Forschung

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Weniger Eis, weniger rufende Robben

Eine Robbe guckt durch ein Loch aus dem zugefrorenen Meer raus

© Alfred-Wegener-Institut / Horst Bornemann (CC-BY 4.0)

Pressemitteilung, 17.04.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

[17. April 2023] Mehrere Jahre lang hat ein Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts am Rande der Antarktis mit Unterwassermikrofonen nach Robben gelauscht. Erste, jetzt in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and the Environment veröffentlichte Ergebnisse zeigen, dass der Rückgang des Meereises offenbar starke Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere hat: Fehlt das Eis, ist es leise, wo das Meer sonst voller Rufe ist.

Wenn das Meereis verschwindet, verstummen antarktische Robben. Das ist das Ergebnis eines Fachartikels, den eine Gruppe um Dr. Ilse van Opzeeland jetzt veröffentlicht hat. Die Biologin forscht am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und am Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB). Für die Studie hat sie mit ihrem Team Tonaufnahmen aus einem Unterwassermikrofon untersucht, das automatisch die Rufe von Meeressäugern wie Robben und Walen aufzeichnet. „Das besondere an unserer Studie ist, dass wir erstmals Aufnahmen aus einem Zeitraum von acht Jahren für die vier antarktischen Robbenarten auswerten konnten“, sagt Erstautorin Dr. Irene Roca, während der Arbeiten zur Studie Biologin am HIFMB und AWI und derzeit an der Université du Québec en Outaouais (Kanada). „Dadurch wurde es möglich, das Verhalten der Robben über lange Zeit zu beobachten und für einzelne Jahre miteinander zu vergleichen.“

Aus den Daten der analysierten Jahre 2007 bis 2014 sticht der Jahreswechsel 2010/2011 hervor. Damals war das Meer in dem antarktischen Untersuchungsgebiet unweit der Neumayer-Station III des AWI fast völlig eisfrei. Weniger als zehn Prozent der üblichen Meeresfläche waren zugefroren. Wie die Aufnahmen aus den Unterwassermikrofonen zeigen, waren in diesem Zeitraum deutlich weniger Robben in den Gewässern unterwegs als in den übrigen sieben Jahren. Die antarktischen Robben benötigen Meereis, um darauf die Jungtiere zu gebären und zu säugen. Die Geburt und die Aufzucht finden im Frühling und Sommer der Südhalbkugel zwischen Oktober und Januar statt. Für gewöhnlich ist das Meer zu dieser Zeit noch zu einem großen Teil mit Eis bedeckt, sodass die Tiere ideale Bedingungen für die Geburt vorfinden. In der Saison 2010/2011 fehlte das Eis fast völlig. Da die Forschenden in dem Gebiet nur ein Unterwassermikrofon installiert hatten, lässt sich nicht genau nachvollziehen, ob oder wohin die Robben in dieser Saison abgewandert sind. „Unsere Unterwasseraufnahmen zeigen aber deutlich, dass in dem beobachteten Meeresgebiet viel weniger rufende Robben anwesend waren als üblich“, sagt Irene Roca. Das gelte für alle Robbenarten, die in der Region zu Hause sind: die Krabbenfresserrobben, die Weddellrobben, die Seeleoparden und die Rossrobben.

Das Untersuchungsgebiet der AWI-Fachleute liegt etwa 2000 Kilometer südlich von Kapstadt im sogenannten Weddellmeer. Vor allem das Küstengebiet im Osten des Weddellmeeres gilt als bedeutende Meeresregion, weil hier alle vier antarktischen Robben und auch mehrere Walarten nebeneinander vorkommen. Fachleute vermuten, dass das Gebiet so attraktiv ist, weil es viel Nahrung und für die Robben normalerweise gute Eisverhältnisse bietet. Insofern sei die Beobachtung aus der Saison 2010/2011 beunruhigend, so das AWI-Team: Sollte die Meereisbedeckung mit dem Klimawandel künftig häufiger so extrem schwanken, wäre diese Region für die Robben ein weniger zuverlässiges Fortpflanzungsgebiet. Das Meereisportal hat erst kürzlich bekanntgegeben, dass die vergangenen acht Jahre alle eine unterdurchschnittliche Meereisausdehnung in der Antarktis aufwiesen und im Februar 2023 ein Allzeit-Tief erreicht wurde.

Wie sich der Mangel an Meereis konkret auf die Robbenbestände auswirken könnte, wissen die Fachleute noch nicht, weil über die vier Robbenarten noch zu wenig bekannt ist. Besser untersucht ist die arktische Ringelrobbe. Sie benötigt für die Aufzucht ihres Nachwuchses Meereis mit einer dicken Schneeschicht, in die sie Höhlen für ihre Jungtiere gräbt. Inzwischen weiß man, dass viele Jungtiere sterben, wenn es zu wenig Meereis und Schnee gibt. „Ich vermute, dass die eisarmen Jahre auch bei den antarktischen Robben die Fortpflanzung beeinflussen – nicht nur, was das Überleben der Jungtiere angeht, sondern eventuell auch das Paarungsverhalten der Robben oder ganz andere Aspekte“, sagt Projektkoordinatorin Ilse van Opzeeland.

Die akustischen Daten aus den acht Jahren sind für sie etwas Besonderes. Robben zu erfassen, ist normalerweise extrem aufwendig. Man kann sie nur vom Schiff oder Hubschrauber aus zählen. Doch ist der Beobachtungsradius relativ gering. Zudem lassen sich mit Schiffen und Helikoptern Meeresgebiete weder flächendeckend noch durchgängig überwachen. Unterwasser-Horchanlagen hingegen können ununterbrochen größere Meeresgebiete abhören. Da Geräusche im Meer weiter wandern als in der Luft, können Meerestiere je nach Lautstärke ihrer Rufe außerdem noch aus vielen Kilometern Entfernung wahrgenommen werden. Bedauerlicherweise hat sich die sogenannte PALAOA-Horchanlage (das steht für Perennial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean) des AWI vor Kurzem zusammen mit einem abgebrochenen Gletscher von der Küste gelöst. An der Küste soll jetzt in der kommenden Antarktissaison ab Ende des Jahres ein neues Unterwassermikrofon installiert werden.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Die Originalpublikation „Sea ice anomalies affect the acoustic presence of Antarctic pinnipeds in their breeding areas“ findet ihr in Frontiers in Ecology and the Environment.

