Tiefsee

Das unerforschteste und unereichbarste Ökosystem der Erde birgt Wunder und Überraschungen.
Doch sind wir dabei, es irreversibel zu zerstören.

Wissenschaftler:innen entdecken ein neues Ökosystem unter hydrothermalen Schloten

Viele Röhrenwürmer wachsen an Hydrothermalquellen

© NOAA Okeanos Explorer Program, Galapagos Rift Expedition 2011 / Wikimedia Commons (PD)

Die Tiefsee ist eine weithin unbekannte Welt für uns. Unbekannter als der Mond. Nur 5% der Tiefsee gelten als erforscht. Viele systemische Zusammenhänge sind noch nicht verstanden und etliche Arten noch nicht entdeckt. Auf ein weiteres Puzzleteil ist nun ein internationales Forschungsteam um die Meeresbiologin Monika Bright von der Universität Wien gestoßen. Sie haben ein gänzlich neues unterirdisches Ökosystem gefunden– in Hohlräumen unter Hydrothermalquellen. Damit bilden Hydrothermalquellen nicht nur ein Ökosystem an ihrer jeweiligen Oberfläche, auch in der Erdkruste unter den Schloten wurden Schnecken, Würmer und chemosynthetische Bakterien entdeckt, die ein eigenes Ökosystem bilden. Dabei scheinen die oberirdischen und unterirdischen Lebensräume an den Quellen aufeinander abgestimmt zu sein, wobei weitere Forschungsergebnisse noch etwas mehr Zeit benötigen.

Was diese Entdeckung aber bereits jetzt für uns bedeutet, zeigt sich, wenn wir über unseren Umgang mit den Meeren nachdenken. Nicht nur die Erderwärmung, sich anreicherndes Plastik oder anderer abgekippter Müll und Abwässer stören das größte Ökosystem der Erde – die Tiefsee. Obwohl wir noch so wenig wissen und auch noch nicht im mindesten verstanden haben, wie die vielen kleinen Ökosysteme zum größten Ökosystem zusammenwirken, planen Staaten und Unternehmen seit Jahren massive Eingriffe. Der Tiefseebergbau ist hier wohl das prägnanteste Beispiel. Ohne zu wissen, was wir zerstören, und im Bewusstsein, dass der Raubbau am Meeresboden irreversible Schäden für das gesamte Ökosystem bedeutet und damit auch ganz direkt uns betrifft, wird die Entwicklung des Tiefseebergbaus weiterhin vorangetrieben. Die Funde des internationalen Forschungsteams zeigen uns eines ganz deutlich: die Tiefsee kann uns noch vieles an Schätzen offenbaren – diese liegen jedoch nicht in Knollenform am Meeresgrund. Damit solche Puzzlesteine wie von diesem Forscherteam auch auf weiteren Expeditionen gefunden und in das Bild vom Ökosystem Tiefsee eingefügt werden können, muss das Vorsorgeprinzip und der Schutz der Meere oberstes Gebot sein.

Die zugehörige Pressemitteilung „Wissenschafter*innen entdecken ein neues Ökosystem unter hydrothermalen Schloten“ vom 08.08.2023 findet ihr bei der Universität Wien.

In den unbekannten Welten der Tiefsee werden immer wieder neue Ökosysteme und Arten entdeckt. Erst kürzlich wurde in der Clarion-Clipperton-Zone eine gigantische Artenvielfalt von über 5000 Arten gefunden, von denen bisher über 90% noch nicht wissenschaftlich beschrieben sind und nur in dieser Region vorkommen.

Interaktive Ausstellung: Le­ben am Ozeanboden

Eine orangene Tiefsee-Seeanemone am Ozeanboden

MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Pressemitteilung, 12.07.2023, MARUM

Neue in­ter­ak­ti­ve Aus­stel­lung „3.688 Me­ter un­ter dem Mee­res­spie­gel“ im Haus der Wis­sen­schaft

Die viel­fäl­ti­gen Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se stel­len glo­ba­le Her­aus­for­de­run­gen dar, die auch die Mee­res­for­schung vor neue Auf­ga­ben von gro­ßer ge­sell­schaft­li­cher Be­deu­tung stellt. Da­bei spielt der Ozeanboden eine sehr wich­ti­ge Rol­le. Er um­fasst 71 Pro­zent der fes­ten Ober­flä­che der Erde und be­fin­det sich im Schnitt 3.688 Me­ter un­ter dem Mee­res­spie­gel. Eine neue Aus­stel­lung, kon­zi­piert vom Ex­zel­lenz­clus­ter „Ozeanboden“ am MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men, wid­met sich ganz dem Mee­res­bo­den. Sie ist ab dem 20. Juli im Bre­mer Haus der Wis­sen­schaft zu se­hen.

In der Tief­see ist es dun­kel und kalt. Noch bis vor ei­ni­gen Jahr­zehn­ten schien sie den Men­schen ein weit­ge­hend un­wirt­li­cher Le­bens­raum zu sein. Mitt­ler­wei­le hat sich die­ses Bild grund­le­gend ge­wan­delt. Un­ser heu­ti­ges Wis­sen um die Tief­see mit ih­ren ein­zig­ar­ti­gen und oft­mals fra­gi­len Öko­sys­te­men ver­dan­ken wir der fort­schrei­ten­den Ent­wick­lung neu­er Tech­no­lo­gi­en. Sie er­mög­li­chen es Wis­sen­schaft­ler:in­nen fern­ge­steu­er­te Un­ter­su­chun­gen selbst in sehr gro­ßen Was­ser­tie­fen und un­ter ex­tre­men Be­din­gun­gen. Den­noch sind uns die weit­aus größ­ten Tei­le der Tief­see und des Ozeanboden nach wie vor na­he­zu un­be­kannt.

Wel­che Rol­le die Tief­see und ins­be­son­de­re der Ozeanboden im Sys­tem Erde spielt, steht im Mit­tel­punkt der For­schungs­ar­bei­ten am MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men. Hier ist der Ex­zel­lenz­clus­ter „Oze­an­bo­den – un­er­forsch­te Schnitt­stel­le der Erde“ an­ge­sie­delt.

