Forschung

Was die Forschung untersucht und herausfindet, wird durch  Wissenstransfer greifbar und verständlich.
Und ermöglicht so sinnvolles und effektives Handeln für die Meere .

„Hard Rock“ auf dem Meeresboden der Tiefsee

Steine und Felsen zwischen Sand unterwasser in der Tiefsee

© GEOMAR ROV Kiel6000 aus einem Manganknollengebiet im Pazifik.

Pressemitteilung, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 19. Juni 2020

Der Weg zur Entschlüsselung der Artenvielfalt am Meeresgrund ist steiniger, als bisher angenommen

Senckenberg- und GEOMAR- Forscher:innen haben mittels hydroakustischer Meeresbodenkartierung herausgefunden, dass der Meeresgrund im Atlantik sehr viel vielfältiger ist, als bislang angenommen. Bisher wurden von Biolog:innen in der abyssalen Tiefsee hauptsächlich monotone Sedimentebenen vermutet. Die Wissenschaftler:innen zeigen nun in ihrer heute im Fachjournal „PNAS “ veröffentlichten Studie, dass im Atlantik ein Flickenteppich von Felshabitaten und anderen Hartsubstraten zu erwarten ist, der in manchen Regionen dieser Tiefenzone 30 Prozent des Meeresbodens ausmachen kann. Es wird erwartet, dass die Vielfalt der Lebensräume direkte Auswirkungen auf die dortige Lebewelt hat.

Die Tiefsee ist bekannt für ihre unerforschte und überraschend große Artenvielfalt – trotz der extremen Lebensbedingungen ist sie Heimat für zahlreiche Organismen, die sich auf vielfältige Weise angepasst haben: vom Riesenkalmar über den Pelikanaal bis hin zu blaugrün leuchtenden Schlangensternen. „Diese Vielfalt, die uns auf jeder Expedition begegnet, steht in einem Widerspruch zu der Annahme, dass der Lebensraum dieser Tiere recht gleichförmig sein soll“, erklärt Dr. Torben Riehl vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt und fährt fort: „Wir haben uns gefragt: Wieso können in einem derart homogenen Lebensraum so viele Arten koexistieren und überhaupt erst entstehen? Ist der abyssale Meeresboden möglicherweise weniger monoton, als angenommen?“

Riehl hat gemeinsam mit der Leiterin der Senckenberg-Abteilung „Marine Zoologie“ Prof. Dr. Angelika Brandt und Tiefsee-Forscher:innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel während einer Expedition mit dem Forschungsschiff Sonne im Jahr 2015 das Gebiet um eine unterseeische Bruchzone genau unter die Lupe genommen. Als Bruchzonen werden von Geolog:innen Täler in der – in diesem Fall – ozeanischen Kruste bezeichnet die quer zu den Mittelozeanischen Rücken verlaufen und sich über hunderte Kilometer erstrecken. Die Wissenschaftler*innen haben den Meeresboden des tropischen Nordatlantik in etwa 4.500 bis 5.500 Metern Tiefe über eine Fläche von 94.000 Quadratkilometern kartiert und analysiert.
„Unsere hydroakustischen Daten erlauben eine Unterscheidung zwischen felsigem und sedimentiertem Meeresboden sowie Übergangsbereichen. Probenahmen und Videos haben gezeigt, dass die angewandte Methode tatsächlich in dieser Tiefe funktioniert. Das kartierte Gebiet war von Felshabitaten übersäht. Damit können wir sagen, dass der Meeresboden in dieser Tiefenzone viel heterogener ist, als gemeinhin angenommen. Diese Hartsubstrate wurden bislang schlichtweg übersehen!“, sagt Riehl und erklärt weiter: „Die meisten Karten vom Meeresgrund in diesen Tiefen haben meist nur eine Auflösung im Kilometerbereich — das ist als wenn man als Weitsichtiger versucht, ohne Brille das Kleingedruckte zu lesen; es sind nur stark verschwommene Konturen sichtbar. Nimmt man nun unsere neu erstellten Karten des Seebodens zum Vergleich, ist es, als würde man die Lesebrille aufsetzen. Die neu erstellten Karten haben eine Auflösung von 60 Metern und sind im Vergleich zu früher gestochen scharf. Es lassen sich Details erkennen, die man bislang bestenfalls erahnen konnte. Zusätzlich zum Meeresbodenmodell konnten wir aus den erhobenen Daten weitere Aussagen über den Meeresboden machen.“

