Klima
Meeresschutz ist Klimaschutz.
Neue AWI-Studie zu industriellen Altlasten im arktischen Permafrost
Wenn die Dauerfrost-Böden auftauen, droht der Arktis eine massive Belastung mit Industrie-Altlasten und Schadstoffen
[04. April 2023] In den gefrorenen Böden der Arktis lauert eine bisher unterschätzte Gefahr. Wenn der Untergrund durch den Klimawandel auftaut und instabil wird, kann das zum Zusammenbruch von Industrie-Anlagen und damit zu einer verstärkten Freisetzung von Schadstoffen führen. Zudem können sich dann auch bestehende Kontaminationen leichter in den Ökosystemen ausbreiten. Wie groß dieses Problem werden könnte, hat ein Team um Moritz Langer und Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Potsdam untersucht. Demnach gibt es in der Arktis mindestens 13.000 bis 20.000 belastete Flächen, von denen künftig ein größeres Risiko ausgehen könnte. Man brauche dringend langfristige Strategien für den Umgang mit diesem heiklen Erbe, erklären die Forschenden im Fachjournal Nature Communications.
Die Arktis stellen sich viele Menschen als weitgehend unberührte Wildnis vor. Doch dieses Bild stimmt längst nicht überall. Seit langem gibt es dort auch Ölfelder und Pipelines, Bergwerke und verschiedene andere industrielle Aktivitäten. Die dafür nötigen Anlagen stehen auf einem Fundament, das früher als äußerst stabil und zuverlässig galt: dem sogenannten Permafrost. Dieser spezielle Boden, der riesige Gebiete der Nordhalbkugel bedeckt, taut im Sommer nur an der Oberfläche auf. Der Rest bleibt bis in mehrere hundert Meter Tiefe das ganze Jahr hindurch gefroren.
Damit galt der Permafrost nicht nur als solide Plattform für Gebäude und Infrastruktur. „Traditionell hat man ihn auch für eine natürliche Barriere gehalten, die eine Ausbreitung von Schadstoffen verhindert“, erklärt Moritz Langer vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Industrieabfälle aus stillgelegten oder noch arbeitenden Anlagen hat man daher in der Regel einfach vor Ort gelassen, statt sie mit viel Aufwand und entsprechenden Kosten zu beseitigen.“ So entstanden in der Arktis infolge der industriellen Expansion während des Kalten Krieges über Jahrzehnte Kleinstdeponien voller giftiger Schlämme aus der Öl- und Gasförderung, Halden aus Bergbau-Schutt, Überreste militärischer Installationen und Seen, in denen gezielt Schadstoffe verklappt wurden. „Häufig hatte man dabei die Vorstellung, der Permafrost umschließe die giftigen Substanzen dicht und für immer, so dass keine aufwändige Entsorgung nötig sein würde“, sagt Guido Grosse, der am AWI die Sektion Permafrostforschung leitet. „Dieses industrielle Erbe liegt bis heute im Permafrost vergraben oder an dessen Oberfläche. Die Palette der Substanzen reicht dabei von giftigem Dieselkraftstoff über Schwermetalle bis hin zu radioaktiven Abfällen.“
Im Zuge des Klimawandels aber droht diese lange schlummernde Bedrohung nun akut zu werden. Denn da sich die Permafrost-Regionen zwei- bis viermal so schnell erwärmen wie der Rest der Welt, taut der gefrorene Untergrund zunehmend auf. Dadurch aber verändert sich die Hydrologie der betroffenen Gebiete und der Permafrost als Barriere wirkt nicht mehr. Die über Jahrzehnte in der Arktis angereicherten Schadstoffe können in Bewegung geraten und sich über größere Regionen verteilen.
Dazu kommt, dass der tauende Permafrost immer instabiler wird, was zu weiteren Belastungen führen kann. Denn wo der Boden wegsackt, drohen Schäden an Pipelines, Chemikalien-Lagern und Deponien. Wie groß diese Risiken heute schon sind, zeigte im Mai 2020 ein großer Unfall in der Nähe der Industrie-Stadt Norilsk im Norden Sibiriens. Aus einer destabilisierten Tankanlage liefen damals 17.000 Tonnen Diesel aus, die Flüsse, Seen und Tundra verschmutzten. „So etwas könnte künftig durchaus häufiger passieren“, befürchtet Moritz Langer.
Um solche Gefahren besser einschätzen zu können, hat er zusammen mit einem internationalen Team aus Deutschland, den Niederlanden und Norwegen die industriellen Aktivitäten im hohen Norden genauer unter die Lupe genommen. Dazu haben die Forschenden zunächst frei verfügbare Daten aus dem Portal OpenStreetMap und aus dem „Atlas of Population, Society and Economy in the Arctic“ ausgewertet. Demnach gibt es in den Permafrost-Regionen der Arktis rund 4.500 Industriestandorte, in denen potentiell gefährliche Substanzen lagern oder zum Einsatz kommen.
„Damit wussten wir allerdings noch nicht, was das genau für Anlagen sind und wie stark sie die Umwelt mit welchen Substanzen belasten können“, sagt Moritz Langer. Detailliertere Informationen dazu gibt es bisher nur für Nordamerika, wo rund 40 Prozent der weltweiten Permafrostböden liegen. Die verfügbaren Daten aus Kanada und Alaska zeigen, dass man anhand der Lage und Art von Industrieanlagen sehr gut abschätzen kann, wo mit gefährlichen Substanzen zu rechnen ist.
Für Alaska liefert das „Contaminated Sites Program“ auch Hinweise auf die Art dieser Belastungen. So geht etwa die Hälfte der dort erfassten Kontaminationen auf das Konto von Treibstoffen wie Diesel, Kerosin und Benzin. Auch Quecksilber, Blei und Arsen stehen unter den Top 20 der dokumentierten Umweltschadstoffe. Und dabei handelt es sich nicht nur um das Erbe vergangener Zeiten. Zwar ist die Zahl der neu registrierten Belastungsgebiete im nördlichsten Bundesstaat der USA von rund 90 im Jahr 1992 auf 38 im Jahr 2019 zurückgegangen. Doch die Zahl der betroffenen Flächen nimmt auch heute noch zu.
