Website-Icon DEEPWAVE e.V.

DAM-Pilotmissionen untersuchen Einfluss von Grundschleppnetz-Fischerei auf Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee

Ein großes Fischernetz wurde an einem Strand angespült

© Joshua J. Cotten / Unsplash

Pressemitteilung, 30.11.2020, Deutsche Allianz für Meeresforschung

Berlin, 30. November 2020 Welche Auswirkungen hat der Ausschluss der Fischerei mit Grundschleppnetzen auf die Meeresschutzgebiete in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee? Mit dieser Kernfrage beschäftigen sich zwei Pilotmissionen in Nord- und Ostsee, die im Rahmen der Forschungsmission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ der Deutschen Allianz für Meeresforschung (DAM) im März gestartet sind. Die Frage stand auch im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung zu den Pilotmissionen, die aufgrund der COVID-19-Beschränkungen heute im digitalen Raum stattfand. Rednerinnen und Redner aus Politik, Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten über Herausforderungen einer nachhaltigen Fischerei und Nutzung von Nord- und Ostsee (Programm).

Forschungsfokus Grundschleppnetz-Fischerei für effektives Schutzgebiet-Management

Grundschleppnetze, mit denen bodennah lebende Fische wie Schollen, Seezungen, Kabeljau (Dorsch) oder Garnelen gefangen werden, beeinträchtigen den Meeresboden und die dort siedelnden Lebensgemeinschaften erheblich. Je nach Fanggebiet und -methode können Lebensräume wie Sandbänke, Riffe, Muschelbänke oder Sandkorallen unterschiedlich stark geschädigt werden. Daher soll die mobile grundberührende Fischerei (MGF) zumindest in Teilen der deutschen und europäischen Meeresschutzgebiete in den kommenden Jahren ausgeschlossen werden.

Die beiden DAM-Pilotmissionen bieten nun die Chance zu verfolgen, wie sich die Schutzgebiete nach Ausschluss der grundberührenden Schleppnetzfischerei entwickeln. Dafür wird zunächst der aktuelle Umweltzustand in ausgewählten Regionen inner- und außerhalb von Meeresschutzgebieten in der AWZ von Nord- und Ostsee als Referenz erforscht und dokumentiert, um danach zu analysieren, wie sich Lebensgemeinschaften, Meeresbodenmorphologie, Biogeochemie der Meeressedimente und Austauschprozesse zwischen Sediment und Wassersäule ohne weitere Störungen entwickeln. Solche Einflüsse auf Meeresschutzgebiete sind bisher kaum untersucht und die Ergebnisse bieten eine wichtige Grundlage für ein zukünftiges Management der Schutzgebiete in Nord- und Ostsee.

Vorsorgeforschung für einen nachhaltigen Umgang mit den Küsten, Meeren und Ozeanen

Für diese Art von Vorsorgeforschung hätten die norddeutschen Bundesländer mit dem Bund die Deutsche Allianz Meeresforschung (DAM) im letzten Jahr geschaffen, betonte Bettina Martin, die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in ihrem Grußwort: „Die Deutsche Allianz Meeresforschung hat das Potential, eine der weltweit größten und erfolgreichsten marinen Forschungsallianzen zu werden. Damit wir dieses Ziel erreichen können, müssen sich alle vier Kernbereiche der DAM entfalten können: Forschung, Infrastrukturen, Datenmanagement und Digitalisierung sowie Transfer. Es bedarf der gemeinsamen Kraftanstrengung aller Partnerinnen und Partner, damit dieses wichtige Projekt schon bald seinem Anspruch gerecht werden kann und eine Spitzenstellung in der internationalen Meeresforschung einnimmt.”