Doch wie konnten die steinigen Lebensräume trotz zahlreicher Tiefsee-Expeditionen seit den 1950er-Jahren bisher unbemerkt bleiben? Das Team um den Frankfurter Tiefseeforscher vermutet in seiner Studie, dass dies mit der bisher lediglich stichprobenartigen Erforschung und auch mit den Forschungs-Geräten selbst zusammenhängt: Schlitten, Schleppnetze, Bohrgeräte und Co wurden überwiegend für den Einsatz auf relativ ebenen und vor allem weichen Sedimenten entwickelt. „Die Tiefseefauna zu beproben, ist technisch höchst anspruchsvoll. Besteht aufgrund der Kartengrundlage, so ungenau sie sein mag, die Möglichkeit einer unebenen Topographie am Meeresboden, wird der Geräteeinsatz an diesem Ort in der Regel noch einmal überdacht. Denn sollten die Geräte beim Einsatz verloren gehen oder beschädigt werden, könnte das die Expedition gefährden. Diese Praxis führt aber zu einer Verzerrung unseres Bildes von der Tiefsee“, ergänzt Riehl.

Das Team hat seine Ergebnisse auf den gesamten Atlantik extrapoliert und so die Gesamtfläche verfügbarer Hartsubstrate geschätzt. Riehl hierzu: „Je nach Krustenalter macht Hartsubstrat bis zu 30 Prozent des Meeresbodens aus. Insgesamt kommen wir hier auf eine Fläche von über 260.000 Quadratkilometern für die wir felsigen Meeresboden annehmen können. Da fester Untergrund ein bedeutender Lebensraum für zahlreiche Tiefseeorganismen ist und Einfluss auf die Verbreitung von Arten hat, ist dies eine extrem wichtige Information, um die Biodiversität im Abyssal neu zu interpretieren und ihre Ursprünge und Zusammensetzung besser zu verstehen!“

Die angewandte Methode kombiniert Informationen über die Topographie und die Rauigkeit des Meeresbodens, welche mithilfe eines Fächer-Echolots gewonnen werden. „Sie wurde unseres Wissens nach erstmals auf diese Weise in abyssalen Tiefen angewandt und ermöglicht so die Unterscheidung von Lebensraumtypen und die Quantifikation dieser Habitatvielfalt. Somit lässt sie sich für die Erkundung des Meeresbodens, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Errichtung von Schutzgebieten in der Tiefsee, einsetzen“, gibt Riehl einen Ausblick.

Publikation
Torben Riehl, Anne-Cathrin Wölfl, Nico Augustin, Colin W. Devey, Angelika Brandt (2020): Discovery of widely available abyssal rock patches reveals overlooked habitat type and prompts rethinking deep-sea biodiversity. Proceedings of the National Academy of Sciences Jun 2020, 201920706; DOI: 10.1073/pnas.1920706117

Diese Pressemitteilung findet ihr auf der Website des Senckenberg Museum Frankfurt.

Wer mehr über das faszinierende Leben in den Tiefen der Meere erfahren möchte, kann einen Einstieg auf unserer Tiefseeseite finden.

Plastik in der Tiefsee

Plastik in der Tiefsee in mehr als 4000 Metern Tiefe auf einem Sandboden und neben Manganknollen.