Für die großen Permafrost-Regionen Sibiriens gibt es bisher keine vergleichbaren Datenbanken. „Wir konnten dort also nur Berichte über Umweltprobleme auswerten, die zwischen 2000 und 2020 in russischen Medien oder anderen frei zugänglichen Quellen veröffentlicht wurden“, sagt Moritz Langer. „Aus diesen eher spärlichen Informationen aber kann man schließen, dass es auch in Russlands Permafrost-Regionen einen engen Zusammenhang zwischen Industrieanlagen und belasteten Flächen gibt.“
Mit Computermodellen hat das Team daher das Schadstoff-Risiko für die gesamte Arktis hochgerechnet. Insgesamt dürften die 4.500 Industrieanlagen in den Permafrost-Gebieten demnach zwischen 13.000 und 20.000 belastete Flächen hinterlassen haben. 3.500 bis 5.200 davon liegen in Regionen, in denen der Permafrost heute noch stabil ist, aber schon vor dem Ende des Jahrhunderts zu tauen beginnen wird. „Mangels Daten sind diese Ergebnisse allerdings noch mit Vorsicht zu genießen“, betont Moritz Langer. „Das tatsächliche Problem könnte sogar noch größer sein.“
Noch kritischer wird die Lage durch das wachsende Interesse an wirtschaftlichen Aktivitäten in der Arktis. Denn dadurch entstehen immer mehr Industrieanlagen, aus denen toxische Substanzen in die Ökosysteme gelangen können. Und das in Zeiten, in denen die Beseitigung solcher Umweltschäden immer schwieriger wird. Schließlich braucht man dazu oft Fahrzeuge und schweres Gerät, die auf tauendem Untergrund kaum noch einsetzbar sind
„Insgesamt haben wir es hier also mit einem ernstzunehmenden Umweltproblem zu tun, das sich weiter verschärfen wird“, resümiert Guido Grosse. Man brauche dringend mehr Daten und ein Monitoring von gefährlichen Substanzen, die mit industriellen Aktivitäten in der Arktis verbunden sind. „Denn diese Schadstoffe könnten über Flüsse und das Meer letztendlich auch wieder bei den Menschen in der Arktis und auch bei uns auf dem Tisch landen.“ Wichtig seien außerdem verstärkte Bemühungen, die Freisetzung von Schadstoffen zu verhindern und die Schäden auf schon belasteten Flächen zu beseitigen. Und schließlich halten es die Fachleute auch nicht mehr für zeitgemäß, Industrieabfälle ohne abgesicherte Deponie-Möglichkeiten in der Arktis zurückzulassen. Denn gegen die damit verbundenen Risiken ist der Permafrost kein zuverlässiger Verbündeter mehr.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Die Originalpublikation „Thawing permafrost poses environmental threat to thousands of sites with legacy industrial contamination“ findet ihr bei Nature Communications.
Permafrostböden gehören wie das Schmelzen der Eisschilde zu ökologischen Kipppunkten, doch auch sogenannte soziale Kipppunkte sind von großer Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise.
Klimawandel: Folgen für Koralle, Mensch & Co
Pressemitteilung, 31.03.2023, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Modellierungen zeigen Auswirkungen der zukünftigen globalen Erwärmung auf das Ökosystem Korallenriff
Ein Forschungsteam – unter ihnen Senckenberg-Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Angelika Brandt, Dr. Marianna Simões und Dr. Hanieh Saeedi – hat die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das Ökosystem Korallenriff untersucht. In ihrer im Fachjournal „Progress in Oceanography“ erschienenen Studie zeigen sie unter anderem, dass 90 Prozent der untersuchten Warmwasserarten in ihren aktuellen Verbreitungsgebieten als Folge des Klimawandels nicht überlebensfähig sind. Global wird es laut den Forschenden und unter Annahme verschiedener Klimaszenarien zu einer geographischen Verlagerung zahlreicher Arten sowie zu Massenaussterbeereignissen in den Meeren kommen.
Der geschätzte Vermögenswert für Korallenriffe beläuft sich auf eine Billion US-Dollar. Die marinen Ökosysteme bieten eine direkte Lebensgrundlage für etwa 500 Millionen Menschen, allein in Asien versorgen sie eine Milliarde Menschen mit Nahrungsmitteln. Mehr als 150.000 Kilometer Küstenlinie werden von Riffen geschützt. „Angesichts der Bedeutung von Korallenriffen auch für unser eigenes Wohlergehen ist es enorm wichtig, diese Ökosysteme gesund zu erhalten“, erläutert Prof. Dr. Angelika Brandt vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Schon heute hat sich die globale Temperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um ein Grad Celsius erhöht, sie steigt aktuell um weitere 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt – mit massiven Auswirkungen auch auf das Ökosystem Korallenriff. 29 Korallenriffe mit Welterbestatus sind jetzt schon durch die Erderwärmung akut bedroht.“
Meeresforscherin Brandt, Erstautorin der Studie Dr. Chhaya Chaudhary vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und weitere Forschende von Senckenberg und der kanadischen Victoria-Universität haben in ihrer aktuellen Studie die Auswirkungen der zukünftigen globalen Erwärmung auf Korallenriffe und die darin lebenden Arten untersucht. Dabei legten sie zwei Klimaszenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu Grunde, anhand derer sie die Auswirkungen für 57 Organismengruppen aus Korallen, Mollusken, Fischen, Krebstieren und Polychaeten in warmen, kalten, flachen und tiefen Gewässern für die Gegenwart und die Jahre 2050 und 2100 modellierten.
„Laut unseren Ergebnissen werden wir im Zuge der globalen Erwärmung 90 Prozent der 30 untersuchten Warmwasserarten im Südchinesischen Meer, dem Indo-West Pazifik, dem Karibischen Meer, dem Golf von Mexiko oder vor der Nordküste Australiens, verlieren. Die Verbreitungsgebiete werden sich unter den angenommenen zukünftigen Klimabedingungen deutlich nach Süden verlagern“, erklärt Chaudhary, die während des Forschungsprojekts als Postdoktorandin bei Senckenberg beschäftigt war.