Interaktiv abtauchen in die Tiefsee

In der in­ter­ak­ti­ven Aus­stel­lung „3.688 Me­ter un­ter dem Mee­res­spie­gel“ las­sen sich For­schen­de über die Schul­ter schau­en. Schritt für Schritt er­fah­ren Be­su­cher:in­nen im Haus der Wis­sen­schaft mehr – über den Oze­an­bo­den als gro­ßes zu­sam­men­hän­gen­des Öko­sys­tem, wie sich For­schen­de auf Ex­pe­di­tio­nen in die Tief­see vor­be­rei­ten und wel­che Tech­no­lo­gi­en sie da­bei nut­zen.

„Die Ab­la­ge­run­gen am Oze­an­bo­den sind als Ar­chi­ve für Um­welt- und Kli­ma­ver­än­de­run­gen ver­gan­ge­ner Zeit nicht nur für die Kli­ma­for­schung von ex­trem gro­ßer Be­deu­tung. Der Oze­an­bo­den ist auch eine der zen­tra­len Schnitt­stel­len für glo­ba­le Stoff­kreis­läu­fe wie den Koh­len­stoff­kreis­lauf“, sagt Prof. Mi­cha­el Schulz, Di­rek­tor des MARUM und Spre­cher des Ex­zel­lenz­clus­ters.

Originalexponate aus der Tiefe

Ein in­ter­ak­ti­ver Co­mic ver­mit­telt, wie Wis­sen­schaft auf ei­nem For­schungs­schiff funk­tio­niert und be­glei­tet ei­nen Tauch­ro­bo­ter zu Hei­ßen Quel­len in der Tief­see. An ei­ner gro­ßen di­gi­ta­len Welt­kar­te kön­nen die Be­su­cher:in­nen schritt­wei­se das Was­ser aus dem Weltoze­an ab­las­sen und so den Ozeanboden selbst er­kun­den. Die Aus­stel­lung zeigt auch Ori­gi­na­le aus den Tie­fen der Mee­re, wie Ske­let­te von Kalt­was­ser­ko­ral­len oder das Bruch­stück ei­nes Schwar­zen Rau­chers. Da­ne­ben gibt es 3D-Mo­del­le von Groß­ge­rä­ten, die in der mo­der­nen Mee­res­for­schung ein­ge­setzt wer­den und von win­zi­gen Mi­kro­or­ga­nis­men, die der Wis­sen­schaft bei der Kli­ma­for­schung hel­fen.

„Wenn die Tauch­ro­bo­ter ab­tau­chen, herrscht eine ge­wis­se Span­nung an Bord. Wel­che Un­ter­was­ser­wel­ten be­kommt das Team zu Ge­sicht? Die­se Fas­zi­na­ti­on für die For­schung möch­ten wir den Be­su­cher:in­nen ver­mit­teln“, sagt Dr. Frank Schmie­der, der die Aus­stel­lung zu­sam­men mit Nils Strack­bein aus dem Team für Trans­fer und Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on kon­zi­piert hat.

Vortragsprogramm und Fotoausstellung

Die For­schungs­ar­bei­ten der Wis­sen­schaft­ler:in­nen am MARUM ste­hen wäh­rend der Aus­stel­lung auch im Mit­tel­punkt der Vor­trags­rei­he „Wis­sen um 11“. Am 22. Juli be­rich­tet Prof. Wolf­gang Bach über Hei­ße Quel­len am Mee­res­bo­den. Um Hei­ße Quel­len im Ark­ti­schen Oze­an geht es am 26. Au­gust im Vor­trag von Dr. Ma­ren Wal­ter. Prof. Achim Kopf re­fe­riert am 23. Sep­tem­ber zum The­ma CO2-Spei­che­rung in der Oze­an­krus­te. Dr. Ur­su­la Röhl be­schließt die Rei­he am 21. Ok­to­ber mit ih­rem Vor­trag zum Kli­maar­chiv Ozeanboden.

Wel­che Tech­no­lo­gi­en der Ex­zel­lenz­clus­ter in der Tief­see ein­setzt, zeigt au­ßer­dem die  Fo­to­aus­stel­lung „Ex­pe­di­ti­on Tief­see“ im Haus der Wis­sen­schaft, die noch bis zum 23. Au­gust zu se­hen ist. Be­su­chen­de kön­nen hier ab­tau­chen zu fas­zi­nie­ren­den Öko­sys­te­men der Tief­see. Der Ein­tritt zu bei­den Aus­stel­lun­gen ist frei.

Die Aus­stel­lung ist mo­du­lar auf­ge­baut und soll künf­tig wei­ter aus­ge­baut wer­den. So kann sie in un­ter­schied­li­chen Grö­ßen und Räu­men ge­zeigt wer­den.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

In unserer Fotogalerie „Tiefsee“ könnt ihr abtauchen und das einzigartige Ökosystem und seine Bewohner entdecken.

Tiefseegraben: Müllhalde am Meeresgrund

(Makro-)Plastikmüll der in der Tiefsee gefunden wurde

© Serena Abel / Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Pressemitteilung, 13.07.2023, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Plastikmüll in einer Tiefe von 9600 Metern gefunden

Ein Team von Forscher*innen des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt, der Universität Basel und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung, haben die aktuell umfangreichste Untersuchung von (Makro-)Plastikmüll in einer Tiefe von bis zu 9600 Metern vollendet. In ihrer im Fachjournal „Environmental Pollution“ erschienenen Studie analysierten die Forschenden die Anzahl, das Material und die Art der Plastikabfälle im pazifischen Kurilen-Kamtschatka-Tiefseegraben. Sie zeigen, dass die meisten Plastiküberreste aus dem regionalen Seeverkehr und der Fischerei stammen. Das Team warnt, dass Tiefseegräben zu „Müllhalden der Meere“ werden könnten.

