea.helcom.fi/
Der Nationalpark Ostsee wurde von der CDU Schleswig-Holstein in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag als ein zu prüfendes Instrument genannt, um einen besseren Schutz der Ostsee umzusetzen. Im Rahmen eines Konsultationsprozesses sollte mit verschiedenen Interessengruppen die Umsetzung eines Nationalparks diskutiert werden. Die CDU hat diesen Prozess vorzeitig beendet und sich gegen einen Nationalpark in den schleswig-holsteinischen Küstengewässern der Ostsee ausgesprochen.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
Der Ostseeschweinswal steht als trauriges Symbol für einen verfehlten Meeresschutz in der Ostsee. Die vom Aussterben bedrohten Population in der zentralen Ostsee umfasst nur noch etwa 450 Individuen. Auch die neuen Fangquoten befeuern die Überfischung weiter und basieren nicht konsequent auf einem ökosystembasierten Fischereimanagement. Außerdem verstärkt eine weitere Übernutzung der Meere die Klima- und Biodiversitätskrise.
Windkraftpaket der EU-Kommission: Zwei Schritte vor, einer zurück
Pressemitteilung, 24.10.2023, NABU
Windkraftpaket der EU-Kommission: Zwei Schritte vor, einer zurück
Krüger: Natur- und Klimaschutz nicht endgültig zu Gegnern machen
Berlin/Brüssel – Die Europäische Kommission hat heute ihren neuen Aktionsplan für Windenergie, den „Wind Power Action Plan“, vorgestellt. Er sieht verschiedene Maßnahmen vor, um der europäischen Windindustrie zu einem schnelleren Ausbau zu verhelfen. So werden einerseits Hindernisse für den Ausbau der Windenergie angegangen. Gleichzeitig wird eine Verlängerung der EU-Notverordnung über Juni 2024 hinaus erwogen. Damit würde der Naturschutz weiter ins Hintertreffen geraten und ökologische Standards würden abgebaut, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:
„Das sind überfällige Schritte in die richtige Richtung: Mehr Fachpersonal in gut ausgestatteten Behörden für einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie. Auch die Digitalisierung voranzutreiben ist sinnvoll. Doch wo Licht ist, ist leider auch Schatten: Europa muss aufpassen, Natur- und Klimaschutz nicht endgültig zu Gegnern zu machen. Auf Druck der deutschen Bundesregierung sieht der Plan auch vor, die EU-Notverordnung zu verlängern. Das wollen selbst Teile der Windenergiebranche nicht, sie befürchten insbesondere auf dem Meer Rechtsunsicherheiten durch den Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfungen. Den Ausbau der Windenergie auf Kosten von Arten und Lebensräumen voranzutreiben, führt zu nichts anderem, als dass sich Klimakrise und Artensterben wechselseitig verstärken.“
Weiteren Nachbesserungsbedarf sieht der NABU auch bei den Mindestanforderungen von nicht-preisliche Kriterien bei Windkraftauktionen. Diese sind entscheidend, um den sozialen und ökologischen Nutzen von Windenergieprojekten zu maximieren. Genau das ist auch für den Naturschutz notwendig. Bevorzugt werden sollten Projekte mit kluger Standortwahl, guten Vermeidungskonzepten und geringstem ökologischen Fußabdruck. Nur dann kann die Transformation des europäischen Energiesystems gelingen.
Neben dem „Wind Power Action Plan“ hat die Kommission auch ein Papier mit Maßnahmen zu beschleunigten Ausbau der Offshore-Windenergie veröffentlicht. Der NABU begrüßt die stärkere europäische Zusammenarbeit beim Netzausbau und fordert eben diese ganz grundsätzlich bei der Entwicklung der Windenergie auf See. „Mehr Tempo bei zu hohen nationalen Ausbauzielen in der kleinen Nordsee in schlechtem Zustand führen zur ökologischen Katastrophe. Es geht nicht allein um Schnelligkeit, sondern um eine kluge Standortwahl in einem lernenden europäischen System. Hier muss die Strategie der Kommission besser werden“, so Krüger weiter.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
Für eine naturverträgliche Energiewende hat der NABU eine umfangreiche Studie zur räumlichen Planung der Offshore-Windenenergie in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der deutschen Nord- und Ostsee veröffentlicht. Klima- und Meeresschutz müssen Hand in Hand gehen, denn nur mit einem stabilen Meeresökosystem kann nachhaltiger Klimaschutz betrieben werden.