Die 27 untersuchten Kaltwasserarten reagierten unterschiedlich auf die modellierten Temperaturerhöhungen: Die meisten Arten der nördlichen gemäßigten Breiten konnten sich unter den neuen Bedingungen ausbreiten, während die arktischen Arten allesamt zurückgingen. „Unabhängig von ihrer taxonomischen Gruppe gelingt es Arten mit größeren Verbreitungsgebieten sich besser an den Klimawandel anzupassen – eine Zunahme von Generalisten und eine Abnahme von spezialisierten, endemischen Arten könnte die Folge sein“, ergänzt Dr. Hanieh Saeedi vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.
Neben der geographischen Verschiebung der Korallenriff-Verbreitungsgebiete warnen die Wissenschaftler*innen auch vor einem Artensterben in den Meeren der Tropen, Teilen der nördlichen gemäßigten Regionen und der gesamten Arktis als Folge des Klimawandels. „Vor etwa 125.000 Jahren gab es schon einmal solch ein Aussterbeevent bei tropischen Korallen, das auf veränderte Klimabedingungen zurückzuführen ist. Solche Ereignisse können unter anderem zu einer Destabilisierung der Räuber-Beute-Dynamik in den Korallenriffen und der damit verbundenen Nahrungskette führen – mit negativen Auswirkungen für den menschlichen Lebensunterhalt, die Fischerei, den Tourismus und den Küstenschutz“, so Chaudhary.
Brandt resümiert: „Unsere globalen Projektionen zeigen die Regionen, in denen es durch den Klimawandel zu einem potenziellen Verlust oder Gewinn von Arten kommen kann. Jedes Ungleichgewicht in den Populationen der Korallenriffe wirken sich auch auf die Produktivität dieser Ökosysteme aus. Entscheider*innen sollten unsere Ergebnisse nutzen, um die biologische Vielfalt zu schützen und das menschliche Wohlergehen in den betroffenen Ländern und Regionen zu erhalten!“
Diese Pressemittelung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
Forscher:innen haben Genabschnitte von Korallen untersucht, die mit einer natürlichen Hitzetoleranz in Verbindung stehen könnten. Hier findet ihr weitere Infos und die dazugehörige Podcastfolge vom Deutschlandfunk.
Lemke: Mit Natürlichem Klimaschutz Ökosysteme stärken und gegen Klimakrise angehen
Pressemitteilung, 29.03.2023, BMUV
Bundesregierung verabschiedet Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz zur Stärkung und Wiederherstellung von Ökosystemen
Das Bundeskabinett hat heute das von Bundesumweltministerin Steffi Lemke vorgelegte Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) verabschiedet. Mit dem ANK will die Bundesregierung dazu beitragen, den allgemeinen Zustand der Ökosysteme in Deutschland deutlich zu verbessern und so ihre Resilienz und ihre Klimaschutzleistung zu stärken. Natürliche Lebensräume wie Moore, Wälder, Wildnis, Auen, Meere und Küsten sollen besser geschützt und widerstandsfähiger werden, um dauerhaft zu den nationalen Klimaschutzzielen beizutragen. Hierzu verbindet das ANK Klimaschutz mit Naturschutz und hilft dabei, die Klimakrise zu bekämpfen, die biologische Vielfalt zu erhalten und gegen die Folgen der Klimakrise vorzusorgen. Das Aktionsprogramm enthält insgesamt 69 Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern. Für die Finanzierung stehen bis 2026 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land: Sie alle können Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und langfristig speichern. Sie sind Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten und wirken als Puffer gegen Folgen der Klimakrise, indem sie zum Beispiel Wasser in der Landschaft halten und bei Hitze für Abkühlung sorgen. Tagtäglich erbringt die Natur so für uns viele lebenswichtige Dienstleistungen, allerdings nur solange Ökosysteme intakt sind. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz schaffen wir jetzt gezielt Anreize und Angebote, um Ökosysteme wiederherzustellen und widerstandsfähiger zu machen. Das ist ein echter Paradigmenwechsel hin zur Wiederherstellung von Natur und eine gute Nachricht für den Klimaschutz, für die Natur, für Tiere, Pflanzen und natürliche Lebensräume. Und es ist eine gute Nachricht für uns alle. Denn überall dort, wo wir die Natur schützen und stärken, arbeitet sie auch für uns.“
Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz soll mit insgesamt 69 Maßnahmen in dreifacher Hinsicht für die Verbesserung von Ökosystemen wirken: Erstens sind intakte Ökosysteme natürliche Klimaschützer. Wälder und Moore, Meere und Gewässer, Grünflächen in der Stadt und auf dem Land binden CO2 aus der Luft und speichern es langfristig. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz leistet daher einen wichtigen Beitrag, um die im Bundes-Klimaschutzgesetz verankerten Ziele für den Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wald (LULUCF) und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Zweitens ist eine intakte Natur Lebensraum für viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Natürlicher Klimaschutz hilft deshalb dabei, die ehrgeizigen Verpflichtungen der Weltnaturkonferenz in Montreal umzusetzen. Und drittens hilft natürlicher Klimaschutz entscheidend dabei, Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise zu treffen. Denn gesunde Ökosysteme wie Flussauen, Moore und Wälder halten das Wasser in der Landschaft, können es für Dürrezeiten speichern und stehen bei Hochwasser als Überschwemmungsflächen zur Verfügung. Das ANK ist hier eng mit der Nationalen Wasserstrategie verknüpft, die das Kabinett vor zwei Wochen verabschiedet hat.
Hintergrundinformationen:
Das Programm enthält 69 Maßnahmen in insgesamt zehn Handlungsfeldern: zum Beispiel zu Mooren, Waldökosystemen, Meeren und Küsten, Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie zu Forschung und Kompetenzaufbau. Für die Umsetzung stehen bis 2026 vier Milliarden Euro bereit.
Für eine zügige Umsetzung sollen erste Maßnahmen rasch anlaufen. Bis zum Sommer soll das Kompetenzzentrum für Natürlichen Klimaschutz eingerichtet werden, damit sich Interessierte wie beispielsweise Landbesitzende über passende Fördermöglichkeiten informieren können. Eine erste Förderrichtlinie für Natürlichen Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum soll in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. In kommunalen Projekten sollen Flächen gezielt so genutzt werden, dass sie Klimaschutz und biologische Vielfalt fördern, ländliche Gebiete attraktiver machen und zur Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise beitragen. Und ein Maßnahmenpaket Stadtnatur soll noch in diesem Jahr starten, zum Beispiel um städtische Flächen zu entsiegeln, bestehende Grünflächen naturnah umzugestalten und Stadtbäume zu pflanzen.
