Forschung
Was die Forschung untersucht und herausfindet, wird durch Wissenstransfer greifbar und verständlich.
Und ermöglicht so sinnvolles und effektives Handeln für die Meere .
Zero-Waste: Vancouver verbietet Einwegplastik
Vancouver ist die erste Stadt in Kanada, die ab Juni 2019 Plastikhalme, Styroporbecher und To-Go Behälter verbietet. Das ist ein großer Schritt für die Stadt in Richtung ihrer „Zero-Waste“ Strategie, die sie bis 2040 erreichen möchte. Und das Problem ist sehr groß: Jede Woche landen allein 4,6 Millionen Plastikbecher und -tüten im Müll, wovon Einwegverpackungen etwa 50 Prozent des gesamten Mülls ausmachen. Die finanzielle Folge ist, dass der Staat jedes Jahr etwa 2,5 Millionen Dollar Steuergelder dafür ausgibt, die Umwelt sauber zu halten.
Im Rahmen der Zero-Waste Strategie hat sich Vancouver nicht nur der Vermeidung von Plastikmüll sondern von Müll im allgemeinen verschrieben. Bis 2040 sollen die Menschen keine Lebensmittel mehr wegwerfen und unbrauchbare Lebensmittel sollen kompostiert oder zu Öl verarbeitet werden. Die Stadt will zudem die Langlebigkeit von Produkten durch Reparaturen fördern und dazu anregen, Güter möglichst mit anderen Haushalten zu teilen. Durch diese Maßnahmen soll der Konsum eingeschränkt werden. Nun ist zu hoffen, dass die Zero-Waste Strategie bald Nachahmer findet und Vancouver bis 2040 seine Ziele erreicht.
Den Artikel Vancouver will be the 1st Canadian city to ban plastic straws, foam cups and foam containers von Josh Duncan vom 17.05.2018 findet ihr bei Kelowna Now.
Den vollständigen Bericht zur „Complete Zero Waste 2040“ Strategie findet ihr in diesem PDF.
Auch DEEPWAVE setzt sich mit der BLUE STRAW Kampagne und dem NoStraw-Shop für ein Ende der Wegwerfprodukte ein.
Gigantisches submarines Kaltwasserkorallen-Gebirge
Pressemitteilung, 04.03.2018, MARUM
Internationales Forscherteam untersucht Korallenriffe vor Mauretanien
Auf einer Länge von etwa 400 Kilometern erstreckt sich am Meeresboden vor der Küste Mauretaniens die weltweit größte zusammenhängende Kaltwasserkorallenstruktur. Dr. Claudia Wienberg vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und ihre Kolleginnen und Kollegen haben untersucht, wie sich die Kaltwasserkorallen vor Mauretanien in den vergangenen 120.000 Jahren entwickelten. Ihre Ergebnisse haben sie in der Zeitschrift Quaternary Science Reviews veröffentlicht.
Anders als tropische Korallen, die in flachen, lichtdurchfluteten Gewässern leben, findet man Kaltwasserkorallen in Wassertiefen von mehreren hundert bis tausend Metern. Mehr als die Hälfte der bekannten, heute lebenden Korallenarten existieren in völliger Dunkelheit in der Tiefsee. Auch sie sind geschäftige Ingenieure, die beeindruckende Korallenriffe aufbauen. Maßgeblich an der Riffbildung beteiligt ist die Kaltwasserkorallenart Lophelia pertusa. Sie gehört zu den Steinkorallen und bildet stark verzweigte, buschartige Kolonien. Wo viele solcher Kolonien nebeneinander existieren, bilden sich riffartige Strukturen, die neuen Lebensraum bieten für verschiedene andere Tierarten wie Weichkorallen, Fische, Krebse und Schwämme. Eine Kaltwasserkoralle sitzt ihr Leben lang fest verbunden auf dem Substrat, auf dem die Larve einst siedelte. Kaltwasserkorallen wachsen bevorzugt auf ihresgleichen und lassen so über Zeiträume von Jahrtausenden bis Jahrmillionen riesige Strukturen am Meeresboden entstehen.