EU-Entscheidung zu Ostsee-Fangquoten: Deutsche Umwelthilfe kritisiert Beschlüsse als unzureichend
Pressemitteilung, 24.10.2023, DUH
- Neue Fangquoten der EU-Fischereiministerinnen und -minister sind eine vertane Chance, die Ostseefischerei auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen
- DUH fordert ökosystembasiertes Fischereimanagement und ein sofortiges Verbot von Grundschleppnetzen in Meeresschutzgebieten
- Nach jahrelanger Überfischung braucht es weitreichende Maßnahmen, damit sich die zusammengebrochenen Dorsch- und Heringspopulationen erholen können
Berlin, 24.10.2023: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die neuen Fangquoten für die Ostsee als unzureichend. Mit den heutigen Beschlüssen haben es die EU-Fischereiministerinnen und -minister verpasst, der Ostseefischerei einen Weg in die Zukunft zu ebnen. Zwar ist sinnvoll, dass die direkten Fangverbote für die dezimierten Dorsch- und westlichen Heringspopulationen beibehalten wurden. Auch darf die Freizeitfischerei in der westlichen Ostsee, das heißt auch an der deutschen Ostseeküste, keinen Dorsch mehr fangen. Allerdings basieren die Entscheidungen des EU-Rats nicht konsequent auf einem ökosystembasierten Fischereimanagement. Insbesondere die Fangquote für Sprotten ist viel zu hoch und birgt die Gefahr, dass große Heringe als Beifang in den Netzen dieser Fischerei landen. Auch die Schollenquote müsste noch niedriger sein, um Beifang von Dorsch zu reduzieren.
Zudem hätte der EU-Rat die direkte Heringsfischerei im Bottnischen Meerbusen in Finnland und in der zentralen Ostsee schließen müssen. Die DUH ist entsetzt, dass die EU-Fischereiminister ihren eigenen Mehrjahresplan für die Ostseefischerei missachten und diese stark überfischten Populationen entgegen jeder Vernunft weiter befischt werden. Die DUH fordert neben ökosystembasierten Fangquoten ein sofortiges Verbot von Grundschleppnetzfischerei in Schutzgebieten, zusätzliche Schongebiete und eine Ausweitung der Schonzeiten.
Dazu DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Das bisherige Fischereimanagement der EU ist gescheitert. Die Ostsee zeigt auf besonders erschreckende Art und Weise, wohin chronische Überfischung und Missmanagement führen. Viele Fischpopulationen sind nur noch ein Bruchteil dessen, was sie einmal waren. Der Zustand von Hering und Dorsch, den einstigen „Brotfischen“ der deutschen Ostseefischerei, ist anhaltend katastrophal. Die EU hat Jahr für Jahr zu viele Fangquoten oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlungen festgesetzt, jetzt gibt es die Quittung – und ein Umdenken ist trotzdem nicht in Sicht.“
DUH-Meeresteamleiterin Katja Hockun führt weiter aus: „Es bedarf jetzt einer konsequenten Anwendung eines ökosystembasierten Fischereimanagements für die Ostsee, das auf die langfristige Erholung der Populationen abzielt, anstatt auf kurzfristige Profite. Die EU muss das Ökosystem Ostsee mit seinen Wechselwirkungen als Ganzes im Blick behalten, anstatt nur auf die einzelnen Populationen zu schauen und diese weiter zu überfischen. Denn neben dem zu hohen Fischereidruck, machen den Fischen auch die steigenden Wassertemperaturen und der Sauerstoffmangel zu schaffen. Wenn wir die Ostseefischerei wirklich erhalten wollen, brauchen wir einen besseren Schutz für unsere Ostseefische. Denn ohne Fische keine Fischerei.“
Ökosystembasiertes Fischereimanagement bedeutet, anstelle von Einzel-Arten-Management, die Wechselbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Arten im Nahrungsnetz zu berücksichtigen. Fangquoten müssen auch vorsorglich niedriger als die wissenschaftlich berechneten Höchstwerte festgelegt werden, um Unsicherheiten bezüglich der Populationsgrößen und Veränderungen im Ökosystem zu berücksichtigen.