Spätestens seitdem im Scheinwerferlicht eines Tauchbootes 2018 eine Einkaufstüte in 11.000 Metern Tiefe des Mariengrabens auftauchte, ist das Vorhandensein von Plastikmüll in der Tiefsee unbestreitbar. „Auch wenn es mittlerweile ein zunehmendes Bewusstsein für das Plastik-Problem gibt, ist die weltweit produzierte Kunststoffmenge in den letzten 70 Jahren sehr stark gestiegen – allein im Jahr 2021 wurden 391 Millionen Tonnen hergestellt“, erzählt Dr. Serena Abel, aktuell Postdoktorandin an der Universität Basel und spricht weiter: „Die Vernetzung der Ozeane durch Meeresströmungen in Verbindung mit der Transportfähigkeit von schwimmfähigem Kunststoff macht die Plastikverschmutzung zu einem globalen Problem. Vor allem in abyssalen und hadalen Tiefen, wo die Hauptabbaufaktoren wie Photodegradation, das heißt die Veränderung unter dem Einfluss von Sonnenlicht, und Welleneinwirkung fehlen, sammelt sich Plastik an und bleibt lange – bis zu mehreren Hundert Jahren – bestehen. Jüngste Aufzeichnungen von Tiefseegräben zeigen die Allgegenwärtigkeit des menschlichen Fußabdrucks auch an Orten, die für uns Menschen unzugänglich sind.“

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin hat in ihrer neuen Studie gemeinsam mit der Senckenberg-Meeresforscherin Prof. Dr. Angelika Brandt und Kolleg*innen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung, das Vorhandensein von Plastikmüll im Kurilen-Kamtschatka-Graben, einer 2250 Kilometer langen Tiefseerinne im nordwestlichen Teil des Pazifischen Ozeans, untersucht. Mithilfe von Schleppnetzen und einem Epibenthosschlitten beprobten die Wissenschaftler*innen 13 Stationen in Tiefen zwischen

Metern. „Dies ist nach unserem Wissen der tiefste Einsatz von Schleppnetzen zur Erforschung der Plastikverschmutzung, der jemals stattgefunden hat“, erläutert Brandt und fährt fort: „Unsere Ergebnisse sind alarmierend: In allen Proben haben wir (Makro-)Plastikmüll gefunden – mit einer Gesamtzahl von 111 Gegenständen.“

Industrieverpackungen und Material, das der Fischerei zugeordnet werden kann, waren die häufigsten Müllkomponenten im Kurilen-Kamtschatka-Graben, die höchstwahrscheinlich aus dem Ferntransport durch den Kuroshio-Ausdehnungsstrom oder aus dem regionalen Seeverkehr und der Fischerei stammen. Mit 33 Prozent waren Schnüre und Kordeln die häufigsten Hinterlassenschaften, gefolgt von Kunststofffragmenten (23 %) und Industrieverpackungen (11 %). Auf sechs Kunststoffabfällen waren eindeutige Etiketten in japanischer, koreanischer und spanischer Sprache zu erkennen.

„Durch die Kategorisierung der anthropogenen Abfälle nach ihrem Verwendungszweck war es möglich, die beiden Hauptquellen von Kunststoffen, die sich am Grabenboden absetzen – Verpackungen und Fischerei – zu unterscheiden. Durch unsere spektroskopischen Analysen konnten wir zudem die wichtigsten Polymertypen, nämlich Polyethylen, Polypropylen und Nylon, identifizieren. Diese Polymere sind in der Meeresumwelt recht stabil, da sie nicht hydrolytisch abgebaut werden und höchstwahrscheinlich auf dem Grund des Grabens landen, ohne in kleinere Teile zu zerfallen“, ergänzt Abel.

Die abgelegene Position des Kurilen-Kamtschatka-Grabens und die hohen Sedimentationsraten machen ihn zu einem potenziellen Standort für eine umfangreiche Kunststoffverschmutzung, was ihn zu einem der am stärksten kontaminierten Meeresgebiete der Welt und zu einer ozeanischen Kunststoffablagerungszone machen könnte, heißt es in der Studie. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Dringlichkeit neuer politischer Maßnahmen für die Abfallbehandlung und die Kunststoffproduktion! Der Meeresboden darf keine Halde für Plastikmüll werden!“, fordert Brandt.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Die Originalpublikation „Journey to the deep: plastic pollution in the hadal of deep-sea trenches“ findet ihr bei Environmental Pollution.

Neben (Makro-)Plastikmüll wurde auch schon eine hohe Belastung von Mikroplastik im Meeresboden in der Tiefsee festgestellt.

Stop Deep Sea Mining! Stoppt den Tiefseebergbau, bevor es zu spät ist

Wir brauchen in diesen entscheidenden Wochen so viele Staaten wie möglich, die sich bei der ISA (International Seabed Authority) für eine Vorsorgliche Pause (Precautionary Pause) einsetzen, wie Deutschland es tut, oder für ein Moratorium oder einen Ban. In diesem gemeinsamen Statement beziehen Sebastian Unger, Meeresbeauftragter der Bundesregierung, und Olivier Poivre d’Arvor, Frankreichs Botschafter für Pole und maritime Angelegenheiten, deutlich Position:

 

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=-huCUYuurvg

 

Das Statement findet ihr bei der Environmental Justice Foundation.

Eine Assel namens Brandt

Die neu entdeckte Assel Austroniscus brandtae

© Terue Kihara / Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Pressemitteilung, 6.7.2023, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Senckenberg-Meeresforscherin wird Namenspatin für Tiefsee-Art

Senckenberg-Forschende haben mit Kolleg*innen aus den USA und Deutschland eine neue Tiefsee-Assel im Fachjournal „Zootaxa“ beschrieben. Das Tier wurde 2015 im Rahmen der Jungfernfahrt des Forschungsschiffes SONNE gesammelt und stammt aus dem Puerto-Rico-Tiefseegraben im nordwestlichen Atlantik. Anders als erwartet besiedelt die neu entdeckte Asselart einen enormen Tiefenbereich zwischen 4.552 und 8.338 Metern – die größte je nachgewiesene Tiefenverbreitung einer Assel. Benannt wurde die neue Art – Austroniscus brandtae – nach der Senckenberg-Meeresforscherin Prof. Dr. Angelika Brandt in Anerkennung ihrer außergewöhnlichen Forschungsleistungen und ihres Engagements zum Schutz der Tiefsee.