© ROV-Team/GEOMAR

Pressemitteilung, GEOMAR, 11. Juni 2020

Plastik in der Tiefsee: Nach einem Vierteljahrhundert noch wie neu

Erste Langzeitstudie zum Kunststoffabbau in mehr als 4000 Metern Wassertiefe

11.06.2020/Kiel. Auch in den abgelegensten Regionen der Ozeane lassen sich mittlerweile Plastikteile nachweisen. Doch wie lange sie dort schon liegen, ist meist nicht feststellbar. Das macht auch Abschätzungen zum möglichen Abbau schwierig. Ein Team unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat jetzt erstmals Kunststoffteile untersucht, die nachweislich 20 Jahre und länger in der Tiefsee verbracht haben. Wie die Forscherinnen und Forscher heute im Online-Fachjournal Scientific Reports veröffentlichen, konnten sie keine Spuren von Fragmentierung oder gar Abbau feststellen.

Kunststoffe sind haltbar. Das ist ihr großer Vorteil. Doch wenn sie unkontrolliert in die Umwelt gelangen, wird dieser Vorteil zum Nachteil. Ein natürlicher Abbau, wie bei organischen Stoffen, findet nach heutigen Erkenntnissen nicht statt. Wie lange einzelne Produkte wirklich in der Umwelt verbleiben, kann nur geschätzt werden. Es fehlen entsprechende Langzeitversuche.

Besonders schwierig ist dies in der Tiefsee. Sie ist selbst nur wenig erforscht. Plastikteile, die zufällig mit Hilfe von Tiefseerobotern oder Tauchbooten gefunden werden, sind kaum datierbar. Forscherinnen und Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen sowie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel konnten während einer Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE im Jahr 2015 allerdings mehrere Müllteile vom mehr als 4000 Meter tiefen Boden des Ostpazifiks bergen, deren Alter sich mit etwas Detektivarbeit recht genau feststellen ließ. Sie boten erstmals die Gelegenheit für eine Langzeitanalyse von Plastikabbau in der Tiefsee. Die Studie ist heute im internationalen Fachjournal Scientific Reports erschienen.

Eigentlich war das Team 2015 für ein anderes Langzeitexperiment im sogenannten DISCOL-Gebiet 440 Seemeilen (815 km) vor der Küste Perus im Einsatz. Dort hatten deutsche Wissenschaftler 1989 ein Stück Meeresboden umgepflügt, um die Auswirkungen eines potenziellen Abbaus von Manganknollen verstehen zu können. 1992, 1996 und eben 2015 besuchten sie die Stelle erneut, um die Regeneration des Tiefseeökosystems zu untersuchen.

Quasi nebenbei barg der ferngesteuerte Tiefseeroboter ROV KIEL 6000 im Jahr 2015 auch einige Müllteile vom Meeresboden. Darunter war eine Plastiktüte mit einer Cola-Dose, die zu einer Sonderedition anlässlich des Davis-Cups 1988 gehörte. „Die Dose aus Aluminium alleine wäre in der Tiefsee längst korrodiert. Aber sie war so dicht im Inneren der Plastikmülltüte eingewickelt, dass sie sich erhalten hat. Das zeigt auch, dass die Mülltüte das gleiche Alter haben muss“, sagt Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR, damals Projektleiter an Bord und jetzt Co-Autor der Studie.

Bei einem zweiten geborgenen Objekt handelte es sich um eine Quark-Packung eines deutschen Herstellers. Die aufgedruckte Adresse zeigt eine fünfstellige Postleitzahl. Die wurden in Deutschland erst 1990 eingeführt. Der Hersteller wurde aber schon 1999 von einer Konkurrenzfirma aufgekauft, womit der Markenname verschwand.

„Da das DISCOL-Gebiet nicht in der Nähe wichtiger Schifffahrtsrouten liegt, ließen sich die Plastiktüte und die Quarkverpackung den ersten DISCOL-Expeditionen 1989 und 1992 oder 1996 zuordnen“, sagt Dr. Haeckel. Immerhin bot sich so die extrem seltene Gelegenheit, datierbare Kunststoffteile aus der Tiefsee zuhause in Laboren genau zu untersuchen. „Dabei zeigte sich, dass weder die Tüte noch die Quarkpackung Zeichen von Fragmentierung oder sogar Abbau in ihre Bestandteile aufwiesen“, sagt der Biochemiker Dr. Stefan Krause vom GEOMAR, Hauptautor der aktuellen Studie. Er leitete die Analysen an Land.