In einem im Mai 2023 veröffentlichten Rechtsgutachten hat die DUH bereits gezeigt, dass Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten im Küstenmeer der Ostsee rechtswidrig sind und juristisch dagegen vorgegangen werden kann.
Hintergrund:
Schon letztes Jahr wurden der gezielte Fang vom Dorsch in der östlichen und westlichen Ostsee sowie vom Hering in der westlichen Ostsee nicht zugelassen. Außerdem wurde erstmals die Quote für die Schollen-Fischerei niedriger angesetzt als die wissenschaftlich berechneten Höchstwerte, da diese Fischerei mit erheblichem Dorschbeifang einhergeht. Dies wurde von der DUH als kleiner Erfolg bewertet, da erstmals Prinzipen des ökosystembasierten Fischereimanagements ansatzweise angewandt wurden. Allerdings waren die Beifangquoten für Dorsch und westlichen Hering noch immer zu hoch, und auch die Quoten für Sprotte und Hering in der zentralen Ostsee wurden deutlich höher angesetzt als die wissenschaftlichen Empfehlungen.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.
Die diesjährige Agrarministerkonferenz in Kiel zeigt erneut, dass eine Reform der Fischerei nicht ausreicht, sondern ein Neuanfang dringend notwendig ist.
Verbot von Mikroplastik: EU zu zaghaft
Pressemitteilung, 14.10.2023, BUND
BUND kritisiert die weitere Verwendung von flüssigen und halbfesten Kunststoffen.
Zum Inkrafttreten des teilweisen Verbots von Mikroplastik in der EU erklärt Luise Körner, Leiterin Chemieteam beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Das Verbot von festem Mikroplastik in Produkten wie Körperpeelings oder losem Glitzer ist ein erster Schritt zum Schutz unserer Gesundheit und Umwelt. Die weitere Verwendung von flüssigen und halbfesten Kunststoffen hingegen ist ein Risiko.
Viele Hersteller von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten haben auf Druck von Verbraucher*innen bereits jetzt ihre Inhaltsstoffe angepasst und festes Mikroplastik aus ihren Produkten verbannt. Mit der BUND ToxFox-App sehen wir jedoch, dass Unternehmen festes Mikroplastik häufig durch flüssige Kunststoffe ersetzen. Auch flüssige Kunststoffe sind synthetische Polymere, die in der Umwelt nur schwer bis überhaupt nicht abgebaut werden können. Über das Abwasser gelangen diese Stoffe in die Naturkreisläufe. Den vermehrten Einsatz von flüssigen synthetischen Polymeren kritisieren wir und fordern auch hierfür ein EU-weites Verbot.
Die von der EU eingeräumten langen Übergangzeiten für die Verwendung von Mikroplastik in Produkten sind angesichts von bereits existierenden, nachhaltigen Alternativen unverständlich. Beispiel hierfür sind zertifizierte Naturkosmetikprodukte, die ohne jegliches Mikroplastik und flüssige Kunststoffe auskommen.“
BUND-Tipp: Verbraucher*innen können selbst aktiv werden: Die BUND ToxFox-App scannt den Barcode von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten und gibt direkt Auskunft, ob darin Mikroplastik, flüssige Kunststoffe oder andere problematische Inhaltsstoffe enthalten sind.
Hintergrund
Mittlerweile finden wir Mikroplastik überall: Im Wasser, im Boden und auch in unseren Körpern. Die Langzeitfolgen der Plastifizierung unseres Planeten für uns und unsere Umwelt sind ungewiss. Allerdings deuten viele Studien darauf hin, dass Mikroplastik im Körper Entzündungen hervorrufen kann. Meerestiere wie Krebse und Muscheln verwechseln Mikroplastik mit Nahrung. Zudem wirken die kleinen Plastikteilchen wie ein Magnet für Schadstoffe.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BUND.
Obwohl das Verbot von festem Mikroplastik nicht ausreichend ist, wurde dieses Jahr ein bedeutender Fortschritt im Kampf gegen die weltweite Plastikverschmutzung erzielt. Im September hat der Bundestag Abgaben für To-Go-Becher und Zigarettenkippen aus Einwegplastik festgelegt, und die UN hat den ersten Entwurf für ein globales Plastikabkommen vorgelegt.