Das ANK ist Ergebnis eines umfassenden Beteiligungsprozesses aus dem letzten Herbst. Rund 120 Stellungnahmen und über 1.000 Online-Kommentare wurden inhaltlich eingehend geprüft. Zur Umsetzung wurden die Grundlagen für eine breite Allianz mit Landbesitzenden, Naturschützerinnen und -schützern und Verantwortlichen vor Ort gelegt. Die Maßnahmen des ANK setzen insbesondere auf finanzielle Anreize, um eine freiwillige Umsetzung von Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes zu unterstützen. Flankiert werden diese Maßnahmen unter anderem durch eine Überprüfung des Rechtsrahmens, insbesondere um die Umsetzung der geförderten Projekte zu erleichtern, Beratungs- und Bildungsangebote, moderne Vorhaben aus Forschung und Innovation sowie ein umfassendes Monitoring.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.
Das ANK verbindet Klimaschutz mit Naturschutz – beides ist unumgänglich für einen erfolgreichen Schutz unserer Meere.
Weniger Meereis, mehr Hering
Pressemitteilung, 27.03.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Alte DNA aus dem Meeresgrund verrät, wie tiefgreifend der Klimawandel die marinen Ökosysteme der Arktis verändern könnte
[27. März 2023] Noch überziehen sich die Meere der Polargebiete jedes Jahr für Wochen oder Monate mit einem gefrorenen Panzer. Doch der Klimawandel lässt dieses Meereis zunehmend schwinden. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt nun, welche drastischen Folgen das für die dortigen Ökosysteme haben kann: Beim Übergang von saisonal vereisten zu eisfreien Bedingungen kann sich demnach die komplette Lebensgemeinschaft verändern. Das schließt ein Team vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam aus der Analyse von alter DNA aus dem Meeresgrund. Solche Umbrüche können auch Konsequenzen für die Fischerei und das globale Klima haben, warnen die Fachleute im Wissenschaftsjournal Nature Communications.
Der Eisschwund in den Polarmeeren könnte der Beginn tiefgreifender Veränderungen im Ökosystem sein. „Welche langfristigen Folgen die geringe sommerliche Meereisbedeckung für die Meeresbewohner hat, ließ sich bisher nur schwer einschätzen, weil entsprechende Langzeituntersuchungen fehlten“, erklärt Prof. Dr. Ulrike Herzschuh, Leiterin der Forschungsgruppe Polare Terrestrische Umweltsysteme am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Potsdam. Im Team mit ihren AWI-Kolleginnen Heike Zimmermann und Kathleen Stoof-Leichsenring sowie Forschenden der Jacobs University Bremen und dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat sie jetzt einen Blick rund 20.000 Jahre zurück bis in die letzte Eiszeit geworfen.
Informationen über die jeweiligen Umweltverhältnisse lassen sich aus den Ablagerungen herauslesen, die sich im Laufe der Jahrtausende am Grund des Meeres angesammelt haben. „Diese Sedimente sind ein natürliches Archiv der Klimageschichte“, sagt Ulrike Herzschuh. Wer das Material mit einem Bohrer an die Oberfläche holt, kann in den unterschiedlich alten Schichten die Spuren längst verstorbener Meeresbewohner finden. Mithilfe der sogenannten Shotgun-Sequenzierung hat das Team DNA von Vertretern aus 167 Familien von Meeresbewohnern gefunden, deren Lebensraum das Eis oder das freie Wasser ist. „Wir waren selbst überrascht, dass in diesen alten Sedimenten Informationen über das komplette Ökosystem stecken“, sagt Ulrike Herzschuh.
Typisch für die kälteren Phasen der letzten Eiszeit waren demnach Diatomeen und andere Algen, die in oder unter dem Meereis leben. Diese winzigen Sauerstoffproduzenten waren eine beliebte Nahrungsquelle für Ruderfußkrebse, die ihrerseits von Fischen aus der Familie der Dorsche wie dem Pazifischen Kabeljau, dem Alaska-Seelachs und dem Polardorsch gefressen wurden. In den wärmeren Epochen ohne Eis gab es dagegen deutlich weniger Diatomeen und Ruderfußkrebse, dafür aber umso mehr Cyanobakterien. Am Meeresgrund breiteten sich in geschützten Buchten Seegraswiesen aus und statt der Dorsche schwammen in der Beringsee mehr Lachse und Pazifische Heringe.
„Wir können damit nun zum ersten Mal zeigen, wie sich mit dem Rückgang des Meereises das komplette Ökosystem umbaut“, resümiert Ulrike Herzschuh. „Das fängt bei den Algen an und geht bis zu den Fischen und Walen.“ Ähnlich tiefgreifende Veränderungen erwartet das Team auch für eine wärmere und weitgehend eisfreie Zukunft. Das aber könnte massive ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen haben. So wird sich der Fang einiger beliebter Speisefische wie Seelachs und Kabeljau in der Beringsee womöglich nicht mehr lohnen. Dafür könnten der Buckellachs und der Pazifische Hering weiter nach Norden vordringen.
Dazu kommt, dass die Planktongesellschaften unter eisfreien Bedingungen wohl auch weniger Kohlenstoff in die Tiefe transportieren und in den Sedimenten deponieren. Möglicherweise können die Meere dann nicht mehr so viel Kohlendioxid speichern, was den Klimawandel weiter anheizen würde. Das Verschwinden des Meereises könnte also auch dazu führen, dass diese Ökosysteme wichtige Dienstleistungen nicht mehr in gewohntem Umfang bereitstellen können.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Die Originalpublikation „Marine ecosystem shifts with deglacial sea-ice loss inferred from ancient DNA shotgun sequencing“ findet ihr bei Nature Communications.
Diese neuen Forschungserkenntnisse bestätigen wieder einmal, dass Klimaschutz mit Meeresschutz einhergeht – und umgekehrt.