Für die Wissenschaft war auch interessant, dass sich auf den Kunststoffen eine andere Mikroorganismengemeinschaft angesiedelt hatte als in dem Tiefseeboden drumherum vorherrscht. „Die Mikroben kommen alle im Tiefseeboden vor. Aber offenbar könnten größere Ansammlungen von Kunststoff lokal für eine Verschiebung im Verhältnis der vorherrschenden Arten sorgen“, sagt Dr. Krause.

Insgesamt bietet die Studie erstmals einen wissenschaftlich fundierten Anhaltspunkt über das Schicksal von Plastik auf dem Tiefseeboden. „Das ist auch eine wichtige Grundlage für unser aktuelles Projekt HOTMIC, in dem wir den Weg des Plastikmülls von den Kontinenten bis in die großen ozeanischen Wirbel und weiter auf den Tiefseeboden als finale Senke verfolgen wollen“, sagt Dr. Haeckel.

Gleichzeitig sind die Funde für ihn ein gutes Argument, die Einhaltung von Vorschriften bezüglich von Müll an Bord noch genauer zu beachten. „Zum Glück hat sich die Mentalität seit den 1990er Jahren deutlich gewandelt. Sowohl die Crews der Schiffe als auch die eingeschifften Forschungsteams achten sehr genau darauf, dass kein Müll mehr über Bord geht“, sagt Dr. Haeckel.

Originalarbeit:
Krause, S., M. Molari, E.V. Gorb, S.N. Gorb, E. Kossel, M. Haeckel (2020): Persistence of plastic debris and its colonization by bacterial communities after two decades on the abyssal seafloor. Scientific Reportswww.nature.com/articles/s41598-020-66361-7

Diese Pressemitteilung findet ihr auf der Seite des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Zum Thema Tiefsee haben wir auf unserer zugehörigen Seite Informationen für euch zusammengestellt. Wer konkret wissen möchte, welche Alternativen zu Einwegplastik genutzt werden können und welche Kampagne wir in diesem Zusammenhang gestartet haben, schaut auf unserer BLUE STRAW Seite vorbei.

Der Schnee im Meer

Unterwasseraufnahme in Blautönen. Man erkennt schemenhaft den Meeresboden und die Wasseroberfläche.

© Free-Photos/ pixabay

Schnee im Meer? Wie soll das denn gehen?
Wir berichten hier über ein Phänomen, das wohl kaum bekannt ist. Dem Meeresschnee, auch Detritus. Darunter verstehen Wissenschaftler:innen das Herabrieseln von toten Organismen und Kotkügelchen in den Ozeanen. Klingt nicht weiter wichtig? Ist es aber! Es ist vielleicht sogar von so hoher Relevanz für unsere Erde, dass eigentlich jede:r darüber Bescheid wissen sollte.

Diese Partikel entstehen mit Hilfe der Photosynthese – dem Umwandeln von CO2 zu Biomasse – durch Kieselalgen, Grünalgen oder spezielle Planktonarten. Sinken diese „Schneeflocken“ in die Tiefe und verlassen den Nahrungskreislauf, entsteht insgesamt eine negative CO2 Bilanz. Dieser Prozess – auch die biologische Pumpe genannt – ist somit ausschlaggebend für das Wohlergehen unseres Planeten, denn das Meer dient damit als größter Kohlenstoffspeicher der Erde.

Durch den Klimawandel und die einhergehende Meereserwärmung, sowie die Versauerung der Ozeane, wird diese biologische Kohlenstoffpumpe einen Wandel erfahren. Unser momentanes Verständnis lässt dabei nichts Gutes erahnen, denn vieles deutet darauf hin, dass der Meeresschnee einen weiteren Kipppunkt darstellt. Denn nimmt dessen Leistung bei steigendem Kohlenstoffaustoß ab – durch weniger Primärproduktion, also weniger Photosynthese, geänderte Meeresströmungen oder höhere Re-Mineralisation – tritt irgenwann ein unaufhaltsamer Rückkopplungseffekt ein. Folgen wären der Verlust des größten CO2-Speichers und eine extreme Erderwärmung.

