Forschung

Was die Forschung untersucht und herausfindet, wird durch  Wissenstransfer greifbar und verständlich.
Und ermöglicht so sinnvolles und effektives Handeln für die Meere .

Tang trägt Tiere von Küste zu Küste

Eine große Menge Seetang liegt vor der Küste Galways

© Amalia Klein / DEEPWAVE

Millionen Flöße aus Seetang treiben von Küste zu Küste des Südlichen Ozeans. Dabei tragen sie Seesterne, Asseln, Krustentiere, Gliederfüßer, Weichtiere und Würmer mit sich – riesige Mengen an Biomasse werden transportiert. Dadurch können sich die Organismen in neuen Regionen ansiedeln, wie ein internationales Forschungsteam der University of Otago nun herausgefunden hat. Durch den starken Zirkumpolarstrom kann der Seetang dabei sogar die schwer überwindbaren Barrieren der Antarktis bezwingen. Dieser Ferntransport könnte dem Aussterben einiger Arten durch sich verändernde Klimabedingungen entgegentreten. Mithilfe der Seetang-Flöße können marine Arten vor dem Klimawandel fliehen, wenn ihr ursprüngliches Habitat für sie unbewohnbar wird. So wird generell erwartet, dass sich die Lebensräume der Meeres- und Küstenbewohner weiter in Richtung der Pole verschieben.

Zwar bietet dieser Transportweg eine Fluchtmöglichkeit für bedrohte Arten, jedoch können sogenannte Neobiota (auch bekannt als invasive Arten) ökologische Gefahren mit sich bringen. Diesem Thema bedarf es also noch weiterer Beobachtung und Forschung.

Den Artikel „Tang trägt Tiere von Küste zu Küste“ von Wiebke Pfohl vom 09.06.2022 findet ihr bei Spektrum.

Leh­ren aus der Ver­gan­gen­heit: Wie Kalt­was­ser­ko­ral­len auf glo­ba­le Er­wär­mung re­agie­ren

Kalt­was­ser­ko­ral­len: Eine Nahaufnahme der Koralle Lophelia pertusa

© NOAA / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Pressemitteilung, 07. Juni 2022, MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten, Uni­ver­si­tät Bre­men

Ko­ral­len re­agie­ren auf Ver­än­de­run­gen ih­rer Um­ge­bung – das gilt so­wohl für tro­pi­sche wie für Kalt­was­ser­ko­ral­len und schließt zum Bei­spiel Ände­run­gen von Tem­pe­ra­tur, Salz­ge­halt und pH-Wert ih­rer Um­ge­bung ein. Jetzt ha­ben For­schen­de des MARUM un­ter der Lei­tung von Dr. Ro­d­ri­go da Cos­ta Por­til­ho-Ra­mos in ei­ner Stu­die un­ter­sucht, wie sich wär­me­re Tem­pe­ra­tu­ren im Zuge der Kli­ma­er­wär­mung auf Kalt­was­ser­ko­ral­len aus­wir­ken. Da­für ha­ben sie ge­nau­er be­trach­tet, wie Ko­ral­len in den ver­gan­ge­nen 20.000 Jah­ren auf Um­welt­ver­än­de­run­gen re­agiert ha­ben. Die Stu­die ist jetzt in der Fach­zeit­schrift PLOS Biology er­schie­nen.

Kalt­was­ser­ko­ral­len und hier ins­be­son­de­re die Art Lophelia pertusa sind Ar­chi­tek­ten kom­ple­xer Riff­struk­tu­ren. Sie bil­den die Grund­la­ge für wich­ti­ge Le­bens­räu­me von Tief­see­or­ga­nis­men, die in die­sen Struk­tu­ren Schutz, aber auch Nah­rung fin­den. Al­ler­dings re­agie­ren Ko­ral­len­rif­fe auch sen­si­bel auf sich än­dern­de Le­bens­be­din­gun­gen. Dazu ge­hö­ren etwa die Er­wär­mung der Ozea­ne, die Ver­saue­rung, der ab­neh­men­de Sau­er­stoff­ge­halt und auch der va­ri­ie­ren­de Nähr­stoff­zu­fluss. Ändert sich ei­ner die­ser Pa­ra­me­ter, zum Bei­spiel durch den glo­ba­len Kli­ma­wan­del, kann sich das auf die Ge­sund­heit des ge­sam­ten Ko­ral­len­riffs aus­wir­ken. Zu ver­ste­hen, wie ge­nau die­se Öko­sys­te­me auf Um­welt­ver­än­de­run­gen re­agie­ren, ist da­her laut der ak­tu­el­len Stu­die wich­tig, um sie künf­tig bes­ser schüt­zen zu kön­nen.

Um die kri­tischs­ten Pa­ra­me­ter iden­ti­fi­zie­ren zu kön­nen, die das Aus­ster­ben und Wie­der­an­sie­deln von Kalt­was­ser­ko­ral­len aus­lö­sen kön­nen, ha­ben Er­st­au­tor Ro­d­ri­go da Cos­ta Por­til­ho-Ra­mos vom MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men und sei­ne Kol­leg:in­nen Se­di­men­te von sechs Kalt­was­ser­ko­ral­len-Stand­or­ten im Nord­at­lan­tik und im Mit­tel­meer un­ter­sucht. In sol­chen Se­di­men­ten sind ver­gan­ge­ne Um­welt­be­din­gun­gen ge­spei­chert. Sie er­mög­li­chen es For­schen­den her­aus­zu­fin­den, wann und war­um sich Kalt­was­ser­ko­ral­len ver­mehrt ha­ben und wann nicht. Die Er­geb­nis­se, be­ton­ten die Au­tor:in­nen, wür­den auch zei­gen, wie die Ko­ral­len auf künf­ti­ge kli­ma­ti­sche Ver­än­de­run­gen re­agie­ren könn­ten. Die Stu­die ana­ly­siert Ver­än­de­run­gen der wich­tigs­ten Um­welt­fak­to­ren über die ver­gan­ge­nen 20.000 Jah­re, den Zeit­raum der letz­ten gro­ßen glo­ba­len Er­wär­mung nach der letz­ten Eis­zeit, und ver­gleicht die­se mit dem Auf­tre­ten von Kalt­was­ser­ko­ral­len.