Windenergie-Ausbau auf See ohne Perspektive für Naturverträglichkeit
Pressemitteilung, 06.10.2023, NABU
Krüger: Die Bundesregierung muss umsteuern – Nordsee wird zum Industriegebiet
Berlin – In seiner Stellungnahme zum Vorentwurf des neuen Flächenentwicklungsplans Offshore kritisiert der NABU erneut das Festhalten am politischen Ausbauziel 70 Gigawatt und die rücksichtslose Industrialisierung der Nordsee. Während die Wissenschaft vor irreversiblen großflächigen Umweltschäden warnt, die Unvereinbarkeit der Windkraftplanung mit den europäischen Naturschutzzielen unstrittig ist, baut Deutschland weiter Umweltstandards ab, will zusätzliche Gebiete für den beschleunigten Windausbau genehmigen. Der NABU fordert ein Umsteuern der Politik und eine vorzeitige Neuordnung der marinen Raumordnung mit dem Ziel, Nord- und Ostsee zu entlasten.
„Wir brauchen die Windkraft auf See. Doch wenn Ausbauziele, zur Verfügung stehende Meeresfläche, Nutzungskonkurrenzen und Naturschutz nicht zusammenpassen, muss die Politik den Mut zur Korrektur der eigenen Ziele haben. Schon heute ist die Nordsee durch Fischerei, Schifffahrt, Rohstoffabbau, Hunderte Plattformen und Pipelines übernutzt. Alle Umweltziele wurden verfehlt. Um ehrgeizige Ziele für die Windenergie zu rechtfertigen, muss zuerst der Druck auf das Ökosystem sinken“, mahnt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Deutschland verfolgt mit seinem kleinen Flächenanteil die ehrgeizigsten Pläne aller Nordsee-Anrainerstaaten. Auf fast 20 Prozent der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone sollen sich ab dem Jahr 2045 Windräder drehen. Nach Überzeugung des NABU schafft auch der neue Flächenentwicklungsplan keine Erleichterung für die Natur. Die Naturverträglichkeit der Energiewende geht so vollständig verloren.
„Wir müssen endlich unsere Nutzung daran ausrichten, was das Ökosystem Meer verträgt. Das gilt auch für die Offshore-Windenergie. Die Bundesregierung muss das Ausbauziel reduzieren. Nur so können Klima- und Naturschutz gleichermaßen gelingen“, so Krüger weiter.
Erst kürzlich hatte der europäische Rechnungshof in einem Bericht darauf hingewiesen, dass der Offshorewind-Ausbau die aufsummierten Effekte auf das Ökosystem nicht ausreichend berücksichtigt. Dennoch hält der Vorentwurf des neuen Flächenentwicklungsplans vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 70-Gigawatt-Ziel fest. Zwar sollen vorerst keine Schutzgebiete bebaut werden, doch gehen zusätzliche, wichtige Lebensräume für Seevögel und Schweinswale verloren. Das schließt auch Flächen ein, die der NABU in seiner Studie zur Identifizierung von naturverträglichen Offshorewind-Flächen als nicht geeignet eingestuft hatte. Sinnvolle Ansätze beim Monitoring von Vogelkollisionen oder Anreize für schallarme Gründungsverfahren können nach Überzeugung des NABU in der Gesamtschau nicht die massiven ökologischen Folgeschäden auffangen. Nach einer aktuellen Studie der North Sea Energy Cooperation sind die Nordsee-Ausbauziele unvereinbar mit den Zielen europäischer Naturschutz-Richtlinien.
„Ohne konkrete Vorgaben zu temporärer Abschaltung läuft auch ein Kollisionsmonitoring ins Leere. Zudem muss ein viel stärkerer Fokus auf die Förderung schallarmer Bauverfahren gelegt werden, um auch zukünftig etablierte Schallgrenzwerte einzuhalten. Es gilt grenzübergreifend die naturverträglichsten Standorte für Windenergie zu identifizieren und die Energiewende endlich zu einem grünen europäischen Projekt zu machen. Der nationale Wettlauf um Flächen und Ausbauziele kennt nur einen Verlierer: das Meer“, so NABU-Meeresschutzexperte Dominik Auch.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung haben mehrere Umweltverbände bereits 2021 vor der Industrialisierung von Nord- und Ostsee gewarnt. Im Zuge dessen hat der NABU dieses Jahr eine Studie zur räumlichen Planung der Offshore-Windenergie in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee veröffentlicht.