Den zugehörigen Artikel als Teil der Serie Kippelemente findet ihr auf der Website der Klimareporter. Auch in unserem Beitrag „Das erste Kippelement ist das schnellste“ könnt ihr mehr zur Thematik erfahren.

Wer sich bezüglich der Versauerung der Ozeane weiter schlau machen möchte, findet hier entsprechendes Lesematerial:

Ihr wollt noch mehr wissen? Dann probiert doch mal unsere Suchfunktion aus! Darüber erhaltet ihr Zugang zu über 4.000 Blogbeiträgen aus dem Reich der Tiefe.

Expeditionskrimi MOSAiC: Besatzungswechsel nun auf dem Seeweg

Ein Forscher steht mit rotem Anzug mitten im Eis vor dem großen Schiff Polarstern

© Alfred-Wegener-Institut / Torsten Sachs (CC-BY 4.0)

Bereits Ende März war für die Forscher:innen der Expedition MOSAiC auf der Polarstern klar: durch Corona sitzen sie fest. Mit einer Pandemie hatte niemand gerechnet, die Crew konnte nicht wie geplant per Flugzeug über Spitzbergen ausgetauscht werden. Die ganze Expedition stand auf dem Spiel. Jetzt, in der dritten Maiwoche, gibt es Licht am Horizont: nach wochenlangen internationalen Verhandlungen ist eine Lösung für den Besatzungswechsel und die Rettung der Jahrhundertexpedition gefunden worden. Auf dem Seeweg bringen die deutschen Forschungsschiffe FS Maria S. Merian and FS Sonne nun 56 Wissenschaftler:innen und 37 Besatzungsmitglieder, die vorher 17 Tage in strengster Quarantäne verbracht haben, plus 14 Tonnen Nachschub nach Svalbard, wo ihnen die Polarstern an der Eiskante entgegenkommt.

Die genauen Details rund um diesen Austausch und die Folgen für das gesamte Forschungsprojekt erläutert der Expeditionsleiter Markus Rex im Podcast „IQ-Wissenschaft und Forschung“ des Bayerischen Rundfunks.

Und wer wissen will, was die Eisbären in der Zwischenzeit mit den auf der Scholle zurückgelassenen Messinstrumenten angestellt haben werden, wird nach der Rückkehr zur Scholle hier dazu etwas finden: Im Tagebuch der MOSAiC könnt ihr verfolgen, was an Bord der Polarstern und rundum im Eis geschieht und im Moment auch parallel wie sich die neue Besatzung auf den beiden anderen Forschungsschiffen auf den Wechsel vorbereitet.

Markus Rex wurde bereits vor Expeditionsbeginn für den Forschungspodcast Resonator interviewt und berichtet in einer 50-minütigen Folge ausführlich über das bevorstehende Forschungsabenteuer.

Mehr über MOSAiC erfahrt ihr auf den Seiten des AWI.

Das erste Kippelement ist das schnellste

Gletscheransicht mit Meerblick aus der Vogelperspektive

© NASA / ​Wikimedia Commons

Der Name kündigt bereits eine gewisse Ernsthaftigkeit des Themas an: Kippelemente setzen bei bereits kleinen externen Störungen eine Kette in Gang, die – einmal angestoßen – nicht mehr zu kontrollieren ist. So auch beim Gletscherschmelzen in der Antarktis: die Gletscher, die jetzt schon kleiner werden, könnten zukünftig diejenigen sein, die dadurch noch schneller schrumpfen.