Flüssig-Gasinfrastruktur in der Ostsee zerstört Ökosysteme
Pressemitteilung, 17.03.2023, WWF
Ostseeschutzallianz warnt vor verheerenden Auswirkungen für die Meeresnatur
Die in der Ostseeschutzallianz MV kooperierenden Umweltverbände BUND, NABU und WWF warnen vor der Umsetzung der geplanten Errichtung von festen Gas-Terminals mit großen Regasifizierungseinheiten sowie einer weiteren Gas-Pipeline durch den Greifswalder Bodden und Seetrassen durch die Ostsee.
„Sowohl der Bau als auch der langdauernde Betrieb werden zur Zerstörung empfindlicher und geschützter Lebensräume, zur Dauerbelastung bedrohter Meeressäugetiere, Rast- und Zugvögel sowie nicht zuletzt der Fischwanderrouten und des bedeutendsten Heringslaichgebietes der westlichen Ostsee führen. Für diesen Naturraum und seine Funktionsfähigkeit trägt Mecklenburg-Vorpommern die Verantwortung und steht in der Pflicht, die dort ausgewiesenen Meeresschutzgebiete auch tatsächlich landes- und EU-rechtskonform zu schützen“, sagt NABU-Landesgeschäftsführerin Dr. Rica Münchberger.
Studien zeigen sehr klar auf, dass durch die bestehenden und geplanten Vorhaben zur Anlandung von LNG deutlich mehr Gas-Kapazitäten geschaffen würden, als benötigt werden. Deutschland hat bereits 2022 LNG über Frankreich, die Niederlande und Belgien importiert und kann das auch zukünftig fortsetzen. Ein Bedarf an weiteren Anlagen im Küstenraum Mecklenburg-Vorpommerns besteht nicht. Weitere Studien belegen zudem, dass es in absehbarer Zeit zu einer LNG-Knappheit auf dem Weltmarkt kommen könnte. Nicht die Anlandungsinfrastruktur, sondern die LNG-Verfügbarkeit wird damit zum Flaschenhals bei der Versorgung Deutschlands und Europas mit Gas.
Ein weiterer Ausbau der auf LNG ausgerichteten Infrastruktur trägt zudem dazu bei, die globale Erderhitzung zu verstärken, indem die notwendige Abkehr von klimaschädlichen Energieträgern auf Kosten von Natur, Umwelt und Menschen erheblich in die Zukunft verschoben wird. „Rechtlich sind die Zerstörungen und Beeinträchtigungen durch die geplanten LNG-Vorhaben unhaltbar. Der geplanten Belastung der insgesamt vier Europäischen Natura 2000 -Schutzgebiete steht nachweislich kein begründeter nationaler Bedarf gegenüber. Die prognostizierten Anlande- und Durchflussmengen von Flüssiggas sind nicht mit den Klimaschutzzielen Deutschlands vereinbar. Sie behindern stattdessen die notwendigen Schritte der Energiewende und zementieren die Nutzung fossiler Energieträger. Durch das geplante Projekt sind Lock-in-Effekte zu erwarten, welche die fossile Abhängigkeit Deutschlands und auch Osteuropas verlängern. Auch sicherheitspolitische Redundanzen überzeugen hier nicht“, sagt BUND-Geschäftsführerin Corinna Cwielag.
Eine Auseinandersetzung mit diesen Fakten fehlt in der Planung des Vorhabens vollständig, sind sich die Vertreter der Ostseeschutzallianz einig. Stattdessen soll dieser so schwerwiegende zerstörerische Eingriff in das Ökosystem wider besseres Wissen in Kauf genommen werden.
„Wir haben die schwindende Biodiversität und den fortschreitenden Klimawandel als planetare Krisen, die wir gemeinsam und schnell lösen müssen. Der Wille, der in der fehlgeleiteten Beschleunigung zur LNG-Infrastruktur erkennbar ist, muss nun als Booster für erneuerbare und grüne Infrastruktur eingesetzt werden. Die Behördenleitungen müssen das Ermöglichungs-Mind-Set auf das überragende öffentliche Interesse für den Klima- wie auch den Naturschutz konzentrieren“, sagt der Leiter des WWF-Büros Ostsee, Dr. Finn Viehberg.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.
Das Bild zeigt ein LNG-Terminal im Wilhelmina-Hafen in den Niederlanden.
LNG-Flüssiggas trägt nicht zur Luftverschmutzung bei, erhöht aber sogar den Methanausstoß bei Schiffen, die es verwenden. Nicht nur deshalb fordern Umweltverbände, LNG-Terminals auf den Prüfstand zu stellen.
Abkühlung von Teilen der Arktis kehrt sich offenbar um
Bereits im Jahr 2010 wurde festgestellt, dass in der Arktis seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend zu beobachten ist:
Pressemitteilung, 29.07.2010, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung
– neue Daten deuten auf rapiden Temperaturanstieg in kältester Region
des europäischen Festlands hin
Moskau/ Stuttgart/ Halle(Saale). Teile der Arktis haben sich im letzten Jahrhundert deutlich abgekühlt. Seit 1990 steigen die Temperaturen jedoch auch dort stark an. Das geht aus einer Rekonstruktion der Sommertemperaturen der letzten 400 Jahre mit Hilfe von Baumringen aus Regionen nördlich des Polarkreises hervor. Dazu analysierten deutsche und russische Forscher das Baumwachstum mit Hilfe von Jahresringen von der russischen Kola-Halbinsel und verglichen es mit drei ähnlichen Untersuchungen von anderen Orten in der Arktis. Seit dem Jahre 1600 hat die rekonstruierte Sommertemperatur auf Kola in den Monaten Juli und August zwischen 10,4°C (1709) und 14,7 °C (1957) gelegen – bei einem Mittelwert von 12,2 °C über die letzten 400 Jahre. Nach einer Phase der Abkühlung ist seit 1990 ein anhaltender Erwärmungstrend beobachtbar. „Die Daten deuten auf einen starken Einfluss der Sonnenaktivität auf die Sommertemperaturentwicklung hin, der allerdings seit 1990 von anderen Faktoren überlagert wird“, schreiben Wissenschaftler der Moskauer Instituts für Geographie, der Universität Hohenheim und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Fachblatt Arctic, Antarctic and Alpine Research.