Entlang der Plattengrenzen, wo sich ozeanische unter Kontinentalplatten schieben, bildet sich die tiefste Umgebung der Erde: die Hadalzone mit Tiefen von über sechs bis fast elf Kilometern. „Die Gemeinschaften in diesen Zonen der Meere sind – aufgrund der großen logistischen und technischen Beschränkungen bei der Probenahme – die wohl am wenigsten bekannte Fauna der Erde“, erklärt Dr. Stefanie Kaiser vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Wir konnten nun eine neue Meeresassel-Art aus den hadalen und abyssalen Tiefen des Puerto-Rico-Grabens im Atlantik beschreiben: Austroniscus brandtae.“

Das 2,7 Zentimeter große Krebstier wurde von dem Forschungsteam zu Ehren von Senckenbergerin Prof. Dr. Angelika Brandt benannt. Brandt leitet seit 2017 die Abteilung Marine Zoologie am Senckenberg-Standort Frankfurt und lehrt an der Goethe-Universität Frankfurt. Ihr Forschungsinteresse gilt den Verbreitungsmustern und treibenden Faktoren für die Evolution von mariner Makrofauna. Dabei forscht sie mit ihrer Arbeitsgruppe hauptsächlich an Krebsen – insbesondere an Meeresasseln (Isopoden). Brandt und ihr Team analysieren die stammesgeschichtliche Herkunft und Besiedlungsgeschichte von Isopoden in der Tiefsee und versuchen zu verstehen welche treibenden Faktoren es in der Tiefsee für hohe Diversität gibt. „Unsere Artbenennung soll Angelika Brandts Engagement und ihre Leistungen in der Tiefsee-Isopodenforschung ehren. Es gibt zudem auch einen ganz persönlichen Grund für die Namenswahl: Angelika Brandt war Doktormutter dreier Autor*innen der Studie und damit entscheidend für unseren Weg in die Tiefseeforschung“, fügt Kaiser hinzu.

Aufgrund der großen Tiefenunterschiede zwischen den Probenahmeorten im Puerto-Rico-Graben – zwischen 4.552 und 8.338 Metern – erwartete das Forschungsteam, dass sie unterschiedliche Arten innerhalb der Gattung finden würden, welche die abyssalen und hadalen Standorte bewohnen. „Mittels morphologischer Untersuchung mit traditioneller Mikroskopie und einer anschließenden molekularen Analyse konnten wir aber zeigen, dass tatsächlich nur die von uns neu beschriebenen Art, Austroniscus brandtae, den Meeresboden des Puerto-Rico-Grabens besiedelt“, erläutert Kaiser. Die neu entdeckte Meeresassel ist die erste Art der Gattung Austroniscus aus dem Atlantik und der weltweit tiefste Nachweis der Gattung.
Austroniscus brandtae scheint sich in den Tiefen des Puerto-Rico-Grabens sehr gut zu behaupten – dies deutet darauf hin, dass die Vielfalt in den Tiefseegräben abnimmt und nur wenige Arten den dortigen extremen Bedingungen gewachsen sind“, schließt Kaiser.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Die Originalpublikation „Combining morphological and mitochondrial DNA data to describe a new species of Austroniscus Vanhöffen, 1914 (Isopoda, Janiroidea, Nannoniscidae) linking abyssal and hadal depths of the Puerto Rico Trench“ findet ihr bei Zootaxa.

Wenn ein Go für den Tiefseebergbau beschlossen wird, werden viele Lebensgemeinschaften in der Tiefsee zerstört und bisher unbekannte Arten, wie diese Tiefsee-Assel, vielleicht nie entdeckt.

Gefährdete Artenvielfalt in zukünftigem Bergbau-Hotspot

Eine Seegurke bewegt sich am Meeresgrund der CCZ über Manganknollen fort

© ROV KIEL 6000, GEOMAR / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) erstreckt sich über sechs Millionen Quadratkilometer im Pazifischen Ozean und gilt als eine der letzten unberührten Regionen der Weltmeere. Eine neue Studie zeigt, dass über 5.000 Arten in den Tiefen der CCZ vorkommen, von denen bisher über 90 Prozent nicht wissenschaftlich beschrieben und bisher nur in dieser Region entdeckt wurden. Doch genau diese Artenvielfalt in der CCZ ist gefährdet, denn der Meeresgrund ist reich an Manganknollen und bereits 2021 fanden erste Abbau-Pilotversuche statt. Wenn bis zum Sommer keine Regelungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) beschlossen werden, könnte der kommerzielle Tiefseebergbau bereits dieses Jahr ohne Regelungen starten. Um die künftigen Auswirkungen des Abbaus besser einschätzen zu können, hat das Forschungsteam des Natural History Museums in London eine CCZ-Checkliste erstellt, welche die Artenvielfalt am Tiefseeboden detailliert aufschlüsselt. Sobald neue Daten zur Verfügung stehen, können damit Umweltauswirkungen wie das Artenaussterberisiko erfasst werden und das Ausmaß der menschlichen Einflüsse verdeutlichen.

Den Artikel „Gefährdete Artenvielfalt in zukünftigem Bergbau-Hotspot“ von Elena Bernard vom 25.05.2023 findet ihr bei wissenschaft.de.

Das Foto wurde während einer Expedition innerhalb des Projekts JPIO MiningImpact in der CCZ erstellt, und zeigt eine Seegurke auf Manganknollen.

Diesen Sommer soll eine Entscheidung über die größte Tiefseebergbauaktion in der Geschichte fallen. Anlässlich der Dringlichkeit des Themas hat das DEEPWAVE Filmfestival zum Schutz der Hoch- und Tiefsee dieses Jahr den Film „Deep Rising“ von Matthieu Rytz gezeigt, der die Akteure hinter der Bergbauindustrie zeigt und ihre Verstrickungen und Intentionen thematisiert.

AWI-Forschende weisen hohe natürliche Radioaktivität in Manganknollen nach

Eine Manganknolle wird von einem Roboter aufgehoben

© ROV-Team/GEOMAR / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Pressemitteilung, 17.05.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Neue Studie zeigt: Der Umgang mit Manganknollen birgt Gesundheitsrisiken

[17. Mai 2023] Manganknollen am Grund der Tiefsee enthalten wertvolle Metalle, die etwa für die Elektro- und Stahlindustrie von zentraler Bedeutung sind. Um die steigende Nachfrage nach Rohstoffen wie Kobalt und Seltenen Erden zu decken, setzen Industrie und einige Staaten deshalb große Hoffnungen in den Tiefseebergbau. Dass der nicht nur ökologische Folgen hat, sondern auch zu einer Gesundheitsgefährdung bei der industriellen Gewinnung und Verarbeitung der Knollen führen kann, zeigen Forschende des Alfred-Wegener-Instituts in einer nun im Fachmagazin Scientific Reports erschienenen Studie. Demnach überschreitet etwa die Aktivität von Radium-226 in den Knollen einen in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwert teilweise um das Hundert- bis Tausendfache.