Hier sind die zwei großen Gletscher Thwaites und der Pine-Island gemeint, deren Schelfeis sich wegen ihrer besonderen Geometrie und Lage deutlich schneller zurückzieht als das vergleichbarer Gletscher in der Ostantarktis. Das konnte nun im Rahmen der neuen Studie des Potsdam-Institus für Klimafolgenforschung (PIK) „Scaling of instability timescales of Antarctic outlet glaciers based on one-dimensional similitude analysis“ herausgefunden werden. Denn ziehen sich die Gletscher ins Innere des Landes zurück, steigt die Geschwindigkeit des Rückzugs. Eine unaufhaltsame Rückkopplung beginnt. Sollten wir die Klimakrise nicht verhindern können und somit dieser Prozess ablaufen wie befürchtet, könnte der Meeresspiegel um drei Meter ansteigen und durch den Albedo-Effekt das Klima noch weiter anheizen.

Den Artikel Das erste Kippelement ist das schnellste von Friederike Meier vom 14.06.2019 findet ihr beim klimareporter des Vereins Klimawissen e. V. Das Magazin informiert außerdem über weitere Kippelemente unter gleichnamiger Kategorie.

„Polarstern“-Forscher:innen sitzen wegen Corona am Nordpol fest

Forscher:innen in roten Anzügen stehen mitten in Schnee und Eis

© Alfred-Wegener-Institut / Michael Gutsche (CC-BY 4.0)

Im letzten September sind Forscher:innen der Expedition MOSAiC in Richtung Arktis aufgebrochen. Ziel der Forschungsreise ist es, neue Erkenntnisse über den Klimawandel zu gewinnen. Die gewählte Methode: sich mit dem Eisbrecher Polarstern einfrieren lassen.
Doch auch in der Arktis spürt man die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Nach eigenen Aussagen der Forscher:innen auf Twitter stellt sie COVID-19 vor eine sehr besondere Herausforderung. Trotz genauster Planungen hat niemand vorhergesehen, dass ein solcher Fall auftreten könnte.

Das größte Problem ist vor allem die Infrastruktur, die durch Corona lahmgelegt wurde.
Alle zwei Monate werden hundert Besatzungsmitglieder ausgetauscht, wobei die neu an Board Kommenden über Norwegen anreisen. Durch das coronabedingte Einreiseverbot nach Norwegen kann die Besatzung jedoch nicht mehr durch neue Mitglieder ausgetauscht werden. Die Folgen sind weitreichend, da die Forscher:innen nun nicht mehr nur im Eis, sondern auch auf dem Eisbrecher feststecken.

Außerdem muss nun, als Reaktion auf den Corona-Fall eines Crewmitglieds, das eigentlich neu an Board kommen sollte, jedes neue Besatzungsmitglied zweimal auf Sars-CoV-2 getestet werden.

Die MOSAiC-Expedition ist die größte Arktisexpedition aller Zeiten. Ein gemeinsamer Kraftakt von Wissenschaftler:innen aus 20 Nationen. Daher betont der Expeditionsleiter Prof. Dr. Markus Rex, dass selbst unter diesen Bedingungen von Aufgeben momentan keine Rede sei.

Den Artikel „Polarstern“-Forscher sitzen wegen Corona am Nordpol fest findet ihr beim Spiegel.
Mehr Informationen über MOSAiC könnt ihr im Blogbeitrag „Mammutprojekt MOSAiC: ein Jahr festgefroren in der Arktis“ nachlesen oder ihr hört euch den MOSAiC-Podcast „Ein Jahr auf Forschungsreise im Eis“ an.

Das rote Gewand des Schnees

Pinguin in der Antarktis vor rot und grün eingefärbtem Schnee in der Antarktis. (Ort: Neko Harbour, Antarctica)

© Jerzy Strzelecki / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

Kalt, weiß und einsam. So könnte man die Antarktis beschreiben, aber auch den ein oder anderen Gletscher.
Doch durch den Klimawandel hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Zu einer neuen Bedrohung des Eises sind Schneealgen, wie beispielsweise Chlamydomonas nivalis (C.nivalis), geworden [1]. Eine Schneealgenart, die man überall auf der Welt findet. In Europa zum Beispiel in den österreichischen Alpen.
Schneealgen leben im flüssigen Wasser zwischen den Schneekristallen [2]. Unter kälteren Bedingungen ist ihr Stoffwechsel heruntergefahren, doch bei steigenden Temperaturen wachsen vor allem die C.nivalis Populationen immer stärker an. Durch die immer weiter steigenden Temperaturen ist weiterhin mit einem Zuwachs der Alge zu rechnen. Das Problem der wachsenden Algenschichten ist jedoch nicht die Alge als solche, sondern deren leuchtend rote oder grünliche Färbung [3].