Landes-Pilotprojekt zu Geisternetzen startet in Schleswig-Holstein
Pressemitteilung, 02.10.2023, WWF
WWF koordiniert Suche, Bergung und Entsorgung von Geisternetzen in der Ostsee
Im September startete in Schleswig-Holstein das bundesweit zweite Pilotprojekt zur Bergung von Geisternetzen, das mit von einem Küstenbundesland verwalteten Fischereigeldern finanziert wird. Der WWF wird die Suche, Bergung und Entsorgung von Geisternetzen in der Ostsee federführend durchführen und dabei mit der Fischerei und den Behörden eng zusammenarbeiten.
Finn Viehberg, Leiter des WWF-Büros Ostsee, lobt den Einsatz der Landesregierung. „Die Bergung von Geisternetzen ist eine staatliche Aufgabe. Schleswig-Holstein kommt nun dieser Verantwortung nach und hat dabei auch die Entwicklung einer langfristigen Lösung im Blick. Der WWF freut sich, diesen Weg gemeinsam mit dem Land zu gehen.“
Mit der vom WWF entwickelten Sonarsuche werden die Netze in Küstenfischereigebieten ausfindig gemacht, um sie anschließend zu bergen und zu entsorgen. Die Fischereibetriebe unterstützen dabei mit ihren Kuttern. „Es ist wichtig, die Fischerei einzubinden. Die Fischer kennen ihr Revier und sind eine wertvolle Unterstützung für das Projekt“, erklärt Finn Viehberg.
Die Empfehlungen aus dem Pilotprojekt sollen am Ende zu einer langfristigen Lösung für das Problem verlorener Fischernetze führen. Klare Regelungen können die Fischereibetriebe auch dazu motivieren, Netzverluste durch Unfälle auf See zu melden, damit eine zeitnahe Bergung möglich ist. Ziel des WWF ist es, dass Schleswig-Holstein und die anderen Küstenländer die Such- und Bergungseinsätze in Zusammenarbeit mit den Fischereien in Zukunft selbst durchführen.
Das Projekt „Verlorene Fischernetze Schleswig-Holstein“ läuft für zwei Jahre und wird vom Land Schleswig-Holstein mit 260.000 Euro aus Eigenmitteln und aus dem Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfond (EMFAF) gefördert. Es findet in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Fischerei des Landwirtschaftsministeriums und der Abteilung Meeresschutz des Umweltministeriums des Landes Schleswig-Holstein statt.
Seit 2013 entwickelt und erprobt der WWF verschiedene Methoden zur Suche und Bergung von Geisternetzen. Mehr als 26 Tonnen Schlepp- und Stellnetze konnte die Umweltschutzorganisation seit 2015 aus der Ostsee bergen. Dafür hat der WWF bisher über 1,5 Millionen Euro aus eigenen Mitteln in die Entwicklung und Erprobung investiert.
Hintergrund
Als Geisternetze bezeichnet man herrenlose Fischernetze, die teils jahrzehntelang im Wasser treiben können oder am Meeresboden liegen. Sie bestehen aus Kunststoff und können etwa 30 – 50 Prozent des Plastikmülls in den Meeren ausmachen. Oft werden die herrenlosen Netze zur tödlichen Falle für Seevögel, Fische oder Meeressäuger. Nur indem Geisternetze aus dem Wasser entfernt werden, lässt sich verhindern, dass sie mit der Zeit zu Mikroplastik zerfasern, und sich so Kunststoffe in der Nahrungskette anreichern.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.
Geisternetze verursachen einen großen Teil der Plastikverschmutzung im Meer. 2018 schätzte die FAO (Food and Agriculture Organization), dass jährlich etwa 640 000 Tonnen Fischereinetze weltweit in den Ozeanen landen. Das UN-Plastikabkommen, das diesen November verhandelt wird, ist auch deshalb ein besonderer Erfolg, weil es auch auf Geisternetze verweist.