„Wir ha­ben in die Ver­gan­gen­heit ge­blickt, um zu ver­ste­hen, wie Lophelia pertusa auf Um­welt­ver­än­de­run­gen re­agiert hat“, fasst Por­til­ho-Ra­mos zu­sam­men. Die Ko­ral­len ver­schwan­den oder kehr­ten in eine Re­gi­on meis­tens dann zu­rück, wenn sich das Nah­rungs­an­ge­bot für die Ko­ral­len oder der Sau­er­stoff­ge­halt des Was­sers ver­än­dert hat. Kalt­was­ser­ko­ral­len er­näh­ren sich von mi­kro­sko­pisch klei­nem Plank­ton und Par­ti­keln, die mit der Mee­res­strö­mung trans­por­tiert wer­den. We­nig Ein­fluss auf das Ab­ster­ben und die Ver­meh­rung von Kalt­was­ser­ko­ral­len hat­ten die Tem­pe­ra­tur und der Salz­ge­halt des Was­sers. „Dar­um ge­hen wir da­von aus, dass vor al­lem Nah­rungs­zu­fuhr und die Ver­füg­bar­keit von Sau­er­stoff die ent­schei­den­den Fak­to­ren sein wer­den, wenn es um Le­ben und Tod von Kalt­was­ser­ko­ral­len geht“, be­tont Por­til­ho-Ra­mos. Un­klar ist, wie sich die Oze­an­ver­saue­rung lang­fris­tig aus­wirkt, da es dazu kei­ne pa­läo­zea­no­gra­phi­schen Da­ten gibt.

Als Öko­sys­tem-In­ge­nieu­re tra­gen die Kalt­was­ser­ko­ral­len maß­geb­lich zur Ent­ste­hung von Bio­di­ver­si­täts-Hot­spots in der Tief­see bei. Mit ih­rem Ein­fluss auf Nah­rungs­net­ze und Nähr­stoff­kreis­läu­fe, mit ih­rer Rol­le als Fisch-Kin­der­gär­ten und mit ei­ner be­ein­dru­cken­den Bio­di­ver­si­tät lie­fern Kalt­was­ser­ko­ral­len-Rif­fe wich­ti­ge Öko­sys­tem-Leis­tun­gen. Um die­se auch in Zei­ten des Kli­ma­wan­dels in der Zu­kunft er­hal­ten zu kön­nen, bil­den die Er­geb­nis­se die­ser Stu­die eine wich­ti­ge Grund­la­ge, um wis­sens­ba­sier­te Ma­nage­ment­stra­te­gi­en für sol­che Tief­see-Öko­sys­te­me zu ent­wi­ckeln. Da­mit trägt sie auch maß­geb­lich zu den Zie­len des Bre­mer Ex­zel­len­clus­ters bei, dass sich der Er­for­schung des Oze­an­bo­dens wid­met.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Weitere Informationen zu Kaltwasserkorallenriffen und die Auswirkungen der Klimakrise, findet ihr in unserem Forschungs- und Klimablog.

Der Südozean, wie man ihn noch nie gesehen hat

Zirkumpolarstrom: Ein gewaltiger Eisberg ragt aus dem Meer

© 66north / Unsplash

Pressemitteilung, 07.06.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Eine neue Karte zeigt den Meeresboden des Südlichen Ozeans in nie dagewesenem Detail

Die Beschaffenheit des Ozeanbodens entscheidet mit darüber, wie sich Wassermassen und Strömungen in den Meeren bewegen und unser Klima beeinflussen. Auch die Lebensvielfalt im Meer ist beeinflusst von Meeresbodenstrukturen. Deshalb sind möglichst genaue Informationen zur Bodentopografie für meeres- und klimawissenschaftliche Forschung unabdingbar. Mit der zweiten Version der International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO v2) hat eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts die bislang beste und detailreichste Bodenkarte des Südlichen Ozeans vorgestellt, der im System Erde eine Schlüsselrolle spielt. Die Karte und die komplexe Entwicklungsmethodik wurden im Nature-Fachmagazin Scientific Data veröffentlicht.

Rund um den antarktischen Kontinent erstreckt sich mit dem Südozean eine Schlüsselregion für das System Erde und das Weltklima. Der von starken Westwinden – den berühmten „Roaring Fourties“ – angetriebene Antarktische Zirkumpolarstrom ist hier das zentrale verbindende Element der weltumspannenden thermohalinen Zirkulation und beeinflusst so die Meeresströmungen in Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean. Zudem nimmt das kalte Wasser des Südlichen Ozeans gigantische Mengen an CO2 und Wärme aus der Atmosphäre auf und puffert so vorübergehend einen Teil der negativen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels ab. Darüber hinaus ist er ein Ort hoher biologischer Produktivität und beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt.