Alpen vor Mauretanien
Die weltweit größte zusammenhängende Kaltwasserkorallenstruktur mit einer Länge von etwa 400 Kilometern existiert entlang der Mauretanischen Küste. Hier erreichen die Korallenhügel Höhen von 100 Metern. „Die Größe der Hügel und die Länge dieser Strukturen ist wirklich speziell. Im Grunde genommen könnte man hier tatsächlich von einem Kaltwasserkorallen-Gebirge unter Wasser sprechen“, sagt Dr. Claudia Wienberg vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen. „Vor Mauretanien sind die einzelnen Kaltwasserkorallen-Hügel vermutlich über die Zeit zusammengewachsen. So etwas gibt es nirgendwo sonst in den Weltmeeren.“ Wienberg war Teil eines internationalen Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das an Bord des Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN dieses Gebiet intensiv beprobte, um mehr über die Entwicklung der Kaltwasserkorallen zu erfahren. In einer Studie, die im Wissenschaftsjournal Quaternary Science Reviews veröffentlicht wurde, stellen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen nun die Ergebnisse vor.
Sauerstoffmangel versetzte Korallen in Ruhezustand
Prof. Dr. Norbert Frank und sein Team von der Universität Heidelberg analysierten Korallenfragmente von der Oberfläche und aus verschiedenen Tiefen des Meeresbodens und bestimmten deren Alter. Mit diesen und weiteren Untersuchungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachzeichnen, wie sich die Kaltwasserkorallen vor Mauretanien in den vergangenen 120.000 Jahren entwickelten. So gab es in der Vergangenheit immer wieder Phasen, in denen die Wachstumsraten Spitzenwerte von 16 Metern pro 1000 Jahre erreichten. So schnell wächst nicht einmal das derzeit größte Kaltwasserkorallen-Riff vor Norwegen. Vor fast 11.000 Jahren stagnierte das Wachstum der Mauretanischen Korallenhügel. Zu dieser Zeit sind die Korallen wahrscheinlich gänzlich von den Hügeln verschwunden. Erst heute tauchen dort wieder vereinzelt lebende Kaltwasserkorallen auf. Das Wachstum der Korallen hängt von verschiedenen Umweltbedingungen ab, wie Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, dem Nahrungsangebot und den vorherrschenden Strömungen, die Nahrung zu den unbeweglichen Kaltwasserkorallen transportieren. Von allen Einflüssen machten die Forschenden den niedrigen Sauerstoffgehalt von etwa 1 Milliliter Sauerstoff pro Liter Wasser als kritischen Faktor aus. „Das ist extrem wenig. Ursprünglich wurde angenommen, dass bei 2,7 Milliliter pro Liter die unterste Grenze für Kaltwasserkorallen liegt, bei der sie zwar überleben, aber keine Riffe mehr bauen können“, so Wienberg. „Die vereinzelten Kaltwasserkorallen auf den Hügeln zeigen zwar, dass sie zumindest zeitweise sehr geringe Sauerstoffgehalte überleben können, aber gut geht es ihnen nicht.“
Die Ergebnisse zeigen, dass die Hochphasen der Kaltwasserkorallen, in denen die Hügel in die Höhe wuchsen, mit Zeiten zusammenfallen, in denen mit Sauerstoff angereicherte Wassermassen aus dem Norden in das Gebiet strömten. Waren die Kaltwasserkorallen in der Vergangenheit wie auch heute von sauerstoffarmen Wassermassen aus dem Süden umströmt, so wuchsen die Hügel nicht oder nur sehr langsam. Je nach vorherrschendem Klima verschob sich die Front zwischen diesen Wassermassen von Nord nach Süd und umgekehrt, und die Korallen wurden von sauerstoffreichem, dann wieder von sauerstoffarmem Wasser umströmt.
Wienbergs Theorie zufolge fanden die Kaltwasserkorallen bei extrem niedrigen Sauerstoffgehalten in kleineren Schluchten zwischen den großen Hügelstrukturen Zuflucht. In diesen Canyons finden sich heutzutage auch weit mehr Kaltwasserkorallen als auf den Hügeln. Die schwimmenden Korallenlarven sind über eine gewisse Strecke mobil, bevor sie sich endgültig niederlassen. So könnten Migrationsbewegungen von den Hügeln in die Canyons und – unter dem Einfluss der nördlichen Wassermassen – wieder zurück stattgefunden haben.