Der einst weiße Schnee ist nun in ein rotes Gewand gehüllt, und so schön der Anblick auch sein mag, der rote Schnee hat seine Tücken.
Er beeinflusst die Albedo des Schnees, also das Rückstrahlvermögen, negativ. Rote Algen absorbieren die Sonnenstrahlen zum Großteil und reflektieren nur das rote Licht, die grüne Algenart reflektiert hingegen nur grüne Lichtwellen (Wie wir Farben sehen: Reflexion und Absorption).
Das absorbierte Licht wird in Wärme umgewandelt. Dadurch schmelzen Eis, Schnee und Gletscher [1][4].

Der rote Schnee der Antarktis ist also eine Auswirkung des Klimawandels, die diesen noch verstärkt. Denn durch das Abschmelzen werden Wassermengen frei, die das Sonnenlicht nicht mehr so gut reflektieren, sondern ebenfalls absorbieren. Das Wasser erwärmt sich und bringt noch mehr Eis zum Schmelzen.
Zusätzlich wird die weiße Reflexionsfläche immer kleiner und die Energie des Systems immer höher. Diesen Effekt nennt man positive Rückkopplung, genauer gesagt Eis-Albedo-Rückkopplungseffekt [4].

Weitere Informationen über den Klimawandel und dessen Einfluss auf das marine Ökosystem findet ihr auf unserer Seite unter „Wie der Klimawandel unsere Weltmeere verändert“ oder auf unserem Factsheet „Meeresspiegelanstieg und Klimawandel – Infos und Tipps“.

Quellen

[1] Huovinen, Pirjo, Jaime Ramírez, and Iván Gómez. „Remote sensing of albedo-reducing snow algae and impurities in the Maritime Antarctica.“ ISPRS Journal of Photogrammetry and Remote Sensing146 (2018): 507-517.
[2] Remias, Daniel, Ursula Lütz-Meindl, and Cornelius Lütz. „Photosynthesis, pigments and ultrastructure of the alpine snow alga Chlamydomonas nivalis.“ European Journal of Phycology 40.3 (2005): 259-268.
[3] Lukeš, Martin, et al. „Temperature dependence of photosynthesis and thylakoid lipid composition in the red snow alga Chlamydomonas cf. nivalis (Chlorophyceae).“ FEMS microbiology ecology 89.2 (2014): 303-315.
[4] Lozan, José L., et al. „DER KLIMAWANDEL UND DAS EIS DER ERDE: Ein Überblick.“ Science 319 (2008): 189-192.

Albatrosse – Spione illegaler Fischerei

Viele Albatrosse fliegen über ein stürmisches Meer mit hohen Wellen

© Fer Nando / Unsplash

Ihr fragt euch wohl, wie können Albatrosse und die ausbeuterische Praxis der illegalen Fischerei zusammenhängen? Wenn sie in der Luft sind, können Albatrosse Fisch und dessen Geruch bis auf 30 km Entfernung wahrnehmen. Es ist also keine Seltenheit, dass die Vögel Kurs auf Fischerboote mitten im Ozean nehmen, um dort den einen oder anderen Fisch an Deck abgreifen zu können. Zusätzlich legen Albatrosse innerhalb ihrer Nahrungsflüge beeindruckend lange Strecken zurück und fliegen einen großen Teil des offenen Ozeans ab.