Auf dem Bild seht ihr eine Weddellrobbe, die mit einem Tauchrekorder ausgestattet ist, der an einen CTD-Satelliten gekoppelt ist, und den Wissenschaftler:innen des AWI wichtige Umweltdaten liefert. CTD steht für Conductivity = Leitfähigkeit, Temperature = Temperatur und Depth = Tiefe.

Die Ausweisung eines riesigen Meeresschutzgebietes im Weddellmeer ist Ende 2022 erneut am Widerstand von China und Russland gescheitert.

Neue AWI-Studie zu industriellen Altlasten im arktischen Permafrost

Ein mit Gras bewachsener arktischer Permafrostboden

© Alfred-Wegener-Institut / Thomas Opel (CC-BY 4.0)

Wenn die Dauerfrost-Böden auftauen, droht der Arktis eine massive Belastung mit Industrie-Altlasten und Schadstoffen

[04. April 2023] In den gefrorenen Böden der Arktis lauert eine bisher unterschätzte Gefahr. Wenn der Untergrund durch den Klimawandel auftaut und instabil wird, kann das zum Zusammenbruch von Industrie-Anlagen und damit zu einer verstärkten Freisetzung von Schadstoffen führen. Zudem können sich dann auch bestehende Kontaminationen leichter in den Ökosystemen ausbreiten. Wie groß dieses Problem werden könnte, hat ein Team um Moritz Langer und Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Potsdam untersucht. Demnach gibt es in der Arktis mindestens 13.000 bis 20.000 belastete Flächen, von denen künftig ein größeres Risiko ausgehen könnte. Man brauche dringend langfristige Strategien für den Umgang mit diesem heiklen Erbe, erklären die Forschenden im Fachjournal Nature Communications.

Die Arktis stellen sich viele Menschen als weitgehend unberührte Wildnis vor. Doch dieses Bild stimmt längst nicht überall. Seit langem gibt es dort auch Ölfelder und Pipelines, Bergwerke und verschiedene andere industrielle Aktivitäten. Die dafür nötigen Anlagen stehen auf einem Fundament, das früher als äußerst stabil und zuverlässig galt: dem sogenannten Permafrost. Dieser spezielle Boden, der riesige Gebiete der Nordhalbkugel bedeckt, taut im Sommer nur an der Oberfläche auf. Der Rest bleibt bis in mehrere hundert Meter Tiefe das ganze Jahr hindurch gefroren.

Damit galt der Permafrost nicht nur als solide Plattform für Gebäude und Infrastruktur. „Traditionell hat man ihn auch für eine natürliche Barriere gehalten, die eine Ausbreitung von Schadstoffen verhindert“, erklärt Moritz Langer vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Industrieabfälle aus stillgelegten oder noch arbeitenden Anlagen hat man daher in der Regel einfach vor Ort gelassen, statt sie mit viel Aufwand und entsprechenden Kosten zu beseitigen.“ So entstanden in der Arktis infolge der industriellen Expansion während des Kalten Krieges über Jahrzehnte Kleinstdeponien voller giftiger Schlämme aus der Öl- und Gasförderung, Halden aus Bergbau-Schutt, Überreste militärischer Installationen und Seen, in denen gezielt Schadstoffe verklappt wurden. „Häufig hatte man dabei die Vorstellung, der Permafrost umschließe die giftigen Substanzen dicht und für immer, so dass keine aufwändige Entsorgung nötig sein würde“, sagt Guido Grosse, der am AWI die Sektion Permafrostforschung leitet. „Dieses industrielle Erbe liegt bis heute im Permafrost vergraben oder an dessen Oberfläche. Die Palette der Substanzen reicht dabei von giftigem Dieselkraftstoff über Schwermetalle bis hin zu radioaktiven Abfällen.“

Im Zuge des Klimawandels aber droht diese lange schlummernde Bedrohung nun akut zu werden. Denn da sich die Permafrost-Regionen zwei- bis viermal so schnell erwärmen wie der Rest der Welt, taut der gefrorene Untergrund zunehmend auf. Dadurch aber verändert sich die Hydrologie der betroffenen Gebiete und der Permafrost als Barriere wirkt nicht mehr. Die über Jahrzehnte in der Arktis angereicherten Schadstoffe können in Bewegung geraten und sich über größere Regionen verteilen.

Dazu kommt, dass der tauende Permafrost immer instabiler wird, was zu weiteren Belastungen führen kann. Denn wo der Boden wegsackt, drohen Schäden an Pipelines, Chemikalien-Lagern und Deponien. Wie groß diese Risiken heute schon sind, zeigte im Mai 2020 ein großer Unfall in der Nähe der Industrie-Stadt Norilsk im Norden Sibiriens. Aus einer destabilisierten Tankanlage liefen damals 17.000 Tonnen Diesel aus, die Flüsse, Seen und Tundra verschmutzten. „So etwas könnte künftig durchaus häufiger passieren“, befürchtet Moritz Langer.

Um solche Gefahren besser einschätzen zu können, hat er zusammen mit einem internationalen Team aus Deutschland, den Niederlanden und Norwegen die industriellen Aktivitäten im hohen Norden genauer unter die Lupe genommen. Dazu haben die Forschenden zunächst frei verfügbare Daten aus dem Portal OpenStreetMap und aus dem „Atlas of Population, Society and Economy in the Arctic“ ausgewertet. Demnach gibt es in den Permafrost-Regionen der Arktis rund 4.500 Industriestandorte, in denen potentiell gefährliche Substanzen lagern oder zum Einsatz kommen.

„Damit wussten wir allerdings noch nicht, was das genau für Anlagen sind und wie stark sie die Umwelt mit welchen Substanzen belasten können“, sagt Moritz Langer. Detailliertere Informationen dazu gibt es bisher nur für Nordamerika, wo rund 40 Prozent der weltweiten Permafrostböden liegen. Die verfügbaren Daten aus Kanada und Alaska zeigen, dass man anhand der Lage und Art von Industrieanlagen sehr gut abschätzen kann, wo mit gefährlichen Substanzen zu rechnen ist.