Bundestag legt Abgaben für To-Go-Becher und Zigarettenkippen aus Einwegplastik fest
Pressemitteilung, 29.09.2023, BMUV
Der Bundestag hat gestern Abend die Einwegkunststofffondsverordnung beschlossen. Die Verordnung legt die Höhe der Abgabesätze und das Auszahlungssystem für den Einwegkunststofffonds fest. In den Fonds zahlen die Hersteller von bestimmten Einwegkunststoffprodukten eine Abgabe ein, um die öffentliche Hand bei der Bekämpfung der Vermüllung der Umwelt zu unterstützen. Die Verordnungsermächtigung ist in dem im Mai 2023 verabschiedeten Einwegkunststofffondsgesetz verankert. Das Gesetz schafft die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung und Verwaltung des Einwegkunststofffonds durch das Umweltbundesamt.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Zigarettenkippen, To-Go-Becher und Einmal-Essensbehälter landen viel zu oft an Straßenrändern, in unseren Parks und Wäldern und sind Ausdruck der Verschmutzungskrise. Die Kosten für Reinigung und Entsorgung des achtlos weggeworfenen Wegwerfplastiks trägt bislang die Allgemeinheit. Das wird sich ab 2024 ändern. Wer sein Geschäft darauf stützt, Wegwerfprodukte aus Plastik auf den Markt zu bringen, wird sich dann an den Sammlungs- und Reinigungskosten der Kommunen beteiligen. Mit der Verordnung schaffen wir nun auch die nötige Rechtssicherheit für alle betroffenen Akteure.“
Die in der Verordnung vorgesehenen Abgabesätze sind im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie des Umweltbundesamtes ermittelt worden. Dazu wurden unter anderem die tatsächlich anfallenden Kosten für die Reinigung von Abfällen aus Einwegkunststoffprodukten im öffentlichen Raum ermittelt. So werden für je Kilogramm in Verkehr gebrachte Produkte folgende Abgaben fällig:
- Tabakfilter: 8,972 Euro je Kilogramm
- To-Go-Getränkebecher: 1,236 Euro je Kilogramm
- To-Go-Lebensmittelbehälter: 0,177 Euro je Kilogramm
- Tüten und Folienverpackungen: 0,876 Euro je Kilogramm
- Getränkebehälter ohne Pfand: 0,181 Euro je Kilogramm
- Getränkebehälter mit Pfand: 0,001 Euro je Kilogramm
- leichte Plastiktüten: 3,801 Euro je Kilogramm
- Feuchttücher: 0,061 Euro je Kilogramm und
- Luftballons: 4,340 Euro je Kilogramm.
Auf der Basis der angegebenen Abgabesätze kann jedes Unternehmen anhand der in Verkehr gebrachten Menge nun ganz konkret berechnen, in welcher Höhe die Abgabe künftig zu leisten ist. Die Abgabe haben die Hersteller erstmals ab dem Frühjahr 2025 zu leisten und zwar auf der Basis der im Kalenderjahr 2024 in Verkehr gebrachten Produktmenge. Zur Abwicklung des Einwegkunststofffonds entwickelt das UBA derzeit die erforderlichen Datenbanken. Die Registrierung der Hersteller und Anspruchsberechtigen soll pünktlich zum 1. Januar 2024 starten.
Auch das Punktesystem für die Auszahlung der Fondsmittel an die anspruchsberechtigten Kommunen wird durch die Einwegkunststofffondsverordnung festgelegt. Es sieht für die Reinigungs-, Sammlungs-, Entsorgungs- und Sensibilisierungsleistungen im Innerorts- wie im Außerortsbereich die Vergabe von Punkten vor. Dabei wurde darauf geachtet, dass die von den Anspruchsberechtigten anzugebenden Kennzahlen so genau wie nötig, aber so unbürokratisch wie möglich festgelegt wurden. Anzugeben von den Kommunen sind zum Beispiel das Papierkorbvolumen, die gefahrenen Reinigungskilometer und die entsorgte Abfallmenge.
Die Abgabesätze und das Punktesystem werden nach den gesetzlichen Vorgaben alle drei Jahre durch die Bundesregierung überprüft. Das Umweltbundesamt (UBA) wird dazu wieder eine Studie zur Ermittlung der notwendigen Daten in Auftrag geben. Bei der Konzeptionierung dieser Studie und der anschließenden Änderung der Verordnung wird die neue Einwegkunststoffkommission beteiligt. Diese Kommission ist ebenfalls im Einwegkunststofffondsgesetz verankert, sie hat sich am 28. September 2023 erstmals konstituiert.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.