Für die Untersuchungen verwendeten die Forscher Holzproben von insgesamt 69 Waldkiefern (Pinus sylvestris) aus dem Khibiny-Gebirge auf der Kola-Halbinsel unweit der Grenze zu Finnland zwischen dem Polarkreis und dem Nordmeerhafen Murmansk. Die Untersuchungsregion befindet sich in der Übergangszone zwischen dem von Golf- bzw. Nordatlanikstrom geprägten Skandinavien und den kontinentalen Gebieten Eurasien. Diese Grenzlage macht diese Region besonders interessant für klimatologische Studien.
Auf Kola herrscht ein kalt-gemäßigtes Klima mit langen, mittelkalten Wintern und kalten feuchten Sommern. Die Temperatur schwankt in diesem Teil der Arktis im Mittel zwischen -12°C im Januar und +13°C im Juli, bei einer Wachstumsphase für die Bäume von nur 60 bis 80 Tagen. Die Vegetation an den nördlichen Ausläufern der Taiga wird von Fichten, Kiefern und Birken geprägt. Die Proben stammten von drei Standorten in Khibiny Gebirge in der Nähe der heutigen Höhenbaumgrenze zwischen 250 und 450m über dem Meeresspiegel. Die geografische (nördliche) Baumgrenze verläuft etwa 100 Kilometer weiter nördlich. In früheren Studien konnten die Forscher um Tatjana Böttger vom UFZ zeigen, dass die Kiefernwälder auf der Kola-Halbinsel vor 7000 bis 3500 Jahren bereits ca. 50 Kilometer weiter im Vergleich zu Ihrer heutigen nördlichen Position nach Norden reichten. Für diese Studie haben die Forscher jedoch Bäume von der Höhen-Baumgrenze verwendet, da diese sehr sensibel auf Temperaturschwankungen reagieren und besonders aussagekräftig sind wie auch US-Amerikanische Forscher im November 2009 im Fachblatt PNAS demonstrierten als sie mit Hilfe einer langlebigen Kiefernart in Kalifornien und Nevada nachwiesen, dass diese Bäume in den letzten 50 der vergangenen 3500 Jahre aufgrund von gestiegenen Temperaturen besonders stark gewachsen waren.
Im Institut für Botanik der Universität Hohenheim in Stuttgart maßen die deutschen Forscher die Breite der einzelnen Jahresringe. Die Kalibrierung der Jahresringchronologien mit Hilfe der meteorologischen Wetteraufzeichnungen der letzten 127 Jahre und die Auswertung der Ergebnisse erfolgte zusammen mit dem Institut für Geographie der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW) in Moskau und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. „Neben Temperatur, hängt das Wachstum stark auch von nichtklimatischen Faktoren wie Licht, Nährstoffen, Wasserversorgung und Konkurrenz zu anderen Bäumen ab. Es ist daher entscheidend, diese Trends zu isolieren, um das möglichst reine Klimasignal zu erhalten“, erklärt Yury M. Kononov von der RAW in Moskau.
Nach der Rekonstruktion der Sommertemperaturen auf der Kola-Halbinsel verglichen die Forscher ihre Ergebnisse mit ähnlichen Untersuchungen an Baumringen aus dem schwedischen Lappland sowie von der Yamal- und Taimyr-Halbinsel im sibirischen Teil Russlands, die bereits 2002 im Fachblatt Holocene veröffentlicht worden waren. Die rekonstruierten Sommertemperaturen der letzten vier Jahrhunderte ähneln sich zwischen Lappland, der Kola- und Taimyr-Halbinsel insofern, dass alle drei Datenreihen ein Temperaturmaximum in der Mitte des 20. Jahrhunderts zeigen, auf das eine Abkühlung um ein bis zwei Grad folgte. Lediglich die Datenreihe der Yamal-Halbinsel erreichte ihr Maximum erst um etwa 1990. Auffällig an den Daten der Kola-Halbinsel ist, dass die höchsten Werte im Zeitraum um die Jahre 1935 und 1955 ermittelt wurden und die Kurve bis 1990 auf das Niveau von 1870 sank, was dem Beginn des industriellen Zeitalters entspricht. Seit 1990 erhöhten sich die Temperaturen dagegen wieder deutlich. Auffällig an den neuen Daten ist, dass die rekonstruierten Temperaturminima gerade mit Zeiten niedriger Sonnenaktivität zusammenfallen. Daher vermuten die Forscher, dass in der Vergangenheit die Sonnenaktivität einen wesentlichen Beitrag zu den Schwankungen der Sommertemperaturen der Arktis beigetragen hat. Allerdings ist dieser Zusammenhang nur bis 1970 deutlich, dann gewinnen andere, möglicherweise regionale Besonderheiten, die Oberhand. „Sicher ist nur: Dieser Teil der Arktis hat sich nach der Ende der Kleinen Eiszeit vor ca. 250 Jahren erwärmt, ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts abgekühlt und erwärmt sich seit 1990 wieder“ so die Paleoklimatologin Dr. Tatjana Böttger vom UFZ.
Im September 2009 hatte eine internationale Forschergruppe Modellrechnungen präsentiert, wonach sich die Arktis in den letzten zwei Jahrtausenden bis zum Beginn des Industriezeitalters um etwa 0,2 °C pro Tausend Jahre langsam abgekühlt hat und dafür ein langsames Nachlassen der Sonneneinstrahlung im Sommer verantwortlich gemacht. Allerdings sei das letzte Jahrzehnt das wärmste seit Beginn der Zeitrechnung gewesen und habe 1,4°C über der Prognose gelegen, so Darrell S. Kaufman und Kollegen im Fachblatt Science. Die neuen Daten von Kononov, Friedrich und Böttger stützen diese These, wonach die Sonnenaktivität in der Vergangenheit einen wesentlichen Einfluss auf die Sommertemperaturen in der Arktis hatte, dieser aber in den letzten Jahrzehnten stark abgeschwächt ist.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung.
Neben der voranschreitenden Erwärmung und das Schmelzen des Eises wird das Ökosystem Arktis auch durch zunehmende Versauerung und Plastikverschmutzung immer stärker bedroht.
Warum Ökonomen Walen ein Preisschild verpassen wollen
Ein Podcast zum immer mehr beachteten Aspekt, wie Wale zum Klimaschutz beitragen können.