Für Alaska liefert das „Contaminated Sites Program“ auch Hinweise auf die Art dieser Belastungen. So geht etwa die Hälfte der dort erfassten Kontaminationen auf das Konto von Treibstoffen wie Diesel, Kerosin und Benzin. Auch Quecksilber, Blei und Arsen stehen unter den Top 20 der dokumentierten Umweltschadstoffe. Und dabei handelt es sich nicht nur um das Erbe vergangener Zeiten. Zwar ist die Zahl der neu registrierten Belastungsgebiete im nördlichsten Bundesstaat der USA von rund 90 im Jahr 1992 auf 38 im Jahr 2019 zurückgegangen. Doch die Zahl der betroffenen Flächen nimmt auch heute noch zu.

Für die großen Permafrost-Regionen Sibiriens gibt es bisher keine vergleichbaren Datenbanken. „Wir konnten dort also nur Berichte über Umweltprobleme auswerten, die zwischen 2000 und 2020 in russischen Medien oder anderen frei zugänglichen Quellen veröffentlicht wurden“, sagt Moritz Langer. „Aus diesen eher spärlichen Informationen aber kann man schließen, dass es auch in Russlands Permafrost-Regionen einen engen Zusammenhang zwischen Industrieanlagen und belasteten Flächen gibt.“

Mit Computermodellen hat das Team daher das Schadstoff-Risiko für die gesamte Arktis hochgerechnet. Insgesamt dürften die 4.500 Industrieanlagen in den Permafrost-Gebieten demnach zwischen 13.000 und 20.000 belastete Flächen hinterlassen haben. 3.500 bis 5.200 davon liegen in Regionen, in denen der Permafrost heute noch stabil ist, aber schon vor dem Ende des Jahrhunderts zu tauen beginnen wird. „Mangels Daten sind diese Ergebnisse allerdings noch mit Vorsicht zu genießen“, betont Moritz Langer. „Das tatsächliche Problem könnte sogar noch größer sein.“

Noch kritischer wird die Lage durch das wachsende Interesse an wirtschaftlichen Aktivitäten in der Arktis. Denn dadurch entstehen immer mehr Industrieanlagen, aus denen toxische Substanzen in die Ökosysteme gelangen können. Und das in Zeiten, in denen die Beseitigung solcher Umweltschäden immer schwieriger wird. Schließlich braucht man dazu oft Fahrzeuge und schweres Gerät, die auf tauendem Untergrund kaum noch einsetzbar sind

„Insgesamt haben wir es hier also mit einem ernstzunehmenden Umweltproblem zu tun, das sich weiter verschärfen wird“, resümiert Guido Grosse. Man brauche dringend mehr Daten und ein Monitoring von gefährlichen Substanzen, die mit industriellen Aktivitäten in der Arktis verbunden sind. „Denn diese Schadstoffe könnten über Flüsse und das Meer letztendlich auch wieder bei den Menschen in der Arktis und auch bei uns auf dem Tisch landen.“ Wichtig seien außerdem verstärkte Bemühungen, die Freisetzung von Schadstoffen zu verhindern und die Schäden auf schon belasteten Flächen zu beseitigen. Und schließlich halten es die Fachleute auch nicht mehr für zeitgemäß, Industrieabfälle ohne abgesicherte Deponie-Möglichkeiten in der Arktis zurückzulassen. Denn gegen die damit verbundenen Risiken ist der Permafrost kein zuverlässiger Verbündeter mehr.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Die Originalpublikation „Thawing permafrost poses environmental threat to thousands of sites with legacy industrial contamination“ findet ihr bei Nature Communications.

Permafrostböden gehören wie das Schmelzen der Eisschilde zu ökologischen Kipppunkten, doch auch sogenannte soziale Kipppunkte sind von großer Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise.

Klimawandel: Folgen für Koralle, Mensch & Co

Korallenriffe unter Wasser

© Jerry Reid / Wikimedia Commons (PD)

Pressemitteilung, 31.03.2023, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Modellierungen zeigen Auswirkungen der zukünftigen globalen Erwärmung auf das Ökosystem Korallenriff

Ein Forschungsteam – unter ihnen Senckenberg-Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Angelika Brandt, Dr. Marianna Simões und Dr. Hanieh Saeedi – hat die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das Ökosystem Korallenriff untersucht. In ihrer im Fachjournal „Progress in Oceanography“ erschienenen Studie zeigen sie unter anderem, dass 90 Prozent der untersuchten Warmwasserarten in ihren aktuellen Verbreitungsgebieten als Folge des Klimawandels nicht überlebensfähig sind. Global wird es laut den Forschenden und unter Annahme verschiedener Klimaszenarien zu einer geographischen Verlagerung zahlreicher Arten sowie zu Massenaussterbeereignissen in den Meeren kommen.

Der geschätzte Vermögenswert für Korallenriffe beläuft sich auf eine Billion US-Dollar. Die marinen Ökosysteme bieten eine direkte Lebensgrundlage für etwa 500 Millionen Menschen, allein in Asien versorgen sie eine Milliarde Menschen mit Nahrungsmitteln. Mehr als 150.000 Kilometer Küstenlinie werden von Riffen geschützt. „Angesichts der Bedeutung von Korallenriffen auch für unser eigenes Wohlergehen ist es enorm wichtig, diese Ökosysteme gesund zu erhalten“, erläutert Prof. Dr. Angelika Brandt vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Schon heute hat sich die globale Temperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um ein Grad Celsius erhöht, sie steigt aktuell um weitere 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt – mit massiven Auswirkungen auch auf das Ökosystem Korallenriff. 29 Korallenriffe mit Welterbestatus sind jetzt schon durch die Erderwärmung akut bedroht.“

Meeresforscherin Brandt, Erstautorin der Studie Dr. Chhaya Chaudhary vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und weitere Forschende von Senckenberg und der kanadischen Victoria-Universität haben in ihrer aktuellen Studie die Auswirkungen der zukünftigen globalen Erwärmung auf Korallenriffe und die darin lebenden Arten untersucht. Dabei legten sie zwei Klimaszenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu Grunde, anhand derer sie die Auswirkungen für 57 Organismengruppen aus Korallen, Mollusken, Fischen, Krebstieren und Polychaeten in warmen, kalten, flachen und tiefen Gewässern für die Gegenwart und die Jahre 2050 und 2100 modellierten.