Doch wär hätte gedacht, dass genau diese Art der Nahrungssuche als eine Art Vogelpatrouille fungieren kann, die illegale Fischerboote aufspürt. Viele Fischereiflotten schalten, kurz nachdem sie in internationale Gewässer vorgedrungen sind, die vorgeschriebenen automatischen Identifizierungssysteme ab und fischen weitaus mehr von den Fischbeständen als gesetzlich erlaubt ist. Diese Piratenfischerei jedoch zu kontrollieren war bisher unmöglich, denn weder mit dem Flugzeug, mit Drohnen oder anderen Schiffen kann das riesige Gebiet überwacht werden und  somit dessen abnehmende Fischbestände vor der Ausbeutung geschützt werden. Ein neuer Ansatz ist nun, die lange Nahrungssuche der Albatrosse zu nutzen, um die illegal operierenden Fischerboote aufzuspüren. Daher wurden im Rahmen eines 6-monatigen Forschungsprojekts 170 Vögel mit einem Sender ausgestattet, der in der Lage ist, den Radar auf Booten aufzuspüren.

Erschreckenderweise hatten 100 der mit dem Sender erfassten 353 Boote zum gegebenen Zeitpunkt das Identifizierungssystem abgeschaltet und operierten demnach illegal. Um weiterhin effektiv die Nahrungssuche der Vögel nutzen zu können, wird nun an einer Optimierung der Sender gearbeitet, um diese weitreichender einsetzen zu können. Zukünftig sollen auch kleinere Vögel wie Sturmtaucher zur Datenerfassung beitragen.

Den gesamten Artikel „Albatrosse als Spione“ findet ihr bei der Süddeutschen Zeitung.

Mehr zum Thema Überfischung findet ihr bei uns.

Ein Jahr auf Forschungsreise im Eis: der MOSAiC-Podcast

Ein Mann läuft auf einer dicken Eisdecke entlang, im Hintergrund ist ein großes Forschungsschiff zu sehen

© Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath (CC-BY 4.0)

Am 20. September startete die große MOSAiC Expedition in die Arktis, um sich dort mit dem Eisbrecher Polarstern für ein Jahr im Eis einfrieren zu lassen. Viele Forsche:innen sowie Klimaexpert:innen sind an Bord des Forschungsschiffes, um neue Erkenntnisse über den Klimawandel sowie das Polarmeer zu sammeln. Die Arktis gilt als Frühwarnsystem des Klimawandels, denn kein Ort hat sich in den letzten Jahren so dramatisch erwärmt wie sie und das Nordpolarmeer. Unter der Leitung des Atmosphärenforschers Markus Rex und des Alfred-Wegener-Instituts stechen die aus 20 Nationen stammenden Forscher:innen in See und werden während der Expedition von anderen Eisbrechern, Helikoptern sowie Flugzeugen versorgt. Die Expedition kann durchgehend online auf der Website des AWI verfolgt werden, sowie bei dem zugehörigen Podcast „Arctic Drift: Das Audiologbuch“ oder dem „Polarsternblog“.

Im Resonator, dem Forschungspodcast, erläutert Markus Rex in einer 50-minütigen Folge ausführlich vor Beginn der Reise das bevorstehende Forschungsabenteuer.

„Faktenbasiert: Von der Dystopie der Klimakrise und der Utopie des Klimaschutzes“

Im Rahmen der Veranstaltung am IASS (Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung) „Klima trifft Theater: von der Erzählbarkeit der Klimakrise“ hält Antje Boetius, Direktorin des AWI, einen großartigen und sehr aussagekräftigen Vortrag zur Einordnung des Klimageschehens in die Erdgeschichte. Wo stehen wir? Mitten in einem Erdzeitalter mit bereits gekippten Klimapunkten. Wie gehen wir damit um, dass wir selbst mit reinen Fakten Dystopie beschreiben. Wo nehmen wir den Mut her, Utopien zu denken, um handeln zu können?

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=ihSs71Thwmc&feature=youtu.be&t=264

Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung auf YouTube

Mehr Informationen zum Thema Klimawandel findet ihr bei uns.

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