„Laut wissenschaftlicher Prognosen werden sich die Zonen mit geringem Sauerstoffgehalt in den Weltmeeren weiter ausdehnen“, so Wienberg. „Auch wenn Kaltwasserkorallen eine hohe Toleranz zeigen, so ist dies doch ein entscheidender Stressfaktor für diese Ökosysteme der Tiefsee. Hinzu kommen die durch den Klimawandel erhöhten Wassertemperaturen sowie die zunehmende Ozeanversauerung.“
Diese Pressemittelung findet ihr beim MARUM.
Weitere Informationen zu Korallenriffen und die Auswirkungen der Klimakrise auf das Great Barrier Reef, findet ihr in unserem Forschungs- und Klimablog.
Ozeanversauerung – die Grenzen der Anpassung
Pressemitteilung, 11.07.2016, GEOMAR
Weltweit längstes Labor-Experiment mit der Kalkalge Emiliania huxleyi zeigt, dass evolutionäre Anpassung an Versauerung nur eingeschränkt möglich ist
Die wichtigste einzellige Kalkalge der Weltmeere, Emiliania huxleyi, ist grundsätzlich in der Lage, sich durch Evolution an Ozeanversauerung anzupassen. Das bisher längste Evolutionsexperiment mit diesem Organismus zeigt jedoch, dass das Anpassungspotenzial nicht so groß ist, wie ursprünglich angenommen. So konnte sich die Wachstumsrate unter erhöhten Kohlendioxid-Konzentrationen auch nach vier Jahren nicht weiter nennenswert verbessern. Die Kalkbildung war sogar geringer als bei heutigen Zellen von Emiliania huxleyi. Die Studie zeigt, dass die evolutiven Effekte im Phytoplankton komplexer sind, als bisher angenommen.
In einem bislang einmaligen Evolutionsexperiment demonstrierten Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und des Thünen-Instituts für Seefischerei, dass sich die wichtigste einzellige Kalkalge der Weltozeane, Emiliania huxleyi, nur begrenzt per Evolution an Ozeanversauerung anpassen kann. Dass die Anpassung per Evolution möglich ist, hatten GEOMAR-Wissenschaftler bereits 2012 bewiesen. Jetzt, vier Jahre nach Start des Experiments, hat sich die Anpassung in den Wachstumsraten der Kalkalge nur wenig verbessert. „Das Anpassungspotential von Emiliania huxleyi ist doch geringer als ursprünglich vermutet. Auch nach vier Jahren Evolution kann die Kalkalge die Beeinträchtigungen des Wachstums durch Versauerung nicht komplett kompensieren“, erklärt Dr. Lothar Schlüter, Erstautor der Studie und ehemaliger Doktorand am GEOMAR. Ihre Ergebnisse, die im Rahmen des Exzellenzclusters „The Future Ocean“ und des deutschen Forschungsverbunds BIOACID (Biological Impacts of Ocean Acidification) gewonnen wurden, stellen die Forscher jetzt im Fachmagazin Science Advances vor.
Basis der Untersuchung war eine einzelne Zelle der Kalkalge aus dem Raunefjord in Norwegen. Da sich Emiliania huxleyi im Labor etwa einmal am Tag durch Teilung vermehrt, konnten aus dem Isolat zahlreiche genetisch zunächst identische Kulturen gewonnen werden. Für die Studie wurden jeweils fünf Kulturen unter konstanter Temperatur und drei unterschiedlichen Konzentrationen an Kohlendioxid (CO2) gehalten: Einem Kontrollwert mit heutigen Verhältnissen, den Bedingungen, die nach den kritischsten Berechnungen des Weltklimarats gegen Ende dieses Jahrhunderts erreicht werden könnten, und dem höchstmöglichen Grad an Versauerung.
Nach vier Jahren, beziehungsweise 2100 Algen-Generationen später, stellten die Wissenschaftler fest: Die Zellen angepasster Populationen teilten sich zwar deutlich schneller als die nicht-angepassten, wenn beide der Ozeanversauerung ausgesetzt waren. Aber ihre Fitness verbesserte sich nur unwesentlich. Nach einem Jahr trat zunächst eine leichte Steigerung der Wachstumsraten relativ zu den Kontrollkulturen ein, später jedoch kaum noch – was im Gegensatz zu vielen anderen Evolutionsexperimenten steht. „Offenbar hat die Anpassung Grenzen, und die Beeinträchtigung der Wachstumsrate kann durch Evolution nicht komplett kompensiert werden“, so Schlüter.
