Das Buch "Die Geschichte des Wassers" an Ufer eines kleinen Flusses mitten in der Natur„Die Geschichte des Wassers“
Eine Geschichte, die nachwirkt

Es ist mitten im Jahrhundertsommer 2018, als ich „Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde aufschlage. Draußen herrschen weit über 30°C, es hat schon wochenlang nicht mehr richtig geregnet und alles fühlt sich trocken und staubig an. Ein Setting, wie es für Lundes Roman kaum besser passen könnte.
Die norwegische Autorin verknüpft in ihrem Buch zwei auf den ersten Blick völlig unabhängige Erzählstränge miteinander. Da ist die 67-jährige Umweltaktivistin Signe, die zurück in ihre Heimat in Norwegen reist und gegen den Ausverkauf des Gletschereises kämpft – mit einer Kraft und Stärke, die sie nur durch ihre tiefe Überzeugung und ihre Liebe zur Natur haben kann. Die zweite Geschichte spielt rund zwanzig Jahre in der Zukunft, in einem Europa, das in Wasser- und Trockenländer zweigeteilt ist. Erstere wollen oder können längst keine Klimaflüchtlinge mehr aufnehmen, letztere sind seit nunmehr fünf Jahren Hitze und Dürre ausgesetzt und bieten immer weniger Lebenschancen für die Menschen in diesen Ländern. Protagonisten dieses zweiten Erzählstrangs sind David und seine kleinen Tochter Lou, die Davids Frau und seinen Sohn während ihrer Flucht aus ihrer brennenden Heimatstadt verloren haben und versuchen, sie wiederzufinden.

Charaktere voller Menschlichkeit
„Die Geschichte des Wassers“ ist ein unaufgeregter Roman. Es gibt keine großen Spannungsbögen, nichtsdestotrotz habe ich das Buch in wenigen Tagen gelesen und konnte es währenddessen auch nur schwer beiseitelegen. Was mich vor allem gefesselt hat waren Lundes Charaktere. Signe, die sich so unumstößlich für die Umwelt einsetzt, ganz gleich, wer oder was ihr entgegensteht. David, der an einigen Stellen so zutiefst verzweifelt ist und dadurch unheimlich menschlich wirkt. Vor allem mit ihm habe ich während des Lesens mitgefiebert und -gelitten, habe seine Entscheidungen und sein Verhalten nicht immer für gut befunden, aber jederzeit für nachvollziehbar.
Der Roman beschäftigt sich mit einem erschreckend realen Thema. Zwar gibt es weniger Hintergründe und Informationen zu der Klimakatastrophe, als an der ein oder anderen Stelle vielleicht wünschenswert. Doch durch die Geschichten, Gedanken und Gefühle der Protagonisten schafft Lunde es umso mehr, zu berühren, zu bewegen und zum Hinterfragen anzuregen.

Wachgerüttelte Emotionen und Dankbarkeit
Von Wut, Traurigkeit, Frustration und Unverständnis über Hoffnung und Mitgefühl hat „Die Geschichte des Wassers“ unzählige Gefühle bei mir geweckt und mich am Ende im ersten Moment merkwürdig leer zurückgelassen. Keine Frage, der Roman schmerzt. Was aber umso wichtiger ist, er wirkt nach. Und er schafft ein Bewusstsein dafür, dass etwas passieren muss.
Nach dem Gefühl der Leere kam ein Gefühl der Dankbarkeit. Dafür, dass wir nicht in einem Trockenland leben und so viel Wasser zur Verfügung haben, wie wir benötigen. Anders als schon jetzt so viele Menschen auf dem Rest der Welt. Zum Beispiel in Indien, wo gerade 600 Millionen Menschen bei 45°C keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Gerade mit solchen dramatischen, realen Situationen wie dieser vor Augen macht Lundes Roman eindrücklich deutlich, dass das Gut Wasser nicht selbstverständlich und vor allem nicht endlos ist. Allein für dieses Gefühl und dieses Bewusstsein kann ich „Die Geschichte des Wassers“ jeder Leserin und jedem Leser empfehlen.

Luisa Münch  für DEEPWAVE.

Weitere Buchrezensionen findet ihr bei unserem Projekt Ozeanbücher.
Das Buch „Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde könnt ihr bei unserem Partner, dem Buchladen Tolle Geschichten in Klein Borstel oder eurer lokalen Buchhandlung erwerben.

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