Weite Teile des Tiefseebodens sind mit metallhaltigen Knollen und Krusten bedeckt. Die kartoffelgroßen Manganknollen finden sich in allen Ozeanen, vor allem aber im Pazifik in 4.000 bis 6.000 Meter Wassertiefe. Sie bilden sich sehr langsam über mehrere Millionen Jahre hinweg und enthalten wertvolle Metalle wie Kupfer, Nickel, Kobalt oder Seltene Erden – Elemente also, die auch bei der Herstellung elektronischer Produkte wie Computer, Mobiltelefone, Batterien, Magnete, Motoren und andere High-Tech-Komponenten benötigt werden. In den letzten Jahren rückten daher verstärkt Manganknollen und Tiefseebergbau in den Fokus von Wirtschaft und Politik.

Besonders große Mengen von Manganknollen finden sich in den Tiefen der Clarion-Clipperton-Zone im Nordpazifik zwischen Mexiko und Hawaii. Eine Reihe von Staaten – darunter auch die Bundesrepublik Deutschland – hat dort Explorationslizenzen erworben, um zunächst Referenzdaten in den Lizenzgebieten zu erheben und darauf aufbauend die möglichen ökologischen Auswirkungen eines kommerziellen Abbaus von Manganknollen auf die Tiefsee zu ermitteln. Im Juli 2023 will die zuständige Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) konkrete Regeln für die industrielle Förderung festlegen.

„Seit 2015 untersuchen wir im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekte der Joint Programming Initiative Ozeane ,MiningImpact‘ und ,MiningImpact2‘ in einem internationalen Konsortium von über 30 Partnerinstitutionen, welche Auswirkungen der Tiefseebergbau auf die Lebensräume und Ökosysteme der Sedimente und der Wassersäule im Pazifik haben würde“, erklärt Prof. Dr. Sabine Kasten, Projektleiterin der MiningImpact-Vorhaben am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Unsere neue Studie zur Radioaktivität von Manganknollen zeigt nun, dass sich neben den Folgen für die Meeresökosysteme auch potenzielle Gesundheitsgefahren für Menschen im Zusammenhang mit der Förderung und Verarbeitung von Manganknollen sowie der Nutzung der daraus gewonnenen Produkte ergeben können. Diese müssen bei den weiteren Planungen dringend berücksichtigt werden.“

Für die nun im Fachmagazin „Scientific Reports“ erschienene Studie haben die AWI-Forschenden Manganknollen untersucht, die im Zuge von zwei Expeditionen (2015 und 2019) des Forschungsschiffs SONNE in der Clarion-Clipperton-Zone gewonnen wurden. „Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass die äußere Schicht der Manganknollen auch natürliche radioaktive Stoffe wie Thorium-230 und Radium-226 enthält, die sie über lange Zeiträume aus dem Meerwasser anreichern. Allerdings wurden diese Werte bisher noch nicht im Kontext der Strahlenschutzgesetzgebung betrachtet“, sagt Studienerstautorin und Biogeochemikerin Dr. Jessica Volz. „Unsere Studie zeigt nun, dass die äußere Schicht der extrem langsam wachsenden Knollen für bestimmte Alphastrahler Werte des Hundert- bis Tausendfachen einiger Grenzwerte erreichen kann, die im Rahmen von Strahlenschutzregelungen gesetzt sind“. Für Radium-226 etwa konnte das AWI-Team Aktivitäten von oftmals über 5 Becquerel pro Gramm auf der Außenseite der Manganknollen nachweisen. Zum Vergleich: Die deutsche Strahlenschutzverordnung sieht für eine uneingeschränkte Freigabe Höchstwerte von lediglich 0,01 Becquerel pro Gramm vor. Und selbst beim Umgang mit Altlasten aus dem Uranerzbergbau muss je nach Situation bereits oberhalb von gemessenen Höchstwerten von 0,2 beziehungsweise 1 Becquerel pro Gramm eine genaue Gefährdungsprüfung erfolgen.

„Obwohl wir aus früheren Studien wussten, dass wir in den Knollen mit einer beträchtlichen Radioaktivität rechnen müssen, hat uns die tatsächlich gemessene Höhe doch überrascht“, erklärt AWI-Forscher und Studien-Coautor Dr. Walter Geibert. „Besonders die hohe Bildungsrate des radioaktiven Edelgases Radon war ein neuer Befund. Damit kann der ungeschützte Umgang mit Manganknollen ein Gesundheitsrisiko darstellen. Und das nicht nur beim Einatmen der bei ihrer Verarbeitung entstehenden Stäube, sondern auch durch die hohen Radon-Konzentrationen, die sich beim Lagern in schlecht belüfteten Räumen bilden. Auch in den angestrebten Produkten aus Manganknollen dürften sich einige radioaktive Stoffe anreichern, so zum Beispiel Actinium-227 in den Seltenen Erden.“

Ob alle Manganknollen verschiedener Tiefseeregionen solche Werte erreichen und wie auf Basis dieser neuen Erkenntnisse die ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken von Tiefseebergbau und der Verwertung von Manganknollen einzuschätzen sind, wollen die Forschenden in Folgestudien herausfinden.

Die Studie wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF Grant 535 03F0812F) im Rahmen des JPI-Oceans-Projekts „MiningImpact2 – Environmental impacts and risks of deep-sea mining”.

Die Vorhaben MiningImpact und MiningImact2 wurden vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert. Die oben beschriebene Studie ist im Rahmen des Projektteils am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven entstanden.

Weitere Informationen zum Projekt MiningImpact2 finden Sie hier: https://jpi-oceans.eu/en/miningimpact-2

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Die Originalpublikation „Alpha radiation from polymetallic nodules and potential health risks from deep-sea mining“ findet ihr bei scientific reports.

Obwohl für einen Wandel hin zu E-Mobilität und grünen Technologien keine Metalle aus der Tiefsee notwenig, und auch die Folgen von Tiefseebergbau noch nicht abzusehen sind, treibt die Lobby kommerzielle Abbauprojekte weiter voran. Deutschland hat Ende 2022 erstmals eine „precautionary pause“ beim Tiefseebergbau gefordert.