„Laut unseren Ergebnissen werden wir im Zuge der globalen Erwärmung 90 Prozent der 30 untersuchten Warmwasserarten im Südchinesischen Meer, dem Indo-West Pazifik, dem Karibischen Meer, dem Golf von Mexiko oder vor der Nordküste Australiens, verlieren. Die Verbreitungsgebiete werden sich unter den angenommenen zukünftigen Klimabedingungen deutlich nach Süden verlagern“, erklärt Chaudhary, die während des Forschungsprojekts als Postdoktorandin bei Senckenberg beschäftigt war.

Die 27 untersuchten Kaltwasserarten reagierten unterschiedlich auf die modellierten Temperaturerhöhungen: Die meisten Arten der nördlichen gemäßigten Breiten konnten sich unter den neuen Bedingungen ausbreiten, während die arktischen Arten allesamt zurückgingen.  „Unabhängig von ihrer taxonomischen Gruppe gelingt es Arten mit größeren Verbreitungsgebieten sich besser an den Klimawandel anzupassen – eine Zunahme von Generalisten und eine Abnahme von spezialisierten, endemischen Arten könnte die Folge sein“, ergänzt Dr. Hanieh Saeedi vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

Neben der geographischen Verschiebung der Korallenriff-Verbreitungsgebiete warnen die Wissenschaftler*innen auch vor einem Artensterben in den Meeren der Tropen, Teilen der nördlichen gemäßigten Regionen und der gesamten Arktis als Folge des Klimawandels. „Vor etwa 125.000 Jahren gab es schon einmal solch ein Aussterbeevent bei tropischen Korallen, das auf veränderte Klimabedingungen zurückzuführen ist. Solche Ereignisse können unter anderem zu einer Destabilisierung der Räuber-Beute-Dynamik in den Korallenriffen und der damit verbundenen Nahrungskette führen – mit negativen Auswirkungen für den menschlichen Lebensunterhalt, die Fischerei, den Tourismus und den Küstenschutz“, so Chaudhary.

Brandt resümiert: „Unsere globalen Projektionen zeigen die Regionen, in denen es durch den Klimawandel zu einem potenziellen Verlust oder Gewinn von Arten kommen kann. Jedes Ungleichgewicht in den Populationen der Korallenriffe wirken sich auch auf die Produktivität dieser Ökosysteme aus. Entscheider*innen sollten unsere Ergebnisse nutzen, um die biologische Vielfalt zu schützen und das menschliche Wohlergehen in den betroffenen Ländern und Regionen zu erhalten!“

Diese Pressemittelung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Forscher:innen haben Genabschnitte von Korallen untersucht, die mit einer natürlichen Hitzetoleranz in Verbindung stehen könnten. Hier findet ihr weitere Infos und die dazugehörige Podcastfolge vom Deutschlandfunk.

Weniger Meereis, mehr Hering

Das einzigartige Ökosystem Arktis

© Alfred-Wegener-Institut / Stefan Hendricks (CC-BY 4.0)

Pressemitteilung, 27.03.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Alte DNA aus dem Meeresgrund verrät, wie tiefgreifend der Klimawandel die marinen Ökosysteme der Arktis verändern könnte

[27. März 2023] Noch überziehen sich die Meere der Polargebiete jedes Jahr für Wochen oder Monate mit einem gefrorenen Panzer. Doch der Klimawandel lässt dieses Meereis zunehmend schwinden. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt nun, welche drastischen Folgen das für die dortigen Ökosysteme haben kann: Beim Übergang von saisonal vereisten zu eisfreien Bedingungen kann sich demnach die komplette Lebensgemeinschaft verändern. Das schließt ein Team vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam aus der Analyse von alter DNA aus dem Meeresgrund. Solche Umbrüche können auch Konsequenzen für die Fischerei und das globale Klima haben, warnen die Fachleute im Wissenschaftsjournal Nature Communications.

Der Eisschwund in den Polarmeeren könnte der Beginn tiefgreifender Veränderungen im Ökosystem sein. „Welche langfristigen Folgen die geringe sommerliche Meereisbedeckung für die Meeresbewohner hat, ließ sich bisher nur schwer einschätzen, weil entsprechende Langzeituntersuchungen fehlten“, erklärt Prof. Dr. Ulrike Herzschuh, Leiterin der Forschungsgruppe Polare Terrestrische Umweltsysteme am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Potsdam. Im Team mit ihren AWI-Kolleginnen Heike Zimmermann und Kathleen Stoof-Leichsenring sowie Forschenden der Jacobs University Bremen und dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat sie jetzt einen Blick rund 20.000 Jahre zurück bis in die letzte Eiszeit geworfen.

Informationen über die jeweiligen Umweltverhältnisse lassen sich aus den Ablagerungen herauslesen, die sich im Laufe der Jahrtausende am Grund des Meeres angesammelt haben. „Diese Sedimente sind ein natürliches Archiv der Klimageschichte“, sagt Ulrike Herzschuh. Wer das Material mit einem Bohrer an die Oberfläche holt, kann in den unterschiedlich alten Schichten die Spuren längst verstorbener Meeresbewohner finden. Mithilfe der sogenannten Shotgun-Sequenzierung hat das Team DNA von Vertretern aus 167 Familien von Meeresbewohnern gefunden, deren Lebensraum das Eis oder das freie Wasser ist. „Wir waren selbst überrascht, dass in diesen alten Sedimenten Informationen über das komplette Ökosystem stecken“, sagt Ulrike Herzschuh.

Typisch für die kälteren Phasen der letzten Eiszeit waren demnach Diatomeen und andere Algen, die in oder unter dem Meereis leben. Diese winzigen Sauerstoffproduzenten waren eine beliebte Nahrungsquelle für Ruderfußkrebse, die ihrerseits von Fischen aus der Familie der Dorsche wie dem Pazifischen Kabeljau, dem Alaska-Seelachs und dem Polardorsch gefressen wurden. In den wärmeren Epochen ohne Eis gab es dagegen deutlich weniger Diatomeen und Ruderfußkrebse, dafür aber umso mehr Cyanobakterien. Am Meeresgrund breiteten sich in geschützten Buchten Seegraswiesen aus und statt der Dorsche schwammen in der Beringsee mehr Lachse und Pazifische Heringe.