Trotz dieser großen Bedeutung sind im Südozean – wie in anderen Ozeanen auch – bislang nur vergleichsweise wenige Regionen des Meeresbodens detailliert vermessen und kartiert. Satellitendaten liefern zwar ein flächendeckendes, aber nur relativ grob aufgelöstes Bild. Hochauflösende Daten können derzeit nur schiffsbasiert aufgezeichnet werden. Dies führt unter anderem dazu, dass Forschungsschiffe wie der Eisbrecher Polarstern mit ihren Fächerlotmessungen im Südlichen Ozean immer wieder auf bislang unbekannte topografische Highlights wie einen 1920 Meter hohen Seeberg stoßen, den sie nach Nelson Mandelas Spitznamen „Madiba Seamount“ benannten.

„Wo auch immer man hingeht oder arbeitet, braucht man eine Karte, um sich zu orientieren. Deshalb sind praktisch alle meereswissenschaftlichen Disziplinen auf detaillierte Karten des Meeresbodens angewiesen“, sagt Dr. Boris Dorschel-Herr, Leiter der Bathymetrie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „So ist die Bodentopografie im Südlichen Ozean zum Beispiel auch entscheidend für das Verständnis vieler klimarelevanter Prozesse. Warme Wassermassen etwa fließen in tiefen Trögen im Kontinentalschelf bis zu den Eisschelfen und Gletschern der Antarktis und beeinflussen deren Abschmelzen. Umgekehrt hängt auch das Abfließen von Gletschern sowie die Stabilität von Eisschilden maßgeblich von der Beschaffenheit des Untergrunds ab. Mit IBCSO v2 liefern wir nun die bislang beste und detailreichste Abbildung des Südlichen Ozeans.“

Die International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO) ist ein internationales und vom AWI koordiniertes Projekt zur Kartierung des Südlichen Ozeans. Bereits 2013 wurde ein erstes IBCSO-Datenraster (IBCSO v1) mit hochauflösender Karte für den Bereich südlich von 60°S veröffentlicht. In den folgenden Jahren hat die Menge neuer Messdaten erheblich zugenommen.

Seit 2017 ist IBCSO Teil des Nippon Foundation – GEBCO Seabed 2030 Project, das sich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, bis 2030 die Weltozeane zu vermessen. „Die neue Version von IBCSO – IBCSO v2 – für den Südlichen Ozean deckt nun in einer hohen Auflösung von 500 mal 500 Metern den kompletten Bereich südlich des 50. Breitengrades ab – und damit eine 2,4 mal größere Fläche Meeresboden als die erste Version“, erklärt Boris Dorschel-Herr. „Dadurch sind nun auch der Antarktische Zirkumpolarstrom und die für sein Verständnis wichtigen ozeanografischen ‚Gateways‘ – die Drake-Passage und die Tasmanische Passage – vollständig enthalten. In die Karte sind über 25,5 Milliarden Messungen eingeflossen, die von 88 Institutionen aus 22 Ländern zur Verfügung gestellt wurden.“

Das Datenraster und eine hochaufgelöste Karte des Südlichen Ozeans stehen frei verfügbar auf der Projektseite www.ibcso.org und unter https://doi.org/10.1594/PANGAEA.937574 zum Download online.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Hier findet ihr einen weiteren Beitrag zur thermohalinen Zirkulation und zum Zirkumpolarstrom. Schaut doch auch bei unserem Klima-Blog vorbei, falls ihr euch über die Entwicklungen der Antarktis und Arktis informieren wollt.

KI erkennt Riff-Gesundheit am Klang

Riff-Gesundheit: Ein buntes Korallenriff mit Feuerkorallen

© Jens Marwan

Nicht nur Wale, sondern auch Fische, Krebse und andere Riffbewohner geben Geräusche von sich, mit denen sie teilweise auch kommunizieren. Dicht besiedelte Riffe produzieren somit ihr eigene Musik, in toten wird es dagegen still. Forscher:innen haben nun einer Künstlichen Intelligenz beigebracht, den Gesundheitszustand eines Korallenriffes mithilfe seiner Soundkulisse zu erkennen. Bisher war es schwierig die Riff-Gesundheit mit visuellen oder akustischen Hilfsmitteln zu ermitteln, es waren aufwändige Arbeitsschritte sowie viele Taucher:innen nötig. Die Komplexität der Riff-Geräusche macht es für Menschen fast unmöglich, die Riff-Gesundheit anhand einzelner Tonaufnahmen zu bestimmen. Die KI der Forscher:innen konnte Algorithmen entwickeln, um die einzelnen Muster der Soundkulisse zu erkennen und somit auf den Gesundheitszustand des Riffes zu schließen. Zuvor wurde die KI mit Tonaufnahmen gefüttert, bei welchen der jeweilige Gesundheitszustand bekannt war.

Diese Methode klingt sehr vielversprechend für zukünftige Analysen der Riff-Gesundheit und deren Entwicklung. In vielen Fällen ist es kostengünstiger, praktikabler und weniger zeitaufwändig, anstatt regelmäßig Forschungstaucher:innen das Riff untersuchen zu lassen.

Den Artikel „Akustisches Monitoring – KI erkennt Riff-Gesundheit am Klang“ von Martin Vieweg vom 30.05.2022 sowie ein Video zu dem Thema findet ihr bei wissenschaft.de.

Das Original-Paper „Enhancing automated analysis of marine soundscapes using ecoacoustic indices and machine learning“ könnt ihr bei ScienceDirect nachlesen.