Le­ben im Rauch der Unterwasservulkane

In der Umgebung von Hydrothermalquellen leben viele Bakterien

© NOAA Okeanos Explorer Program, Galapagos Rift Expedition 2011 / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Pressemitteilung, 09.03.2023, MARUM

Die ark­ti­sche Tief­see liegt fern­ab der le­bens­spen­den­den En­er­gie der Son­ne, und nur win­zi­ge Men­gen an or­ga­ni­schem Ma­te­ri­al, wel­ches Le­ben speist, kom­men dort an. Ei­ni­ge Bak­te­ri­en nut­zen statt­des­sen die En­er­gie, die von un­ter­see­ischen Vul­ka­nen frei­ge­setzt wird. Auf Ex­pe­di­tio­nen mit dem For­schungs­schiff Po­lar­stern ha­ben For­schen­de aus Deutsch­land nun Bakterien ent­deckt, die auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se an die­se Geo­en­er­gie an­ge­passt sind. Sie be­schrei­ben die Rol­le die­ser Bak­te­ri­en für die bio­geo­che­mi­schen Kreis­läu­fe im Meer.

Tief im Oze­an, an den Gren­zen tek­to­ni­scher Plat­ten, bil­den Un­ter­was­ser­vul­ka­ne so­ge­nann­te hydro­ther­ma­le Quel­len. An die­sen Quel­len tritt hei­ße, sau­er­stoff­freie Flüs­sig­keit aus, die gro­ße Men­gen an Me­tal­len wie Ei­sen, Man­gan oder Kup­fer ent­hält. Wenn sich das hei­ße Was­ser mit dem um­ge­ben­den kal­ten und sau­er­stoff­hal­ti­gen See­was­ser mischt, ent­ste­hen hydro­ther­ma­le Schwa­den mit rauch­ähn­li­chen Par­ti­keln aus Me­tall­sul­fid. Die­se Schwa­den stei­gen Hun­der­te von Me­tern über dem Mee­res­bo­den auf und ver­tei­len sich Tau­sen­de von Ki­lo­me­tern. Hydro­ther­ma­le Schwa­den schei­nen ein ris­kan­ter Ort zu sein, um dort hei­misch zu wer­den. Das hin­dert be­stimm­te Bakterien aber nicht dar­an, ge­nau dort zu wach­sen und zu ge­dei­hen, wie eine jetzt in Nature Microbiology ver­öf­fent­lich­te Stu­die zeigt.

Mehr als nur vorübergehende Besucher?

„Wir ha­ben die Bakterien der Gat­tung Sulfurimonas ge­nau un­ter die Lupe ge­nom­men,” sagt Er­st­au­tor Mas­si­mi­lia­no Mo­la­ri vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men. Von die­sen Bakterien war bis­her nur be­kannt, dass sie in sau­er­stoff­ar­men Le­bens­räu­men wach­sen. Gen­se­quen­zen von ih­nen wur­den ver­ein­zelt aber auch in hydro­ther­ma­len Schwa­den nach­ge­wie­sen. „Man ging da­von aus, dass sie aus den Le­bens­räu­men rund um die hei­ßen Quel­len am Mee­res­bo­den dort­hin ge­spült wur­den. Wir frag­ten uns aber, ob nicht die Schwa­den selbst ein ge­eig­ne­ter Wohn­ort für man­che Mit­glie­der der Sulfurimonas-Grup­pe sein könn­ten.“

Harte Bedingungen für die Probenahme

Ge­mein­sam mit Kol­le­gen des Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tuts, Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung (AWI) in Bre­mer­ha­ven und des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men mach­te sich Mo­la­ri da­her auf eine schwie­ri­ge For­schungs­rei­se zu hydro­ther­ma­len Quel­len in der zen­tra­len Ark­tis und im Süd­at­lan­tik, um ihre Hy­po­the­se zu über­prü­fen. „Wir sam­mel­ten un­se­re Pro­ben in ex­trem ab­ge­le­ge­nen Re­gio­nen von be­son­ders lang­sa­men Sprei­zungs­rü­cken, die noch nie un­ter­sucht wor­den wa­ren. Es ist sehr kom­pli­ziert, Pro­ben aus hydro­ther­ma­len Ab­la­ge­run­gen zu ge­win­nen, da sie schwer zu lo­ka­li­sie­ren sind. Noch schwie­ri­ger wird es, wenn sich die Schwa­den in Tie­fen von mehr als 2500 Me­tern und un­ter dem ark­ti­schen Meer­eis oder in den stür­mi­schen Zo­nen des Süd­po­lar­mee­res be­fin­den,“ er­klärt Ant­je Boe­ti­us, Grup­pen­lei­te­rin am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie und Di­rek­to­rin des AWI, die die Ark­tis-Mis­sio­nen lei­te­te. An Bord des For­schungs­schiffs Po­lar­stern ge­lang es den For­schen­den den­noch, Pro­ben zu sam­meln und an­hand die­ser die Zu­sam­men­set­zung und den Stoff­wech­sel der Bakterien zu un­ter­su­chen.

Gut ausgerüstet und weit verbreitet

Mo­la­ri and sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen iden­ti­fi­zier­ten eine neue Sulfurimonas-Art na­mens USulfurimonas pluma (das hoch­ge­stell­te „U“ steht für un­kul­ti­viert, also nicht im La­bor kul­ti­viert), die in den kal­ten, sau­er­stoff­ge­sät­tig­ten Hydro­ther­mal­fah­nen lebt. Die­ses Bak­te­ri­um nutzt Was­ser­stoff aus der Schwa­de als En­er­gie­quel­le. Die For­schen­den un­ter­such­ten auch das Ge­nom der Mi­kro­or­ga­nis­men und stell­ten fest, dass es stark re­du­ziert ist. Es feh­len Gene, die für an­de­re Ar­ten ty­pisch sind. Mit an­de­ren Ge­nen sind sie aber gut aus­ge­stat­tet, um in die­ser dy­na­mi­schen Um­ge­bung wach­sen zu kön­nen.

„Wir ver­mu­ten, dass die Hydro­ther­mal­schwa­de nicht nur Mi­kro­or­ga­nis­men aus hydro­ther­ma­len Schlo­ten ver­brei­tet, son­dern auch eine öko­lo­gi­sche Ver­bin­dung zwi­schen dem of­fe­nen Oze­an und den Le­bens­räu­men auf dem Mee­res­bo­den her­stel­len kann. Un­se­re phy­lo­ge­ne­ti­sche Ana­ly­se deu­tet dar­auf hin, dass USulfurimonas pluma von ei­nem Vor­fah­ren ab­stam­men könn­te, der mit hydro­ther­ma­len Schlo­ten as­so­zi­iert war, aber eine hö­he­re Sau­er­stoff­to­le­ranz ent­wi­ckel­te und sich dann über die Ozea­ne ver­brei­te­te. Dies muss je­doch noch wei­ter un­ter­sucht wer­den,“ so Mo­la­ri.