Volker Rieke, Leiter der Abteilung Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlagen und nachhaltige Entwicklung im Bundesministerium für Bildung und Forschung, beschrieb in seinem Grußwort die Erwartung der Politik: „Die Forschungsmissionen der Deutschen Allianz Meeresforschung sollen nicht nur exzellente Forschung ermöglichen. Wichtig ist auch der Transfergedanke: Das Ziel ist, das erlangte Wissen in die Umsetzung zu bringen. Politik und Gesellschaft benötigen konkretes Handlungswissen, um den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.“ 

Handlungsorientierte Forschung zur Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

Mit den Pilotmissionen leistet die Meeresforschung einen Beitrag zur Umsetzung der 2008 unterzeichneten EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) für die deutschen Teile der Nord- und Ostsee. Deutschland stehe hier in der Pflicht, eine Verbesserung des Umweltzustandes von Nord- und Ostsee zu erreichen, sagte Christiane Paulus, Leiterin der Abteilung Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, in ihrem Grußwort. „Die Deutsche Allianz Meeresforschung ist für unsere Arbeit eine wichtige Verbündete. Ich freue mich deswegen sehr über diese Neu-Gründung. Die handlungsorientierten Forschungsergebnisse der DAM für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren werden uns helfen, der Verantwortung gerecht zu werden, die Deutschland für Arten und Lebensräume in seinen sowie den Meeren weltweit hat.“

Klaus Jürgens, Projektleiter der Pilotmission Ostsee am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), erwartet von den Pilotmissionen neue Erkenntnisse über die Bedeutung von Meeresschutzgebieten für den Erhalt lebensraumtypischer Artengemeinschaften, Sedimentfunktionen und Ökosystemprozesse in der Ostsee als Grundlage für Empfehlungen zum Management der Naturschutzgebiete. „Wir erfassen in unseren Untersuchungen alle Komponenten, von Bakterien und Stoffumsetzungen bis zur Fischfauna, und bekommen damit das erste Mal ein umfassendes Bild der Auswirkungen grundberührender Fischerei auf die Ökologie der Meeresschutzgebiete in der Ostsee,“ erklärte er beim Podiumsgespräch.

Es müssten geeignete Schutzmaßnahmen entwickelt werden, um den Umweltzustand in Nord- und Ostsee zu verbessern und dem möglichen Verlust der Artenvielfalt zu begegnen, erläuterte Karen Wiltshire, Projektleiterin der Pilotmission Nordsee und Stellvertretende Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Die menschliche Zukunft ist eng mit intakten Meeresökosystemen verknüpft. Wir benötigen Wissen, einen effektiven Wissenstransfer und Vorsorge, um die Nutzung mit dem Schutz dieser Systeme zu verbinden. Die Pilotmissionen sind ein wichtiger Baustein in diesem unabdingbaren Prozess.”

Wissen wirksam machen, Meeresschutzgebiete effektiver managen

In Meeresschutzgebieten soll die biologische Vielfalt erhalten und wiederhergestellt werden. Dafür werden für jedes Gebiet Managementpläne abgestimmt, die Schutzmaßnahmen für die vorkommenden Arten und Lebensräume enthalten. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist verantwortlich für die Umsetzung der Managementpläne in den Meeresschutzgebieten der AWZ. Britta Knefelkamp, als Abteilungsleiterin im BfN für Meeresnaturschutz zuständig, verspricht sich von den Pilotmissionen wissenschaftsfundierte Ergebnisse, die im politischen Prozess nutzbar sind und die Abstimmung und konkrete Umsetzung fischereilicher Maßnahmen erleichtern können. „Diese Daten liefern uns neben dem behördlichen Monitoring Informationen über den aktuellen Zustand der Meeresschutzgebiete. Um die marinen Ökosysteme besser zu verstehen, Zustandsveränderungen rechtzeitig zu erkennen und effiziente Maßnahmen ergreifen zu können, müssen wir zukünftig die Zusammenarbeit von Naturschutz und Forschung noch weiter intensivieren.“

Der Auftaktveranstaltung folgt ein Fachtreffen am 1./2. Dezember, ebenfalls im Online-Format.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DAM (Deutsche Allianz für Meeresforschung).

In einer gemeinsamen Pressemitteilung warnen DEEPWAVE und andere Umweltverbände vor der Industrialisierung der Nord- und Ostsee. Mehr darüber erfahrt ihr in unserem Politikblog.

 

Die mobile Version verlassen