Warum Korallenriffe von so großer ökologischer Bedeutung sind, könnt ihr in unserem Factsheet nachlesen.

Durchbruch gegen die Plastikflut: Was 175 Staaten jetzt beschlossen haben

UN-Umweltversammlung: Junge Fische schwimmen um Plastikmüll an der Meeresoberfläche

© Naja Bertolt Jensen / Unsplash

Die UN-Umweltversammlung hat ein neues Plastikabkommen ins Leben gerufen, welches endlich die weltweite Plastikverschmutzung eindämmen soll. Drei Tage lang wurde einzig und allein über das Thema Plastik diskutiert – mit einem erfolgreichen und vielversprechenden Ergebnis. Bis Ende 2024 müssen konkrete Maßnahmen von den Mitgliedsstaaten definiert werden. Dafür soll sich bis zur nächsten Umweltversammlung ein Gremium mit der weltweiten Plastikproduktion, dem Plastikkonsum und der Entsorgung auseinandersetzen. Das Ziel ist ein verbindliches Abkommen wie das Kyoto-Protokoll oder das Pariser Klimaabkommen. Auf folgende Punkte haben sich die UN-Mitgliedsstaaten bereits geeinigt:

  • Das Gremium soll den Lebenszyklus von Plastik, also die Herstellung, die Verwendung und die Entsorgung, genau unter die Lupe nehmen.
  • Es sollen Höchstgrenzen für die Produktion und den Verbrauch festgelegt werden.
  • Es sollen Maßnahmen gegen den Müll ergriffen werden, der sich bereits in der Umwelt befindet.
  • Ärmere Länder sollen finanziell unterstützt werden, sodass diese Abfallsysteme ausarbeiten können.

Wir blicken zuversichtlich auf das neue Abkommen der UN-Umweltversammlung, jedoch muss dieses auch konsequent durchgesetzt und nicht wie das Kyoto-Protokoll oder das Pariser-Klimaabkommen untergraben werden.

Den Artikel „Durchbruch gegen die Plastikflut: Was 175 Staaten jetzt beschlossen haben“ vom 31.05.2022 von Désiree Schneider findet ihr bei Perspective Daily.

Perspective Daily ist eine Plattform für konstruktiven Journalismus, die wir gerne unterstützen wollen. Die Artikel von Perspective Daily befinden sich hinter einer offenen Paywall. Lasst PD gerne ein Abo da, um alle Artikel sehen zu können und den konstruktiven Journalismus zu unterstützen.

Mehr zum Thema Plastikverschmutzung findet ihr bei unserer Blue Straw-Kampagne.

Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten

Geisterfossilien - Abdruck mehrerer Ammoniten auf einem großen Stein am Strand

© Ashleigh Joy Photography / Unsplash

Der Klimawandel und die damit einhergehende Ozeanversauerung macht sich immer stärker in unseren Meeren bemerkbar. Einige Planktonarten, darunter auch die Coccolithophoriden (Kalkflagellaten), produzieren im Zuge ihres Stoffwechsels Kalziumkarbonat, wodurch sie Kalkschalen oder -skelette ausbilden. Die Versauerung des Meerwassers stellt ein großes Problem für diese Organismen dar, denn die Säure zersetzt die lebensnotwendigen Kalkgebilde. Auch in den vergangenen Warmphasen der Erdgeschichte wurden bisher keine Fossilien der Coccolithophoriden gefunden. Nun fanden jedoch schwedische Forscher:innen „Geisterfossilien“, die dafür sprechen könnten, dass die Kalkflagellaten eventuell besser mit der Klimakatastrophe zurecht kommen, als bisher erwartet wurde.

Bei den gefundenen Fossilien handelt es sich nicht um die Kalkschalen selbst, sondern um ihre Abdrücke auf  Pollenfossilien, weshalb das Forscherteam diese als „Geisterfossilien“ bezeichnet. Diese Funde deuten darauf hin, dass die Coccolithophoriden trotz der ungünstigen Klimabedingungen während der Erwärmungsereignisse in der Jura- und Kreidezeit existiert haben müssen. Der Fund der winzig kleinen Abdrücke war somit eine riesige Überraschung für die Forscher:innen. Sie haben jedoch eine Erklärung dafür, wieso bisher wahrscheinlich noch keine vollständigen Fossilien der Kalkflagellaten entdeckt wurden. Der erhöhte Säuregehalt des umgebenen Wassers muss die Kalkplatten im Nachhinein aufgelöst haben, wodurch nur noch die Abdrücke und nicht mehr ganze Fossilien zu finden sind. Darum blieb die Existenz der Coccolithophoriden zu diesen Epochen bisher auch unentdeckt. Aufgrund dieser Entdeckung könnte man davon ausgehen, dass die Kalkalgen durch den Klimawandel eventuell weniger stark belastet werden, als bisher angenommen wurde. Jedoch warnt das Forschungsteam auch vor falscher Vorsicht, denn die Klimakrise verläuft viel schneller, als bisherige Warmphasen. Somit ist es sehr schwierig, Vorhersagen diesbezüglich zu treffen.

Den Artikel „Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten“ vom 19.05.2022 von Elena Bernard findet ihr bei wissenschaft.de.

Das Originalpaper „Global record of “ghost” nannofossils reveals plankton resilience to high CO2 and warming“ von Sam Slater findet ihr bei science.

Falls ihr noch mehr zur Ozeanversauerung und der Anpassung der Kalkalgen lesen möchtet, schaut euch doch diesen Beitrag von uns an: „Ozeanversauerung – die Grenzen der Anpassung“ .