„Wir können damit nun zum ersten Mal zeigen, wie sich mit dem Rückgang des Meereises das komplette Ökosystem umbaut“, resümiert Ulrike Herzschuh. „Das fängt bei den Algen an und geht bis zu den Fischen und Walen.“ Ähnlich tiefgreifende Veränderungen erwartet das Team auch für eine wärmere und weitgehend eisfreie Zukunft. Das aber könnte massive ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen haben. So wird sich der Fang einiger beliebter Speisefische wie Seelachs und Kabeljau in der Beringsee womöglich nicht mehr lohnen. Dafür könnten der Buckellachs und der Pazifische Hering weiter nach Norden vordringen.

Dazu kommt, dass die Planktongesellschaften unter eisfreien Bedingungen wohl auch weniger Kohlenstoff in die Tiefe transportieren und in den Sedimenten deponieren. Möglicherweise können die Meere dann nicht mehr so viel Kohlendioxid speichern, was den Klimawandel weiter anheizen würde. Das Verschwinden des Meereises könnte also auch dazu führen, dass diese Ökosysteme wichtige Dienstleistungen nicht mehr in gewohntem Umfang bereitstellen können.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Die Originalpublikation „Marine ecosystem shifts with deglacial sea-ice loss inferred from ancient DNA shotgun sequencing“ findet ihr bei Nature Communications.

Diese neuen Forschungserkenntnisse bestätigen wieder einmal, dass Klimaschutz mit Meeresschutz einhergeht – und umgekehrt.

Wettbewerb „Internationales Weichtier des Jahres“ 2023

das Weichtier Hermissenda crassicornis

© Matt Knoth / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Bis zum 19. März könnt ihr bei dem Wettbewerb „Internationales Weichtier des Jahres“ 2023 für euer Lieblingsweichtier abstimmen. Zur Auswahl stehen die dickhörnige Nacktschnecke (auf dem Bild zu sehen), die Riesentiefseeauster, die Gepunktete Papierblasenschnecke, der Tigerschnegel, sowie die chilenische Stachelschnecke.

Hier könnt ihr eure Stimme abgeben und erfahrt außerdem, wo diese Weichtiere leben und was sie so besonders macht.

PS: DEEPWAVE stimmt natürlich für die Riesentiefseeauster – eine der größten Tiefseemuscheln, die über 500 Jahre alt werden können.

Le­ben im Rauch der Unterwasservulkane

In der Umgebung von Hydrothermalquellen leben viele Bakterien

© NOAA Okeanos Explorer Program, Galapagos Rift Expedition 2011 / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Pressemitteilung, 09.03.2023, MARUM

Die ark­ti­sche Tief­see liegt fern­ab der le­bens­spen­den­den En­er­gie der Son­ne, und nur win­zi­ge Men­gen an or­ga­ni­schem Ma­te­ri­al, wel­ches Le­ben speist, kom­men dort an. Ei­ni­ge Bak­te­ri­en nut­zen statt­des­sen die En­er­gie, die von un­ter­see­ischen Vul­ka­nen frei­ge­setzt wird. Auf Ex­pe­di­tio­nen mit dem For­schungs­schiff Po­lar­stern ha­ben For­schen­de aus Deutsch­land nun Bakterien ent­deckt, die auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se an die­se Geo­en­er­gie an­ge­passt sind. Sie be­schrei­ben die Rol­le die­ser Bak­te­ri­en für die bio­geo­che­mi­schen Kreis­läu­fe im Meer.

Tief im Oze­an, an den Gren­zen tek­to­ni­scher Plat­ten, bil­den Un­ter­was­ser­vul­ka­ne so­ge­nann­te hydro­ther­ma­le Quel­len. An die­sen Quel­len tritt hei­ße, sau­er­stoff­freie Flüs­sig­keit aus, die gro­ße Men­gen an Me­tal­len wie Ei­sen, Man­gan oder Kup­fer ent­hält. Wenn sich das hei­ße Was­ser mit dem um­ge­ben­den kal­ten und sau­er­stoff­hal­ti­gen See­was­ser mischt, ent­ste­hen hydro­ther­ma­le Schwa­den mit rauch­ähn­li­chen Par­ti­keln aus Me­tall­sul­fid. Die­se Schwa­den stei­gen Hun­der­te von Me­tern über dem Mee­res­bo­den auf und ver­tei­len sich Tau­sen­de von Ki­lo­me­tern. Hydro­ther­ma­le Schwa­den schei­nen ein ris­kan­ter Ort zu sein, um dort hei­misch zu wer­den. Das hin­dert be­stimm­te Bakterien aber nicht dar­an, ge­nau dort zu wach­sen und zu ge­dei­hen, wie eine jetzt in Nature Microbiology ver­öf­fent­lich­te Stu­die zeigt.

Mehr als nur vorübergehende Besucher?

„Wir ha­ben die Bakterien der Gat­tung Sulfurimonas ge­nau un­ter die Lupe ge­nom­men,” sagt Er­st­au­tor Mas­si­mi­lia­no Mo­la­ri vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men. Von die­sen Bakterien war bis­her nur be­kannt, dass sie in sau­er­stoff­ar­men Le­bens­räu­men wach­sen. Gen­se­quen­zen von ih­nen wur­den ver­ein­zelt aber auch in hydro­ther­ma­len Schwa­den nach­ge­wie­sen. „Man ging da­von aus, dass sie aus den Le­bens­räu­men rund um die hei­ßen Quel­len am Mee­res­bo­den dort­hin ge­spült wur­den. Wir frag­ten uns aber, ob nicht die Schwa­den selbst ein ge­eig­ne­ter Wohn­ort für man­che Mit­glie­der der Sulfurimonas-Grup­pe sein könn­ten.“