Seit Anfang September diesen Jahres liegt der erste Entwurf für ein globales Plastikabkommen vor. Das finale UN-Plastikabkommen wird Ende 2024 erwartet und soll die globale Plastikflut damit endlich wirksam bekämpfen.
Weiterer Erfolg gegen Gasbohrungen vor Borkum: Deutsche Umwelthilfe erreicht vor Gericht Aufrechterhaltung des Baustopps
Pressemitteilung, 29.09.2023, Deutsche Umwelthilfe (DUH)
- Rechtbank Den Haag stellt in achtstündiger Verhandlung klar, dass weiterhin keine Bohrplattform vor Borkum errichtet werden darf
- Auch Meeresschutz, Klimaschutz und die drohende Zerstörung von Riffen wurden ausführlich verhandelt
- Weitere Verhandlung für Januar 2024 angekündigt, bis dahin sind neue Gasbohrungen ausgeschlossen
Berlin, 29.9.2023: In ihrer Klage gegen neue Gasbohrungen in der Nordsee vor der Küste Borkums hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen weiteren Erfolg errungen. Das niederländische Gericht Rechtbank Den Haag hat gestern in der mündlichen Verhandlung des Hauptsacheverfahrens klargestellt, dass bis auf Weiteres keine Bohrplattform vom niederländischen Konzern One-Dyas errichtet werden darf. Die DUH klagt gemeinsam mit ihren Partnern von der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, der Insel Borkum und der niederländischen Umweltorganisation Mobilisation for the Environment gegen die geplanten Gasbohrungen. Das fossile Bohrprojekt direkt vor dem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer steht im gravierenden Gegensatz zu sowohl dem Klimaschutz wie auch dem Meeresschutz und darf nicht genehmigt werden.
Bereits im April 2023 konnte sich das Bündnis mit einem Eilantrag vor dem Gericht durchsetzen und ein Verbot der Errichtung einer Bohrplattform erreichen. Hintergrund für die gestrige Entscheidung zur Aufrechterhaltung des Bauverbots sind fehlende behördliche Genehmigungen für die Stickstoffemissionen aus dem Projekt auf niederländischer Seite. Verhandelt wurde aber auch über Klimaschutz, die Beeinträchtigung von Schutzgebieten und die drohende Zerstörung von Riffen am geplanten Bauplatz. Für Anfang Januar 2024 wurde eine weitere Verhandlung vom Gericht angekündigt. Bis dahin sind Gasbohrungen ausgeschlossen.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir einen weiteren Erfolg für Klima- und Meeresschutz errungen. Die Zeit für neue fossile Projekte in der Nordsee, die noch dazu Riffe und Schutzgebiete bedrohen, ist endgültig vorbei. Diese Botschaft ist nun hoffentlich beim niederländischen Konzern One-Dyas angekommen. Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, neue CO2-Quellen anzuzapfen. Schon gar nicht darf es eine weitere Industrialisierung der Nordsee geben. Wir brauchen ein radikales Umdenken, das den Meeren mehr Schutz zugesteht und eine Regeneration dieses belasteten Naturraums zulässt. Wir fordern den Konzern One-Dyas auf, die rückwärtsgewandten Pläne endgültig abzublasen.“
Die DUH und ihre Partner blicken optimistisch auf das weitere Verfahren. Nach den ausführlichen Fragen des Gerichts zu Klima- und Meeresschutz sowie zu den bedrohten Riffen sehen sich die Organisationen in ihren Argumenten gegen das Projekt nach der gestrigen mehr als achtstündigen Gerichtsverhandlung bestätigt.
Auch auf deutscher Seite gibt es noch kein grünes Licht für das Projekt: Weiterhin steht die Entscheidung des zuständigen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen aus. Auch in diesem Verfahren hatten die DUH und ihre Partner Einwendung erhoben und bereiten weitere rechtliche Schritte vor.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie des DIW Berlin im Auftrag der DUH wurde festgestellt, dass das LNG-Projekt in Mukran für die Vermeidung von Kapazitätsengpässen nach Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig ist und somit kontraproduktiv für den Klimaschutz.