Delfine verarzten ihre Hautprobleme mit Korallenschleim

Drei Delfine schwimmen im Korallenriff von Shaab El Erg im Roten Meer

© Jens Marwan

Viele Menschen bezeichnen Delfine als ihre Lieblingstiere. Kein Wunder, denn die Meeressäuger mit dem freundlichen Lächeln sind enorm intelligent und haben ein komplexes Sozialverhalten und Kommunikationsvermögen. Wie im folgenden Video zu sehen ist, wurden auch schon Sichtungen dokumentiert, in denen Delfine Schwämme oder Schneckenschalen als Werkzeuge benutzen, um beispielsweise an Nahrung an scharfkantigen Spalten zu gelangen. Diese Fähigkeiten bringen sie sich untereinander in ihren Lebensgemeinschaften bei, meistens von Mutter zu Tochter.

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=5MmBN_E3qDo

 

Nun untersuchte ein internationales Forschungsteam in Ägypten eine weitere interessante Eigenschaft der Delfine, die zeigt, wie clever diese Säugetiere sind. Mithilfe von Korallenschleim und Schwämmen scheinen sich Indopazifische Große Tümmler selbst zu verarzten.

Bereits vor dreizehn Jahren hat die Schweizer Wildtierbiologin Angela Ziltener beim Tauchen entdeckt, dass Delfine dieser Art ihre Körper an Korallen und Schwämmen reiben. Dabei war auffällig, dass nur manche Arten, wie zum Beispiel die Gorgonienkoralle, für die Tiere dabei in Frage kamen. Riffe, in denen diese Korallenarten anzutreffen sind, sind wichtige Rückzugsorte für die Delfinpopulationen des Roten Meeres. Warum die Tümmler zu diesem Verhalten neigen, war zunächst unklar. Nachdem die ausgewählten Korallen- und Schwammarten untersucht wurden, wurde klar, dass es den Delfinen wohl um den Schleim geht, den Korallenpolypen absondern, wenn sie gereizt werden. Dieser Schleim enthält viele Substanzen mit antibakterieller oder antioxidativer Wirkung. Dies deutet darauf hin, dass die Delfine diese Verbindungen nutzen, um das Mikrobiom ihrer Haut zu regulieren und Infektionen vorzubeugen oder zu behandeln. Sie betreiben also Körperpflege und Selbstmedikation. Bei großem Andrang stellen sich die Delfine sogar in einer Reihe an, so als würden sie wie wir morgens auf das freie Badezimmer warten.

Den Artikel „Delfine verarzten ihre Hautprobleme mit Korallenschleim“  vom 19. Mai 2022 findet ihr bei Der Standard.

Das Originalpaper „Evidence that Indo-Pacific bottlenose dolphins self-medicate with invertebrates in coral reefs“ wurde in iScience veröffentlicht.

Um den Delfinen auch in Zukunft ein sicheres Zuhause sichern zu können, müssen unsere Korallenriffe besser geschützt werden. Außerdem werden Delfine und Wale enorm durch den Unterwasserlärm, die Fischerei, die Tourismusbranche und die Plastikflut belastet. Diesen Problemen müssen wir uns entgegenstellen!

Schaut euch auch gerne unsere Buchempfehlung zu „Die Insel der Delfine“ an, falls ihr noch einen Lesetipp benötigt.

Mit Gesteinsmehl gegen den Klimawandel

© Ulf Riebesell, GEOMAR 

Pressemittelung vom 15. Mai 2022, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

Das Projekt OceanNETs erforscht in einem norwegischen Fjord Methoden zur Aufnahme von Kohlendioxid im Ozean

17.05.2022/Kiel/Bergen. Wie kann Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernt und sicher und dauerhaft im Ozean gespeichert werden? Dieser Frage gehen Wissenschaftler:innen aus sieben Nationen unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in einem gerade begonnenen Experiment im Raunefjord bei Bergen, Norwegen nach. In Mesokosmen, frei schwimmenden, abgeschlossenen Versuchsanlagen, untersuchen sie, ob der Ozean durch eine gezielte Zugabe basischer Mineralien – genannt Alkalinisierung – mehr CO2 aufnehmen kann und welchen Einfluss dies auf Lebensgemeinschaften im Meer hat. Die bis Mitte Juli dauernde Studie findet im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projekts Ocean-based Negative Emission Technologies (OceanNETs) statt.

Das Ziel ist eindeutig: Im Übereinkommen von Paris hat die Weltgemeinschaft beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie unter 1,5° Celsius zu halten. Dies ist nur zu erreichen, wenn wir unsere Treibhausgas-Emissionen drastisch senken und Maßnahmen ergreifen, um Kohlendioxid (CO2) aktiv wieder aus der Atmosphäre zu entfernen – also „negative Emissionen“ zu erzeugen. Inwieweit der Ozean hierbei helfen kann und welche Risiken und Nebenwirkungen damit verbunden sein könnten, untersucht derzeit ein internationales 43-köpfiges Team von Forschenden unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in einer Feldstudie südlich von Bergen.

Für das Langzeit-Experiment setzen die Forschenden die am GEOMAR entwickelten Mesokosmen ein, eine Art übergroßer Reagenzgläser mit 20 Metern Länge und einem Durchmesser von zwei Metern. In den abgeschlossenen Behältern wird der pH-Wert des Meerwassers durch die gezielte Zugabe von Mineralien erhöht. Diese so genannte Alkalinisierung wirkt nicht nur der Ozeanversauerung entgegen, sondern erhöht auch das Potential des Ozeans, CO2 zu binden. Regelmäßige Probennahmen und Messungen dokumentieren die chemischen und biologischen Veränderungen in den Mesokosmen über einen Zeitraum von etwa acht Wochen.