Harte Bedingungen für die Probenahme

Ge­mein­sam mit Kol­le­gen des Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tuts, Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung (AWI) in Bre­mer­ha­ven und des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men mach­te sich Mo­la­ri da­her auf eine schwie­ri­ge For­schungs­rei­se zu hydro­ther­ma­len Quel­len in der zen­tra­len Ark­tis und im Süd­at­lan­tik, um ihre Hy­po­the­se zu über­prü­fen. „Wir sam­mel­ten un­se­re Pro­ben in ex­trem ab­ge­le­ge­nen Re­gio­nen von be­son­ders lang­sa­men Sprei­zungs­rü­cken, die noch nie un­ter­sucht wor­den wa­ren. Es ist sehr kom­pli­ziert, Pro­ben aus hydro­ther­ma­len Ab­la­ge­run­gen zu ge­win­nen, da sie schwer zu lo­ka­li­sie­ren sind. Noch schwie­ri­ger wird es, wenn sich die Schwa­den in Tie­fen von mehr als 2500 Me­tern und un­ter dem ark­ti­schen Meer­eis oder in den stür­mi­schen Zo­nen des Süd­po­lar­mee­res be­fin­den,“ er­klärt Ant­je Boe­ti­us, Grup­pen­lei­te­rin am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie und Di­rek­to­rin des AWI, die die Ark­tis-Mis­sio­nen lei­te­te. An Bord des For­schungs­schiffs Po­lar­stern ge­lang es den For­schen­den den­noch, Pro­ben zu sam­meln und an­hand die­ser die Zu­sam­men­set­zung und den Stoff­wech­sel der Bakterien zu un­ter­su­chen.

Gut ausgerüstet und weit verbreitet

Mo­la­ri and sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen iden­ti­fi­zier­ten eine neue Sulfurimonas-Art na­mens USulfurimonas pluma (das hoch­ge­stell­te „U“ steht für un­kul­ti­viert, also nicht im La­bor kul­ti­viert), die in den kal­ten, sau­er­stoff­ge­sät­tig­ten Hydro­ther­mal­fah­nen lebt. Die­ses Bak­te­ri­um nutzt Was­ser­stoff aus der Schwa­de als En­er­gie­quel­le. Die For­schen­den un­ter­such­ten auch das Ge­nom der Mi­kro­or­ga­nis­men und stell­ten fest, dass es stark re­du­ziert ist. Es feh­len Gene, die für an­de­re Ar­ten ty­pisch sind. Mit an­de­ren Ge­nen sind sie aber gut aus­ge­stat­tet, um in die­ser dy­na­mi­schen Um­ge­bung wach­sen zu kön­nen.

„Wir ver­mu­ten, dass die Hydro­ther­mal­schwa­de nicht nur Mi­kro­or­ga­nis­men aus hydro­ther­ma­len Schlo­ten ver­brei­tet, son­dern auch eine öko­lo­gi­sche Ver­bin­dung zwi­schen dem of­fe­nen Oze­an und den Le­bens­räu­men auf dem Mee­res­bo­den her­stel­len kann. Un­se­re phy­lo­ge­ne­ti­sche Ana­ly­se deu­tet dar­auf hin, dass USulfurimonas pluma von ei­nem Vor­fah­ren ab­stam­men könn­te, der mit hydro­ther­ma­len Schlo­ten as­so­zi­iert war, aber eine hö­he­re Sau­er­stoff­to­le­ranz ent­wi­ckel­te und sich dann über die Ozea­ne ver­brei­te­te. Dies muss je­doch noch wei­ter un­ter­sucht wer­den,“ so Mo­la­ri.

Ein Blick auf die Ge­nom­da­ten aus an­de­ren Schwa­den zeig­te, dass USulfurimonas pluma in sol­chen Le­bens­räu­men über­all auf der Welt wächst. „Of­fen­sicht­lich ha­ben sie eine öko­lo­gi­sche Ni­sche in kal­ten, sau­er­stoff­ge­sät­tig­ten und was­ser­stoff­rei­chen Hydro­ther­mal­schwa­den ge­fun­den“, sagt Mo­la­ri. „Wir müs­sen wohl un­se­re Vor­stel­lun­gen über die öko­lo­gi­sche Rol­le von Sulfurimonas in der Tief­see über­den­ken. Sie könn­te viel wich­ti­ger sein, als wir bis­her dach­ten.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Die Originalpublikation „A hy­dro­ge­notro­phic Sulfurimonas is glo­bal­ly ab­un­dant in deep-sea oxy­gen-sa­tu­ra­ted hydro­ther­mal plu­mes“ findet ihr bei Nature Microbiology.

Bei einer Expedition im Jahr 2022 zwischen Grönland und Spitzbergen wurde in 3.000 Meter Wassertiefe ein neues Hydrothermalfeld entdeckt.

Abkühlung von Teilen der Arktis kehrt sich offenbar um

Ein großer Teil des Bodens in der Arktis ist eisfrei

© Matti&Keti / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Bereits im Jahr 2010 wurde festgestellt, dass in der Arktis seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend zu beobachten ist: 

Pressemitteilung, 29.07.2010, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung

– neue Daten deuten auf rapiden Temperaturanstieg in kältester Region
des europäischen Festlands hin

Moskau/ Stuttgart/ Halle(Saale). Teile der Arktis haben sich im letzten Jahrhundert deutlich abgekühlt. Seit 1990 steigen die Temperaturen jedoch auch dort stark an. Das geht aus einer Rekonstruktion der Sommertemperaturen der letzten 400 Jahre mit Hilfe von Baumringen aus Regionen nördlich des Polarkreises hervor. Dazu analysierten deutsche und russische Forscher das Baumwachstum mit Hilfe von Jahresringen von der russischen Kola-Halbinsel und verglichen es mit drei ähnlichen Untersuchungen von anderen Orten in der Arktis. Seit dem Jahre 1600 hat die rekonstruierte Sommertemperatur auf Kola in den Monaten Juli und August zwischen 10,4°C (1709) und 14,7 °C (1957) gelegen – bei einem Mittelwert von 12,2 °C über die letzten 400 Jahre. Nach einer Phase der Abkühlung ist seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend beobachtbar. „Die Daten deuten auf einen starken Einfluss der Sonnenaktivität auf die Sommertemperaturentwicklung hin, der allerdings seit 1990 von anderen Faktoren überlagert wird“, schreiben Wissenschaftler der Moskauer Instituts für Geographie, der Universität Hohenheim und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Fachblatt Arctic, Antarctic and Alpine Research.

Für die Untersuchungen verwendeten die Forscher Holzproben von insgesamt 69 Waldkiefern (Pinus sylvestris) aus dem Khibiny-Gebirge auf der Kola-Halbinsel unweit der Grenze zu Finnland zwischen dem Polarkreis und dem Nordmeerhafen Murmansk. Die Untersuchungsregion befindet sich in der Übergangszone zwischen dem von Golf- bzw. Nordatlanikstrom geprägten Skandinavien und den kontinentalen Gebieten Eurasien. Diese Grenzlage macht diese Region besonders interessant für klimatologische Studien.