Mit unserem langjährigen Kollegen Fabian Ritter von WDC und M.E.E.R. e.V., einem der fachkundigsten Experten auf diesem Gebiet.
Den Podcast findet ihr beim Spiegel.
Wenn ihr mehr von Fabian Ritter hören beziehungsweise lesen wollt, können wir euch sein Buch „Die Insel der Delfine“ sehr empfehlen. Mit Fotografien aus 25 Jahren Feldforschung auf dem Meer beschreibt er darin die am häufigsten gesichteten Wal- und Delfinarten vor La Gomera – jeweils ergänzt durch einen „Magischen Moment“ während der Beobachtung – sowie Seevögel und Schildkröten.
Der weltweit steigende Schiffsverkehr wird zunehmend zur Bedrohung von Walen, da diese immer häufiger mit Schiffen zusammenstoßen. Was man dagegen tun kann, könnt ihr in unserem Beitrag „Wie man einen Wal rettet“ nachlesen. Neben der Gefahr einer Kollision verursacht jedes Schiff zusätzlich Lärm, der für Wale lebensbedrohlich werden kann, indem er ihre Kommunikation und ihre natürlichen Verhaltensweisen beeinträchtigt.
Soziale Kipppunkte im Klimawandel: Große Veränderungen mit Zuversicht bewirken
Kipppunkte, wie das Korallensterben, die irreversible Szenarien auslösen, sind im Kampf gegen die Klimakrise allgegenwärtig. Doch auch sogenannte soziale Kippunkte gewinnen beim Klimaschutz immer mehr an Aufmerksamkeit.
Durch „soziale Ansteckung“ kann das Verhalten von einigen wenigen das Verhalten von vielen erheblich beeinflussen. Da wir gesellschaftliche Wesen sind und uns Verhaltensweisen abgucken, lassen wir uns besonders von anderen Menschen zum Handeln bewegen. Das Gefühl der Ohnmacht und Kontrollverlust, das oft zum Nichtstun führt, kann durch das Handeln in der Gruppe deutlich reduziert werden. Laut einer Studie sind soziale Kipppunkte erreicht, wenn etwa ein Viertel der Bevölkerung von einer neuen Richtung überzeugt ist. Dieser soziale Wandel ist entscheidend, um unsere Klimaziele einzuhalten. Neben klimafreundlichem Handeln, wie Flugreisen und Autofahren zu vermeiden, grüne Energie zu nutzen und vegetarisch oder vegan zu leben, ist es besonders wichtig, über klimafreundliches Verhalten zu reden und mehr Menschen darauf aufmerksam zu machen.
Den zugehörigen Beitrag „Große Veränderungen mit Zuversicht bewirken“ vom 08.02.2023 findet ihr beim Deutschlandfunk.
Das Schmelzen der Permafrostböden und der Eisschilde zählt unter anderem zu den Kipppunkten und löst eine sich selbst verstärkende Rückkopplung aus. Durch das Schmelzen des Permafrosts aufgrund der Erderwärmung werden große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, die wiederum zur Klimakrise beitragen und weiteres Schmelzen vorantreiben.
Küstenschütz mit Salzwiesen: Gegen die Flut wächst ein Kraut
Salzwiesen können dabei helfen, die Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.
Das schmelzende Landeis in Grönland und der Antarktis, sowie die Ausdehnung von wärmerem Wasser sind hauptsächlich für den steigenden Meeresspiegel verantwortlich. Dieser ist auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog im letzten Jahrhundert um knapp 20 Zentimeter gestiegen. Bis zum Jahr 2150 ist mit einem Anstieg von bis zu 90 Zentimetern zu rechnen – auch wenn wir unsere Treibhausgasemissionen ab jetzt deutlich reduzieren würden. Auch werden Sturmfluten stärker und häufiger, weshalb immer mehr Geld in den Küstenschutz in Form von Deichen und Mauern gesteckt werden muss. Ob diese auch in Zukunft ausreichend Schutz bieten, ist allerdings fraglich. Hier kommen die Seegraswiesen ins Spiel. Die über 45 Pflanzenarten, die auf den Salzwiesen wachsen, stabilisieren den Boden mit ihren Wurzeln und ihre Halme bremsen die Wassermassen ab. Durch diese Pufferzone verlieren die Wellen an Energie und werden kleiner – Deiche müssten dadurch weniger hoch gebaut werden. Dies hat sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile.
Salzwiesen schützen nicht nur uns Menschen, sie bieten außerdem Brut-, Rast-, und Futterplätze für ungefähr 50 Vogelarten sowie Lebensraum für über 1500 Arten an wirbellosen Tieren. Zusätzlich sind Salzwiesen natürliche Kohlenstoffdioxidsenken und können große Mengen an CO2 speichern, weshalb sie von großer Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise sind.
Den zugehörigen Artikel „Gegen die Flut wächst ein Kraut“ von Thea Marie Klinger vom 04.02.2023 findet ihr bei der taz.
Warum Klimaschutz nicht ohne Meeresschutz möglich ist, könnt ihr in der Pressemitteilung vom NABU „Meeresschutz ist Klimaschutz“ nachlesen.
CO2-Entnahme aus Atmosphäre für Klimaschutz unverzichtbar
Pressemitteilung, 31.01.2023, MARUM
CDRmare-Jahrestagung legt Fokus auf meeresbasierte Methoden
Die Zeit drängt: Weltweit mahnt die Forschung, dass es bald kaum noch möglich sein wird, den menschengemachten Klimawandel soweit aufzuhalten, dass die international vereinbarten Klimaziele eingehalten werden. Selbst eine umgehend realisierte drastische Reduktion der Kohlendioxid (CO2)-Emissionen reicht nach aktuellem Stand dafür nicht mehr aus, sondern wird durch zusätzliche CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ergänzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund startet heute in Stralsund die 2. Jahrestagung der Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung, auf der sich rund 200 Expert:innen drei Tage lang zu meeresbasierten Methoden der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre austauschen.