Das untersuchte Verfahren ist einem natürlichen Prozess nachempfunden: In der freien Natur sind Mineralien aus Gesteinen und Böden für die Alkalinität von Gewässern verantwortlich. Im Experiment werden gelöschter Kalk – stellvertretend für kalziumbasierte Mineralien – und Magnesium-Silikat – als Vertreter für siliziumhaltige Mineralien – zur Alkalinisierung genutzt, da sie frei von Unreinheiten regulärer Mineralien sind und sich zudem leichter im Wasser lösen. Das Experiment soll klären, wie effektiv hierdurch zusätzliches CO2 gebunden wird, welche der beiden Substanzen bessere Ergebnisse erzielt und vor allem, wie sich die Ozean-Alkalinisierung auf marine Lebensgemeinschaften auswirkt.

„Wir müssen an Wegen arbeiten, um dem Klimawandel aktiv zu begegnen. Das Problem wird immer drängender. Selbst wenn es uns gelingt, die CO2-Emissionen schnell und energisch zu reduzieren, wird es immer noch Treibhausgas-Emissionen geben, die wir nicht vermeiden können“, sagt Professor Dr. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR und Leiter der Studie. „Wir wollen mit unserer Forschung sichere und nachhaltige Lösungen entwickeln helfen, mittels derer sich Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen lässt. Dabei ist es besonders wichtig, negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt auszuschließen.“

Mesokosmen-Studien eignen sich besonders, um die Auswirkungen von Veränderungen im Meerwasser zu untersuchen, ohne dabei die Meeresumwelt zu beeinflussen. Durch die abgeschlossene Struktur der „Riesen-Reagenzgläser“ können die Bedingungen im enthaltenen Wasser kontrolliert verändert werden. Mesokosmen schließen natürliche Lebensgemeinschaften ein und sind während der Experimente den realen Umweltbedingungen ausgesetzt, so dass naturnahe Zustände simuliert werden können. Dies ist im Labor nicht möglich.

Neben den Wissenschaftler:innen vom GEOMAR sind auch Forschende der Universität Bergen, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Universität Hamburg, der Universität von Las Palmas de Gran Canaria, des Alfred-Wegener Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung, des Bigelow Laboratory for Ocean Sciences, der University of Tasmania, der Southern Cross University, der University of Agder und der Technischen Universität Dänemark am Experiment beteiligt.

„Die Ergebnisse der Studie in Norwegen und eines vergleichbaren Experiments, das im Herbst 2021 auf Gran Canaria durchgeführt wurde, fließen in eine übergreifende Bewertung verschiedener ozean-basierter Maßnahmen zur aktiven CO2-Entnahme ein“, erklärt Dr. David Keller, Erdsystemmodellierer am GEOMAR und Koordinator des Projekts OceanNETs. „Dabei verfolgen wir einen transdisziplinären Ansatz, der neben naturwissenschaftlichen auch wirtschaftliche, rechtliche und soziale Aspekte berücksichtigt. Unsere Ergebnisse und Bewertungen sollen dazu beitragen, eine Entscheidungsgrundlage für den möglichen Einsatz von Maßnahmen zur aktiven CO2-Entfernung zu liefern. Welche Maßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, kann nur durch Abwägung aller Vor- und Nachteile und eingebunden in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess zur Minderung des Klimawandels entschieden werden.“

Projektförderung und -koordination:

Neben dem Projekt OceanNETs, welches die Europäische Union im Rahmen des Horizon2020-Programms fördert, wird die Studie auf Bergen zusätzlich aus dem EU-Projekt AQUACOSM-plus co-finanziert. Das Projekt OceanNETs wird am GEOMAR von Dr. David Keller koordiniert.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss Deutschland bis 2035 CO₂ sein. Welche katastrophalen Auswirkungen der Klimawandel für unsere Meere hat, zeigt der IPCC-Sonderbericht.

NABU zum Tag des Ostseeschweinswals (15.5.): Beifänge unbedingt vermeiden

Ein Ostseeschweinswal schwimmt nahe an der Wasseroberfläche

© Erik Christensen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Pressemitteilung, 13.05.22, NABU

Krüger: Für ein Miteinander von Fischerei und Meeresnatur müssen sich Fangmethoden ändern

Berlin – Zum Internationalen Tag des Ostseeschweinswals am 15. Mai fordert der NABU mehr Engagement im Schutz von Deutschlands einzigem heimischen Wal. Stellnetze, in denen sie als Beifang landen, gelten neben Unterwasserlärm als größte Gefahr für Schweinswale. Der NABU beteiligt sich jetzt an einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Thünen-Institut für Ostseefischerei mit dem Ziel, ungewollte Beifänge von Schweinswalen und Seevögeln zu vermeiden und umweltschonende Fischerei belohnen.