Auf Kola herrscht ein kalt-gemäßigtes Klima mit langen, mittelkalten Wintern und kalten feuchten Sommern. Die Temperatur schwankt in diesem Teil der Arktis im Mittel zwischen -12°C im Januar und +13°C im Juli, bei einer Wachstumsphase für die Bäume von nur 60 bis 80 Tagen. Die Vegetation an den nördlichen Ausläufern der Taiga wird von Fichten, Kiefern und Birken geprägt. Die Proben stammten von drei Standorten in Khibiny Gebirge in der Nähe der heutigen Höhenbaumgrenze zwischen 250 und 450m über dem Meeresspiegel. Die geografische (nördliche) Baumgrenze verläuft etwa 100 Kilometer weiter nördlich. In früheren Studien konnten die Forscher um Tatjana Böttger vom UFZ zeigen, dass die Kiefernwälder auf der Kola-Halbinsel vor 7000 bis 3500 Jahren bereits ca. 50 Kilometer weiter im Vergleich zu Ihrer heutigen nördlichen Position nach Norden reichten. Für diese Studie haben die Forscher jedoch Bäume von der Höhen-Baumgrenze verwendet, da diese sehr sensibel auf Temperaturschwankungen reagieren und besonders aussagekräftig sind wie auch US-Amerikanische Forscher im November 2009 im Fachblatt PNAS demonstrierten als sie mit Hilfe einer langlebigen Kiefernart in Kalifornien und Nevada nachwiesen, dass diese Bäume in den letzten 50 der vergangenen 3500 Jahre aufgrund von gestiegenen Temperaturen besonders stark gewachsen waren.

Im Institut für Botanik der Universität Hohenheim in Stuttgart maßen die deutschen Forscher die Breite der einzelnen Jahresringe. Die Kalibrierung der Jahresringchronologien mit Hilfe der meteorologischen Wetteraufzeichnungen der letzten 127 Jahre und die Auswertung der Ergebnisse erfolgte zusammen mit dem Institut für Geographie der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW) in Moskau und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. „Neben Temperatur, hängt das Wachstum stark auch von nichtklimatischen Faktoren wie Licht, Nährstoffen, Wasserversorgung und Konkurrenz zu anderen Bäumen ab. Es ist daher entscheidend, diese Trends zu isolieren, um das möglichst reine Klimasignal zu erhalten“, erklärt Yury M. Kononov von der RAW in Moskau.

Nach der Rekonstruktion der Sommertemperaturen auf der Kola-Halbinsel verglichen die Forscher ihre Ergebnisse mit ähnlichen Untersuchungen an Baumringen aus dem schwedischen Lappland sowie von der Yamal- und Taimyr-Halbinsel im sibirischen Teil Russlands, die bereits 2002 im Fachblatt Holocene veröffentlicht worden waren. Die rekonstruierten Sommertemperaturen der letzten vier Jahrhunderte ähneln sich zwischen Lappland, der Kola- und Taimyr-Halbinsel insofern, dass alle drei Datenreihen ein Temperaturmaximum in der Mitte des 20. Jahrhunderts zeigen, auf das eine Abkühlung um ein bis zwei Grad folgte. Lediglich die Datenreihe der Yamal-Halbinsel erreichte ihr Maximum erst um etwa 1990. Auffällig an den Daten der Kola-Halbinsel ist, dass die höchsten Werte im Zeitraum um die Jahre 1935 und 1955 ermittelt wurden und die Kurve bis 1990 auf das Niveau von 1870 sank, was dem Beginn des industriellen Zeitalters entspricht. Seit 1990 erhöhten sich die Temperaturen dagegen wieder deutlich. Auffällig an den neuen Daten ist, dass die rekonstruierten Temperaturminima gerade mit Zeiten niedriger Sonnenaktivität zusammenfallen. Daher vermuten die Forscher, dass in der Vergangenheit die Sonnenaktivität einen wesentlichen Beitrag zu den Schwankungen der Sommertemperaturen der Arktis beigetragen hat. Allerdings ist dieser Zusammenhang nur bis 1970 deutlich, dann gewinnen andere, möglicherweise regionale Besonderheiten, die Oberhand. „Sicher ist nur: Dieser Teil der Arktis hat sich nach der Ende der Kleinen Eiszeit vor ca. 250 Jahren erwärmt, ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts abgekühlt und erwärmt sich seit 1990 wieder“ so die Paleoklimatologin Dr. Tatjana Böttger vom UFZ.

Im September 2009 hatte eine internationale Forschergruppe Modellrechnungen präsentiert, wonach sich die Arktis in den letzten zwei Jahrtausenden bis zum Beginn des Industriezeitalters um etwa 0,2 °C pro Tausend Jahre langsam abgekühlt hat und dafür ein langsames Nachlassen der Sonneneinstrahlung im Sommer verantwortlich gemacht. Allerdings sei das letzte Jahrzehnt das wärmste seit Beginn der Zeitrechnung gewesen und habe 1,4°C über der Prognose gelegen, so Darrell S. Kaufman und Kollegen im Fachblatt Science. Die neuen Daten von Kononov, Friedrich und Böttger stützen diese These, wonach die Sonnenaktivität in der Vergangenheit einen wesentlichen Einfluss auf die Sommertemperaturen in der Arktis hatte, dieser aber in den letzten Jahrzehnten stark abgeschwächt ist.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung.

Neben der voranschreitenden Erwärmung und das Schmelzen des Eises wird das Ökosystem Arktis auch durch zunehmende Versauerung und Plastikverschmutzung immer stärker bedroht.