Die Forschungsmission CDRmare – kurz für „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ (CDR = Carbon Dioxide Removal = Kohlendioxidentnahme) – wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für aktuell drei Jahre mit rund 26 Millionen Euro gefördert und bündelt die Expertise von insgesamt 22 Forschungseinrichtungen, Behörden und Unternehmen. Koordiniert am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), befassen sich seit August 2021 Wissenschaftler:innen in sechs Forschungsverbünden mit verschiedenen Methoden, die darauf zielen, das Potenzial des Ozeans auszubauen, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern. Dabei werden auch Risiken und mögliche Auswirkungen solcher Methoden auf die Meeresumwelt und das Erdsystem, sowie die gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Aspekte solcher Maßnahmen erforscht.
Während der zweiten CDRmare-Jahrestagung im Stralsunder Ozeaneum werden jetzt die seit Missionsbeginn erzielten Arbeitsergebnisse diskutiert. Konkret geht es dabei um die folgenden Ansätze der meeresbasierten CO2-Entnahme aus Atmosphäre: 1. Die Erhöhung des Säurebindungsvermögens von Meerwasser – z.B. durch Einbringen von Gesteinsmehl – soll die CO2-Aufnahme des Ozeans aus der Atmosphäre verstärken. 2. Künstlich erzeugter Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser in bestimmten Meeresgebieten soll die Bindung von atmosphärischem CO2 in Algenbiomasse steigern. 3. In vegetationsreichen Küstenökosystemen, insbesondere Seegraswiesen, Salzmarschen und Mangroven, soll das Kohlenstoffspeicherpotenzial gezielt gestärkt werden. 4. Für bestimmte, bisher noch nicht entsprechend genutzte Gebiete sollen Machbarkeit und Rahmenbedingungen der CO2-Speicherung unter dem Meeresboden erforscht werden. Das Spektrum der Forschungsansätze von CDRmare reicht von Laboruntersuchungen über Mesokosmenstudien in natürlichen Ökosystemen und Studien in tropischen Mangrovenwäldern bis hin zu regionaler und globaler Modellierung.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärt anlässlich des CDRmare-Jahrestreffens: „Um den Klimawandel entschieden zu bekämpfen, müssen wir auch auf Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und zur Speicherung setzen. Das betont auch der Weltklimarat IPCC in seinen letzten Berichten. Wir müssen die Speicherung von CO2 im industriellen Maßstab kurzfristig zulassen, um schnell in die Umsetzung zu kommen. Die dafür notwendige Gesetzesänderung muss in jedem Fall die weitere Forschung ermöglichen, ohne die der Wissenschaftsstandort Deutschland seinen Anschluss in diesem Bereich verlieren würde. Das Bundesforschungsministerium hat die Forschung an diesem Zukunftsthema bereits frühzeitig gefördert. Mit insgesamt rund 50 Millionen Euro unterstützen wir schon jetzt die Erforschung landbasierter und mariner CO2-Entnahme-methoden, wie bei CDRmare, damit Deutschland künftig eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Jetzt kommt es darauf an, die technologischen und regulatorischen Grundlagen zeitnah zu legen.“
„Der Ozean ist bereits jetzt Hauptakteur für den Klimaschutz und nimmt jedes Jahr etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf und bremst somit die Erderwärmung. Angesichts der Tatsache, dass die Menschheit Mitte des Jahrhunderts selbst bei massiver Emissionsreduktion wohl immer noch 5 bis 15 % der heutigen CO2-Emissionen ausstoßen wird, ist es immens wichtig, alle Optionen zu erforschen, mit denen diese Restemissionen durch Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kompensiert und eine netto Emissionsnull erreicht werden kann. Der Ozean kann hier eine wichtige Rolle spielen. Wir erforschen, wie diese Rolle im Einklang von Meeresschutz und Klimaschutz aussehen könnte“, kommentiert CDRmare-Co-Sprecher Andreas Oschlies, Ozeanograph und Klimamodellierer am GEOMAR, den Tagungsauftakt. „Wichtig ist uns dabei, dass die Ergebnisse von CDRmare konkret umsetzbare Handlungsoptionen bereitstellen, auf deren Basis die nötigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft getroffen werden können. Dabei gilt es auch, mögliche Umweltrisiken, Nutzungskonflikte und Verteilungsungerechtigkeiten zu untersuchen. Deswegen führen wir unsere Forschung im engen Dialog mit den jeweiligen gesellschaftlichen Interessengruppen durch und sind daher froh, dass einige der entsprechenden Akteure hier auf der Tagung anwesend sind“, ergänzt Gregor Rehder, IOW-Meereschemiker und ebenfalls Co-Sprecher von CDRmare.
Beide CDRmare-Sprecher sind sich einig, dass die Forschungsmission eine positive Halbzeit-Bilanz für die erste Förderphase verzeichnen kann: Alle Forschungsverbünde seien erfolgreich und intensiv in die praktischen Arbeiten eingestiegen – etwa mit verschiedensten Laboruntersuchungen, Mesokosmen-Experimenten, sowie Seereisen und küstennahen Probennahme-Kampagnen im In- und Ausland, aber auch mit Technologie-entwicklung für ein eventuelles Monitoring und mit ersten Modellierungsstudien zur Extrapolation der Ergebnisse auf größere Meeresgebiete. „Auch die übergreifende Vernetzung der CDRmare-Forschenden und das institutionenübergreifende Datenmanagement, beides immens wichtig bei einer so groß angelegten Forschungsmission mit vielen institutionellen Partnern, sind gut etabliert. Darüber hinaus hat der Wissens-transfer mit Politik und Gesellschaft bereits begonnen, beispielsweise mit der Erstellung von Faktenblättern zu den verschiedenen meeresbasierten CDR-Ansätzen und Dialogveranstaltungen speziell für politische Ent-scheidungstragende und die interessierte Öffentlichkeit“, so das positive Resümee von Oschlies und Rehder.
Neben der intensiven Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten dient die Tagung außerdem dazu, die weitere Forschungsplanung im Rahmen von CDRmare voranzutreiben, insbesondere auch perspektivisch für die angestrebte zweite Förderperiode ab Sommer 2024.
– Gemeinsame Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde und des GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel –
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Mehr über Methoden zur CO2-Entnahme erfahrt ihr bei dem Projekt OceanNETS, dass in einem norwegischen Fjord Experimente mit Gesteinsmehl durchgeführt hat.