In der zentralen Ostsee leben nur noch knapp 500 Schweinswale. Der kleine Meeressäuger ist hier vom Aussterben bedroht. Der Bestand in der westlichen Ostsee zählt noch bis zu 40.000 Tiere, gilt aber ebenfalls als gefährdet. Insbesondere der Beifang in Stellnetzen verhindert eine Erholung der Schweinswalbestände. Die Wale verfangen sich in den feinen Netzmaschen der teilweise kilometerlanger Stellnetze, weil sie diese trotz ihres Biosonars nicht erkennen können, und ertrinken qualvoll. „Die Zeit zum Handeln drängt. Die Europäische Kommission hat jüngst Notfallmaßnahmen mit räumlichen Fischereiverboten zum Schutz der Wale verhängt, auch an unserer Küste in der Pommerschen Bucht. Das ist gut, reicht aber noch nicht aus. Die Zukunft des Miteinanders von Meeresnatur und Fischerei liegt in einer technischen und operativen Neuausrichtung des Fischfangs“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Das Forschungsprojekt STELLA II (Stellnetz-Lösungsansätze) will dazu einen Beitrag leisten. Es untersucht, wie Stellnetze für Schweinswale besser „sichtbar“ werden. Gleichzeitig werden alternative Fanggeräte – Pontonreusen und Fischfallen – auf ihre Fängigkeit, Handhabbarkeit und Naturverträglichkeit erforscht. Dabei setzt das Projekt auf die intensive Zusammenarbeit mit der Fischerei. „Nur mit dem Wissen und der Akzeptanz der Fischerei für neue Wege der Fangtechnik und der Fangpraxis kann ein Neustart in schwierigen Zeiten sinkender Fischbestände und steigender Betriebskosten gelingen. Wichtig dabei, eine nachhaltige Fischerei muss sich auch wirtschaftlich lohnen. Ein schonend gefangener Fisch muss bessere Preise am Markt erzielen als konventionell erwirtschafteter. Auch hier möchten wir die Fischerei unterstützen und gemeinsam an innovativer Vermarktung arbeiten“, ergänzt NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff.

Jedes Jahr im Mai ruft ASCOBANS, das Abkommen zum Schutz von Kleinwalen unter dem Dach der Bonner Konvention zum Schutz wandernder Arten, zum Tag des Ostseeschweinswals auf. Europaweit machen Wissenschaft und Naturschutz auf die Situation und den notwendigen Schutz des kleinen Zahnwals aufmerksam.

Das Projekt STELLA II baut auf früheren Arbeiten des Thünen-Instituts und auch des NABU auf. Gefördert wird es durch Mittel des Bundesamtes für Naturschutz. Noch in diesem Jahr sollen die ersten innovativen Fanggeräte in der Ostsee eingesetzt werden.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Das Forschungsprojekt STELLA II untersucht, wie genau sich der Beifang des Ostseeschweinswals effektiv reduzieren könnte. Damit sich der Bestand langfristig erholen kann, fordert der NABU außerdem eine Ausweitung des Stellnetzverbots.

Wie und warum die Bundeswehr weitere Schutzmaßnahmen für die Schweinswale blockiert, könnt ihr auf unserem Politikblog nachlesen.

Die globale „Plastikflut“ erreicht die Arktis

Müll auf einer arktischen Meereisscholle. Seine Herkunft ist unbekannt.

© Alfred-Wegener-Institut / Melanie Bergmann

Pressemitteilung, 05.04.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

AWI-Studie zeigt: Plastikmüll verschmutzt den Arktischen Ozean in bedenklichem Ausmaß
Vor der weltweiten Verschmutzung mit Plastikmüll bleibt auch der hohe Norden nicht verschont. Wie eine internationale Übersichtsstudie des Alfred-Wegener-Instituts zeigt, hat die Plastikflut längst alle Lebensräume der Arktis erreicht. So treiben auch im Arktischen Ozean große Mengen von Plastik, das über Flüsse, die Luft und Schiffe ins Meer gelangt. Hohe Konzentrationen von Mikroplastik finden sich im Wasser, am Meeresboden, an unbewohnten Stränden, in Flüssen und selbst in Eis und Schnee. Das Plastik belastet dabei nicht nur die Ökosysteme, sondern könnte sogar den Klimawandel befeuern. Die Studie ist im Fachmagazin Nature Reviews Earth & Environment erschienen.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Etwa 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll landen heute pro Jahr in den Gewässern der Welt – das entspricht fast zwei LKW-Ladungen pro Minute. Weil Plastik besonders stabil ist, reichert es sich in den Ozeanen an und zerfällt mit der Zeit in immer kleinere Teile – vom Makro- bis hin zum Mikro- und Nanoplastik und gelangt so auch ins menschliche Blut. Und die Müllflut verstärkt sich wohl noch: Bis 2045 wird sich die weltweite Plastikproduktion voraussichtlich verdoppeln.
Die Folgen sind ernst. Schon heute kommen praktisch alle untersuchten Meeresbewohner – vom Plankton bis zum Pottwal – mit Plastikmüll und Mikroplastik in Berührung. Und das in allen Bereichen der Weltmeere – vom tropischen Strand bis in die tiefsten Meeresgräben. Wie die aktuelle Studie des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) nun zeigt, bleibt auch der hohe Norden nicht verschont. „Die Arktis wird noch immer als weitgehend unberührte Wildnis wahrgenommen“, sagt AWI-Expertin Dr. Melanie Bergmann. „Mit unserer Übersichtsstudie, die wir gemeinsam mit Forschenden aus Norwegen, Kanada und den Niederlanden verfasst haben, zeigen wir, dass dieses Bild nicht mehr der Realität entspricht. Denn nicht nur der Klimawandel schlägt in den nördlichen Breiten besonders hart zu, auch die Plastikflut hat den Arktischen Ozean schon längst erreicht. Und unsere Forschungsergebnisse zeigen sogar, dass die Verschmutzung immer noch ansteigt.“