Ein Blick auf die Ge­nom­da­ten aus an­de­ren Schwa­den zeig­te, dass USulfurimonas pluma in sol­chen Le­bens­räu­men über­all auf der Welt wächst. „Of­fen­sicht­lich ha­ben sie eine öko­lo­gi­sche Ni­sche in kal­ten, sau­er­stoff­ge­sät­tig­ten und was­ser­stoff­rei­chen Hydro­ther­mal­schwa­den ge­fun­den“, sagt Mo­la­ri. „Wir müs­sen wohl un­se­re Vor­stel­lun­gen über die öko­lo­gi­sche Rol­le von Sulfurimonas in der Tief­see über­den­ken. Sie könn­te viel wich­ti­ger sein, als wir bis­her dach­ten.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Die Originalpublikation „A hy­dro­ge­notro­phic Sulfurimonas is glo­bal­ly ab­un­dant in deep-sea oxy­gen-sa­tu­ra­ted hydro­ther­mal plu­mes“ findet ihr bei Nature Microbiology.

Bei einer Expedition im Jahr 2022 zwischen Grönland und Spitzbergen wurde in 3.000 Meter Wassertiefe ein neues Hydrothermalfeld entdeckt.

E-Mobilität benötigt keine Metalle aus der Tiefsee

Mehrere Manganknollen, die Metalle beinhalten, in verschiedenen Größen

© Philweb / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 20.02.2023, Greenpeace

Neue Greenpeace Studie zum Beginn der UN-Konferenz zum Hochseeschutz

Hamburg, 20. 02. 2023 – Metalle aus der Tiefsee werden nicht für einen Wandel hin zu E-Mobilität und grünen Technologien benötigt. Das zeigt eine neue Studie, die Greenpeace heute zum Beginn der UN-Konferenz in New York zum internationalen Meeresschutzabkommen (BBNJ) veröffentlicht. Damit entkräftet die Studie das Hauptargument der Tiefseebergbau-Industrie, die auf eine Lizenz für den Beginn des Tiefseebergbaus noch in diesem Jahr drängt. Die Studie zeigt: Zentrale Batterie-Rohstoffe wie Lithium und Graphit können aus den Manganknollen in der Tiefsee nicht gewonnen werden. Relevante Mengen wären nur für Mangan, Kobalt und Nickel möglich – aber erst nach 2030.  Der Trend für Batterien entwickelt sich jedoch weg von Kobalt und Nickel. Für die Batterieherstellung ist im Bezug auf Mangan keine Knappheit zu erwarten.

„Die Tiefseebergbau-Lobby missbraucht die Energiewende, um ihre klima- und umweltschädlichen Pläne zu rechtfertigen. Das ist eine Täuschung, der Bedarf für Elektroautos und eine grüne Verkehrs- und Energiewende lässt sich auch ohne Ausbeutung der Tiefsee decken.“
– Till Seidensticker, Greenpeace-Meeresexperte

Tiefseebergbau zerstört ein nahezu unberührtes Ökosystem

Die Tiefsee ist nach wie vor wenig erforscht, viele Wissenschafler:innen warnen vor den Folgen ihrer Ausbeutung. Um die Metalle zu gewinnen, saugen Tiefsee-Planierraupen die obersten 10 Zentimeter des Meeresbodens auf, um Manganknollen zu sammeln, aus denen die Rohstoffe an Land gelöst werden. Damit zerstören die Maschinen die oberste Schicht, in oder auf der nahezu alle Bodenlebewesen leben, unter anderem die Krake “Casper”, die ihre Eier ausschließlich auf Manganknollen ausbrütet.
Wissenschaftler:innen vermuten, dass es Hunderte bis Tausende Jahre dauert, bis sich das Ökosystem von den Eingriffen erholt. Auch Wale werden durch Lärm und Abnahme von Beutetieren gefährdet.
„Der Bedarf an Rohstoffen, etwa für Batterien, ist anders zu decken, um nachhaltig zu sein: Durch echtes Recycling und weniger Konsum.“
– Till Seidensticker, Greenpeace-Meeresexperte
Deutschland hat erstmals eine „precautionary pause“, eine vorsorgliche Pause beim Tiefseebergbau gefordert und unterstützt damit bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau, bis das komplette Ausmaß der Auswirkungen auf das sensible Ökosystem erforscht ist. Ein guter Einstieg in das Thema Tiefseebergbau bieten unsere Reflexionen über Tiefseebergbau für Einsteiger:innen, die ihr auf unserem Instagramkanal finden könnt.

Umweltauswirkungen von Ressourcenabbau in der Tiefsee erforschen

Mehrere Schlangensterne und Manganknollen liegen auf dem Meeresboden

© ROV-Team Kiel 6000/GEOMAR

Pressemitteilung, 11.11.22, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Das Projekt MiningImpact untersucht auf der Expedition SO295 die Umweltschäden durch Manganknollenabbau am Meeresgrund

Wie stark zerstört der Manganknollenabbau den Lebensraum in der Tiefsee? Das untersucht in den nächsten zwei Monaten die MiningImpact-Expedition SO295 mit dem Forschungsschiff SONNE in den Explorationslizenzgebieten der Clarion-Clipperton Zone im Nordpazifik. Beim Einsammeln von Manganknollen wird die belebte Zone des Meeresbodens abgetragen; zusätzlich bedecken die beim Abbau aufgewirbelten Sedimente große Flächen in der Umgebung. Ziel der Fahrt ist es, das komplette Ausmaß der Umweltauswirkungen anderthalb Jahre nach einem industriellen Gerätetest zu erfassen.

– Gemeinsame Pressemitteilung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie –

Der Meeresboden unseres Planeten beherbergt große Vorkommen an Erzen. Diese enthalten gleich mehrere begehrte Metalle, wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Zink, Molybdän, Seltene Erden, die unsere Gesellschaft für High-Tech Produkte und Technologien im Rahmen der Energiewende zur Verringerung unserer CO2-Emissionen benötigen. Wirtschaftsanalysen prognostizieren daher bis 2050 einen stark steigenden Bedarf an diesen Metallen, der durch herkömmlichen Bergbau an Land oder aufgrund geopolitischer Krisen unter Umständen nicht ausreichend gedeckt werden kann.