E-Mobilität benötigt keine Metalle aus der Tiefsee

Mehrere Manganknollen, die Metalle beinhalten, in verschiedenen Größen

© Philweb / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 20.02.2023, Greenpeace

Neue Greenpeace Studie zum Beginn der UN-Konferenz zum Hochseeschutz

Hamburg, 20. 02. 2023 – Metalle aus der Tiefsee werden nicht für einen Wandel hin zu E-Mobilität und grünen Technologien benötigt. Das zeigt eine neue Studie, die Greenpeace heute zum Beginn der UN-Konferenz in New York zum internationalen Meeresschutzabkommen (BBNJ) veröffentlicht. Damit entkräftet die Studie das Hauptargument der Tiefseebergbau-Industrie, die auf eine Lizenz für den Beginn des Tiefseebergbaus noch in diesem Jahr drängt. Die Studie zeigt: Zentrale Batterie-Rohstoffe wie Lithium und Graphit können aus den Manganknollen in der Tiefsee nicht gewonnen werden. Relevante Mengen wären nur für Mangan, Kobalt und Nickel möglich – aber erst nach 2030.  Der Trend für Batterien entwickelt sich jedoch weg von Kobalt und Nickel. Für die Batterieherstellung ist im Bezug auf Mangan keine Knappheit zu erwarten.

„Die Tiefseebergbau-Lobby missbraucht die Energiewende, um ihre klima- und umweltschädlichen Pläne zu rechtfertigen. Das ist eine Täuschung, der Bedarf für Elektroautos und eine grüne Verkehrs- und Energiewende lässt sich auch ohne Ausbeutung der Tiefsee decken.“
– Till Seidensticker, Greenpeace-Meeresexperte

Tiefseebergbau zerstört ein nahezu unberührtes Ökosystem

Die Tiefsee ist nach wie vor wenig erforscht, viele Wissenschafler:innen warnen vor den Folgen ihrer Ausbeutung. Um die Metalle zu gewinnen, saugen Tiefsee-Planierraupen die obersten 10 Zentimeter des Meeresbodens auf, um Manganknollen zu sammeln, aus denen die Rohstoffe an Land gelöst werden. Damit zerstören die Maschinen die oberste Schicht, in oder auf der nahezu alle Bodenlebewesen leben, unter anderem die Krake “Casper”, die ihre Eier ausschließlich auf Manganknollen ausbrütet.
Wissenschaftler:innen vermuten, dass es Hunderte bis Tausende Jahre dauert, bis sich das Ökosystem von den Eingriffen erholt. Auch Wale werden durch Lärm und Abnahme von Beutetieren gefährdet.
„Der Bedarf an Rohstoffen, etwa für Batterien, ist anders zu decken, um nachhaltig zu sein: Durch echtes Recycling und weniger Konsum.“
– Till Seidensticker, Greenpeace-Meeresexperte
Deutschland hat erstmals eine „precautionary pause“, eine vorsorgliche Pause beim Tiefseebergbau gefordert und unterstützt damit bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau, bis das komplette Ausmaß der Auswirkungen auf das sensible Ökosystem erforscht ist. Ein guter Einstieg in das Thema Tiefseebergbau bieten unsere Reflexionen über Tiefseebergbau für Einsteiger:innen, die ihr auf unserem Instagramkanal finden könnt.

Warum Ökonomen Walen ein Preisschild verpassen wollen

Ein Wal wirft sich Rückwärts auf die Wasseroberfläche

© Todd Cravens / Unsplash

Ein Podcast zum immer mehr beachteten Aspekt, wie Wale zum Klimaschutz beitragen können.
Mit unserem langjährigen Kollegen Fabian Ritter von WDC und M.E.E.R. e.V., einem der fachkundigsten Experten auf diesem Gebiet.

Den Podcast findet ihr beim Spiegel.

Wenn ihr mehr von Fabian Ritter hören beziehungsweise lesen wollt, können wir euch sein Buch „Die Insel der Delfine“ sehr empfehlen. Mit Fotografien aus 25 Jahren Feldforschung auf dem Meer beschreibt er darin die am häufigsten gesichteten Wal- und Delfinarten vor La Gomera – jeweils ergänzt durch einen „Magischen Moment“ während der Beobachtung – sowie Seevögel und Schildkröten.

Der weltweit steigende Schiffsverkehr wird zunehmend zur Bedrohung von Walen, da diese immer häufiger mit Schiffen zusammenstoßen. Was man dagegen tun kann, könnt ihr in unserem Beitrag „Wie man einen Wal rettet“ nachlesen. Neben der Gefahr einer Kollision verursacht jedes Schiff zusätzlich Lärm, der für Wale lebensbedrohlich werden kann, indem er ihre Kommunikation und ihre natürlichen Verhaltensweisen beeinträchtigt.

Küstenschütz mit Salzwiesen: Gegen die Flut wächst ein Kraut

Salzwiesen vor der Küste

© Pete / Pixabay

Salzwiesen können dabei helfen, die Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.

Das schmelzende Landeis in Grönland und der Antarktis, sowie die Ausdehnung von wärmerem Wasser sind hauptsächlich für den steigenden Meeresspiegel verantwortlich. Dieser ist auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog im letzten Jahrhundert um knapp 20 Zentimeter gestiegen. Bis zum Jahr 2150 ist mit einem Anstieg von bis zu 90 Zentimetern zu rechnen – auch wenn wir unsere Treibhausgasemissionen ab jetzt deutlich reduzieren würden. Auch werden Sturmfluten stärker und häufiger, weshalb immer mehr Geld in den Küstenschutz in Form von Deichen und Mauern gesteckt werden muss. Ob diese auch in Zukunft ausreichend Schutz bieten, ist allerdings fraglich. Hier kommen die Seegraswiesen ins Spiel. Die über 45 Pflanzenarten, die auf den Salzwiesen wachsen, stabilisieren den Boden mit ihren Wurzeln und ihre Halme bremsen die Wassermassen ab. Durch diese Pufferzone verlieren die Wellen an Energie und werden kleiner – Deiche müssten dadurch weniger hoch gebaut werden. Dies hat sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile.

Salzwiesen schützen nicht nur uns Menschen, sie bieten außerdem Brut-, Rast-, und Futterplätze für ungefähr 50 Vogelarten sowie Lebensraum für über 1500 Arten an wirbellosen Tieren. Zusätzlich sind Salzwiesen natürliche Kohlenstoffdioxidsenken und können große Mengen an CO2 speichern, weshalb sie von großer Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise sind.

Den zugehörigen Artikel „Gegen die Flut wächst ein Kraut“ von Thea Marie Klinger vom 04.02.2023 findet ihr bei der taz.

Warum Klimaschutz nicht ohne Meeresschutz möglich ist, könnt ihr in der Pressemitteilung vom NABU „Meeresschutz ist Klimaschutz“ nachlesen.

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