Das im Artikel resümierte Wissen zeichnet ein trübes Bild. Die Arktis ist zwar vergleichsweise dünn besiedelt, zeigt aber in allen Lebensräumen – von Stränden über die Wasseroberfläche und die Wassersäule bis hin zum Meeresgrund – ähnliche Verschmutzungsgrade mit Plastik wie dicht besiedelte Regionen der Welt. Die Verschmutzung speist sich dabei neben lokalen auch aus fernen Quellen. Insbesondere Ozeanströmungen aus dem Atlantik und der Nordsee und über die Beringstraße aus dem Nordpazifik tragen zum Zustrom bei. Auch die Luft trägt kleines Mikroplastik gen Norden. Dazu kommen die Flüsse. Der Arktische Ozean macht zwar nur rund 1 Prozent des Gesamtvolumens der Weltmeere aus, erhält aber mehr als 10 Prozent des globalen Wasserzustroms durch Flüsse, die unter anderem aus Sibirien Plastik ins Meer spülen. Wenn dann im Herbst vor der Küste Sibiriens Meerwasser gefriert, wird treibendes Mikroplastik in die Eismatrix eingeschlossen. Das Eis bewegt sich dann mit der Transpolaren Drift in die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen, schmilzt dort im Sommer und gibt seine Plastikfracht wieder frei.

Zu den wichtigsten lokalen Quellen zählen Müll und Abwasser aus arktischen Siedlungen und Plastikmüll von Schiffen – vor allem im Bereich der Fischerei. Besonders die Netze und Seile sind dabei ein großes Problem. Diese werden von Fischern absichtlich im Meer entsorgt oder gehen versehentlich verloren. Daher stammt ein Großteil des Mülls im europäischen Teil der Arktis aus der Fischerei: An einem Strand auf Spitzbergen waren es laut einer AWI-Studie fast 100 Prozent der angeschwemmten Plastikmasse.

„Zu den Auswirkungen der Plastikflut speziell auf die arktischen Meeresorganismen existieren leider nur vergleichsweise wenige Studien“, erklärt Melanie Bergmann. „Viel spricht jedoch dafür, dass die Folgen ähnlich gravierend sind wie in besser untersuchten Regionen: Auch in der Arktis verheddern sich viele Tiere – Eisbären, Robben, Rentiere und Meeresvögel – im Plastik und sterben. Auch in der Arktis führt gefressenes Mikroplastik wahrscheinlich zu verringertem Wachstum und verringerter Fortpflanzung, zu physiologischem Stress und Entzündungsreaktionen im Gewebe von Meerestieren und durchfließt die Adern der Menschen.“

Besonders dünn ist die Datenlage in Bezug auf eventuelle Rückkopplungseffekte zwischen Plastikmüll und Klimawandel. „Hier gibt es dringenden Forschungsbedarf“, sagt die AWI-Expertin. „Denn erste Studien liefern Indizien dafür, dass eingeschlossenes Mikroplastik die Eigenschaften von Meereis und Schnee verändert.“ So könnten etwa viele dunkle Partikel im Eis dazu führen, dass es mehr Sonnenlicht absorbiert und dadurch schneller schmilzt. Das wiederum verstärkt über die sogenannte Eis-Albedo-Rückkopplung die globale Erhitzung. Außerdem bilden Plastikteilchen in der Atmosphäre Kondensationskerne für Wolken und Regen und könnten so das Wetter und langfristig das Klima beeinflussen. Und nicht zuletzt trägt Plastik über seinen gesamten Lebenszyklus derzeit mit 4,5 Prozent zum globalen Treibhausgasausstoß bei.

„Unsere Studie zeigt, dass die Plastikverschmutzung in der Arktis bereits ähnlich hoch ist, wie in anderen Regionen der Welt. Das passt zu Modellrechnungen, die in der Arktis eine weitere Anreicherungszone prognostiziert haben“, erklärt Melanie Bergmann. „Die Folgen sind hier aber vielleicht sogar noch ernster. Denn die Arktis erhitzt sich im Zuge des Klimawandels drei Mal schneller als der Rest der Welt. Die Plastikflut trifft also auf Ökosysteme, die ohnehin schon extrem belastet sind. Die im Februar auf der UN-Umweltkonferenz beschlossene Resolution für ein globales Plastikmüll-Abkommen ist ein wichtiger erster Schritt. Bei den Verhandlungen in den nächsten zwei Jahren müssen wirksame, rechtsverbindliche Maßnahmen festgeschrieben werden, die auch Minderungsziele in der Plastikproduktion beinhalten. Dabei ist Deutschland ebenso in der Pflicht, bezüglich der globalen Verbreitung sein Plastikaufkommen zu verringern, wie die reichen Arktis-Anrainerstaaten, die den Eintrag aus lokalen Quellen mindern und zum Beispiel das oft kaum vorhandene Müll- und Abwassermanagement ihrer Siedlungen verbessern müssen. Zudem sollten auch die internationale Schifffahrt in Bezug auf Müll und die Fischerei in Bezug auf die Fischernetze stärker reguliert und kontrolliert werden.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Die Plastikflut greift inzwischen in alle Bereiche unserer Ozeane. Nicht nur in der Arktis, sondern auch in der Tiefsee wurde bereits Plastik entdeckt. Mehr zur Plastikverschmutzung und was ihr dagegen tun könnt, findet ihr bei unserer Blue Straw Kampagne.

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