Weltweit wurden bisher 31 Lizenzgebiete zur Erkundung dieser Art mineralischer Ressourcen – Manganknollen, Massivsulfide und kobaltreiche Krusten – am Meeresboden vergeben. Mit dieser Aufgabe ist die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) betraut, die die Ressourcen am Meeresboden im „Gebiet“ verwaltet. So wird der Ozeanboden außerhalb der 200-Seemeilenzone von Staaten bezeichnet. Gleichzeitig soll die ISA auch die Meeresumwelt vor schwerwiegenden Schäden durch die Nutzung der Ressourcen bewahren. Hierfür entwickelt sie seit einigen Jahren die internationale Gesetzgebung, den Mining Code. Dieses Regelwerk will die ISA bis Juli 2023 erstellt haben.

Die Expedition SO295 des Projekts MiningImpact mit dem Forschungsschiff SONNE geht aktuell im Manganknollengebiet der Clarion-Clipperton Zone zwischen Mexiko und Hawaii der Frage auf den Grund, wie stark und dauerhaft das Ökosystem des Ozeanbodens durch den Manganknollenabbau geschädigt wird. Die Wissenschaftler:innen aus insgesamt zwölf verschiedenen Instituten erfassen dabei die Auswirkungen eines industriellen Abbautests im Frühjahr 2021, bei dem mit dem Prototypen eines Manganknollen-Kollektors in den Explorationslizenzgebieten der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und des belgischen Unternehmens Global Sea Mineral Resources NV auf mehreren Zehntausend Quadratmetern die obere Schicht des Meeresbodens mit den Manganknollen abgetragen wurde. Dabei kommen die GEOMAR Tauchroboter ROV Kiel 6000 für gezielte in-situ-Untersuchungen und AUV Abyss zur hochauflösenden Photo-Kartierung des Meeresbodens zum Einsatz.

„Unsere wissenschaftlich unabhängigen Untersuchungen während dieses Kollektortests haben gezeigt, dass hierbei mit den Knollen die belebte Zone des Meeresbodens, die oberen vier bis acht Zentimeter, komplett entfernt wurden“, erläutert Dr. Matthias Haeckel, mariner Biogeochemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Koordinator des Projektes MiningImpact. In der Wassertiefe, in der Manganknollen vorkommen, baut sich diese Schicht durch das Absinken von abgestorbenem Plankton über 10.000 bis 20.000 Jahre wieder auf. Zudem wird der beim Abbau abgetragene Meeresboden in Form einer Sedimentwolke in das bodennahe Wasser eingeleitet, die sich auf dem Meeresboden auch außerhalb der Abbauflächen ablagert. „Dadurch wird eine deutlich größere Fläche als das Abbau-Areal geschädigt werden. Die Auswirkungen sind zudem langfristig – es wird Jahrhunderte dauern, bis sich die Ökosystemfunktionen in diesen Gebieten wieder erholt haben. Das spezielle Manganknollenhabitat ist jedoch dauerhaft zerstört“, ergänzt Dr. Felix Janßen, Co-Fahrtleiter der Expedition und Tiefseeforscher in der HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und ‑Technologie, ein Zusammenschluss der Gruppe Mikrobieller Lebensraum des Max-Planck-Instituts und der Tiefsee-Forschungsgruppe des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Damit die Nutzung dieser marinen Ressource ökonomisch wird, müsste eine einzelne industrielle Operation 200 bis 300 Quadratkilometer Fläche pro Jahr abbauen.

Manganknollen kommen auf dem Meeresboden in 4.000 bis 6.000 Meter Wassertiefe in allen Ozeanen vor und bilden sich sehr langsam über mehrere Millionen Jahre. Die etwa kartoffelgroßen Knollen aus Mangan- und Eisenoxiden sind von spezifischen Arten von Tiefseeorganismen besiedelt, wie z.B. gestielten Schwämmen, Weichkorallen, Seeanemonen und Seepocken, die auf dem weichen Tiefseeboden nicht vorkommen. „Aber auch im weichen Tiefseesediment leben Hunderte von Arten, wie Ruderfußkrebse, Schlangensterne, Würmer und Muscheln, die durch den Manganknollenabbau beinträchtigt werden. Die Artenvielfalt im Manganknollengebiet ist enorm. Die meisten Arten sind noch nicht beschrieben und über ihre Lebensweise ist noch gar nichts bekannt.“, betont Professor Dr. Pedro Martínez Arbizu, Fahrtleiter der Expedition und Leiter des Deutschen Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung bei Senckenberg.

Die Forschenden aus acht Europäischen Staaten arbeiten seit dem Jahr 2015 erfolgreich zu einem umfassenden Verständnis des Tiefseeökosystems in Manganknollengebieten sowie der Bewertung der Umweltrisiken durch Tiefseebergbau. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen entwickeln die MiningImpact Wissenschaftler:innen konkrete Handlungsvorschläge für den Mining Code der Internationalen Meeresbodenbehörde und tauschen sich mit verschiedensten Entscheidungsträgern zu Umweltstandards und den Möglichkeiten zur Minimierung von weitreichenden Umweltschäden aus. MiningImpact leistet damit seinen Beitrag zu der von der Bundesregierung diese Woche geforderten Umweltfolgenforschung von Tiefseebergbau.

Die jetzt stattfindende Expedition SO295 ist die fünfte Forschungsfahrt im Rahmen des MiningImpact-Projektes. Auf den vorangegangenen Expeditionen SO239 und SO242 wurden jahrzehntealte Störungsspuren in Manganknollengebieten untersucht, während die Expedition SO268 und die von der BGR geleitete Fahrt MANGAN 2021 der Erfassung des Ist-Zustands der Tiefsee-Ökosysteme und dem wissenschaftlich unabhängigen Monitoring des ersten industriellen Kollektortests dienten. SO295 wird den wichtigen ersten Datensatz zu den mittelfristigen Folgen auf die Tiefsee-Umwelt anderthalb Jahre nach dem Test erheben.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Die Bundesregierung hat eine „precautionary pause“ bei den Verhandlungen im Rahmen des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA gefordert. Deutschland unterstützt damit bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau. Weitere gute Neuigkeiten findet ihr auf unserem Good News Blog.

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