Einzellige Kalkalgen wie Emiliania huxleyi binden in ihren Kalkplättchen (Coccolithen) Kohlenstoff. Diese Kalkplättchen spielen als Ballast eine wichtige Rolle für den Kohlenstofftransport in den tiefen Ozean – und somit für die Fähigkeit der Weltmeere, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen und die Folgen des Klimawandels abzumildern. „Drei Jahre nach Beginn des Experiments war die Produktion an Kalkplättchen in den an höhere CO2-Konzentrationen angepassten Kulturen geringer als bei nicht-angepassten“, berichtet Prof. Thorsten Reusch, Leiter der Marinen Ökologie und Koordinator der Studie. „Uns überraschte, dass dieser Effekt nicht gleich zu Beginn des Experiments eintrat – denn wenn die Ozeanversauerung die biologische Kalkbildung behindert, müsste diese direkt reduziert werden.“ Entgegen der 2012 publizierten Ergebnisse über die Beobachtungen im ersten Jahr des Experiments konstatieren die Forscher jetzt, dass Evolution die negativen Effekte auf die Kalkbildung der einzelnen Mikroalgen verstärkt.
Die langfristig an Ozeanversauerung angepassten Kulturen hatten ihre Fähigkeit zur Bildung von Kalkplättchen jedoch nicht grundsätzlich reduziert. Wenn diese wieder heutigen CO2-Konzentrationen ausgesetzt wurden, war die Produktion wieder genauso hoch wie bei heutigen Kalkalgen. „Die Algen reduzieren die Kalzifizierung nur dann, wenn diese für sie aufwändiger ist – nämlich unter Ozeanversauerung“, betont Prof. Reusch. Zurzeit laufen weitere Untersuchungen, um die zellbiologischen Mechanismen zu verstehen, durch die ihre Kalkbildung reguliert wird. „Die evolutionäre Antwort von Phytoplankton-Organismen ist bei weitem komplexer als ursprünglich angenommen. Laborexperimente mit einzelnen Arten helfen uns, sie besser nachzuvollziehen. Nur mit diesem Wissen können wir abzuschätzen, wie der globale Wandel den Kohlenstoffkreislauf in Zukunft ändern wird.“
Diese Pressemitteilung findet ihr bei GEOMAR.
Neuste Entdeckungen zur Anpassung von Kalkalgen an die Ozeanversauerung findet ihr in unserem Beitrag „Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten“.
Meeresboden als Langzeitdeponie für Plastik
Pressemitteilung, 10.02.2016, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Kieler Meeresforscher untersuchen Abbau von Plastiktüten im Sediment
Gemeinsame Pressemitteilung des Exzellenzclusters ‚Ozean der Zukunft‘ und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel
Egal ob an den Küsten der Antarktis oder auf den Sedimenten der Tiefsee – es gibt mittlerweile kaum noch einen Ort auf der Erde, an dem kein Plastikmüll zu finden ist. Doch wie lange Kunststoffe in den Meeren verbleiben, bis sie abgebaut sind, ist bislang kaum untersucht. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ hat jetzt die Veränderungen von handelsüblichen Polyethylen-Tüten mit denen von sogenannten kompostierbaren Plastiktüten in zwei für den Meeresboden typischen chemischen Umgebungen untersucht. Wie das Team in der internationalen Fachzeitschrift Marine Pollution Bulletin schreibt, haben Bakterien die kompostierbaren Tüten zwar deutlich schneller besiedelt. „Ein Abbau oder auch nur eine Veränderung des Materials war bei beiden Tüten nach hundert Tagen aber nicht feststellbar“, sagt Alice Nauendorf, Erstautorin der Studie.
Für die Untersuchungen hat das Team Sedimentproben aus der Eckernförder Bucht in der westlichen Ostsee genutzt. „In den oberen Schichten dieser Sedimentproben war noch Sauerstoff vorhanden, in den unteren nicht. Das ist typisch für Meeresböden weltweit“, erklärt die Meeresbiologin Nauendorf und ergänzt: „Diese Schichten unterscheiden sich auch in den Bakterienarten, die dort leben.“
In einem Laborexperiment wurden die beiden Tütensorten in jeweils sauerstoffhaltigem und sauerstoffarmen Sediment für rund hundert Tage eingelagert. Die sogenannte kompostierbare Tüte bestand nach Herstellerangaben aus biologisch abbaubarem Polyester, aus Maisstärke sowie aus nicht näher bezeichneten Inhaltsstoffen.
Anschließend nutzte das Team eine ganze Reihe von Analysemethoden wie hochpräzisen Gewichtsmessungen, die Fluoreszenzmikroskopie oder auch Rasterelektronenmikroskop-Untersuchungen, um mögliche Veränderungen des Materials nachzuweisen. „Wir konnten deutlich sehen, dass die kompostierbaren Tüten stärker mit Bakterien besiedelt waren – in den sauerstoffhaltigen Schichten fünfmal stärker, in den sauerstofffreien Schichten sogar achtmal stärker als die Polyethylen-Tüte“, sagt Nauendorf.
Gleichzeitig zeigten die Untersuchungen aber auch, dass sich das Material beider Tüten in den Hundert Tagen des Versuchs nicht verändert hat. „Es gab weder eine Gewichtsabnahme noch chemische Veränderungen. Demnach hat also kein Abbau stattgefunden“, betont Prof. Dr. Tina Treude, Hauptautorin der Studie, die mittlerweile an der University of California , Los Angeles (UCLA) arbeitet. Der genaue Grund für die unterschiedliche Besiedlung mit Bakterien blieb noch offen. „Wir konnten in der Polyethylen-Tüte einen antibakteriellen Stoff nachweisen. Möglicherweise hat er eine intensivere Besiedlung durch Bakterien unterbunden“, so Nauendorf.
Doch trotz der noch offenen Fragen zeigt der Versuch, dass Plastikabbau in den Sedimenten der Meere – wenn überhaupt – nur sehr langsam vonstattengeht. Auch die Besiedlung mit Bakterien ist offensichtlich keine Garantie für die chemische Umsetzung eines Stoffes. „Die Studie legt die Befürchtung nahe, dass die Sedimente der Meere eine Langzeitdeponie für Plastikmüll werden können. Was das mit den Ökosystemen der Meere macht, müssen zukünftige Studien noch zeigen“, sagt Professorin Treude.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Hier findet ihr die zugehörige Studie.
Nicht nur größere Plastikteile, auch Mikroplastik belastet den Meeresboden noch stärker, als bisher angenommen. Auf der anderen Seite wurde in einer Studie gezeigt, dass Plastikmüll am Meeresboden als neuer Wohnort für einige Tiere dienen kann. Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass diese neue Besiedelung starke Auswirkungen auf das Ökosystem hat.
Einblicke in die Arbeit von Tiefseeforscherin Antje Boetius
Meeresbiologin Antje Boetius gibt in dem Interview mit ARD-Alpha einen spannenden Einblick in ihre Arbeit als Tiefseeforscherin. Sie spricht über ihre Faszination zur Tiefsee und den heutigen Problemen, mit dem dieser einzigartige Lebensraum zu kämpfen hat.
Das komplette Videointerview vom 25.02.2015 könnt ihr euch in der BR Mediathek anschauen.
Ozeanversauerung: Schwer zu verdauen
Forscher:innen aus Schweden und Deutschland haben anhand der Larven des Grünen Seeigels (Strongylocentrotus droebachiensis) gezeigt, dass marine Lebewesen Nahrung in saurerem Wasser schlechter verdauen können. Mithilfe neuer Testverfahren, die es ermöglichten, die Verdauung und die Verdauungsenzyme mariner Lebewesen zu untersuchen, belegte die Gruppe, dass ein niedriger pH-Wert einen hohen Energieaufwand zur Folge hat, weshalb sich die Verdauung verlangsamt.
In den Verdauungsorganen besteht nämlich – anders als bei Säugetieren – ein hoher pH-Wert. Das Milieu in den Verdauungsorganen muss folglich basisch sein, damit die Verdauung gut funktioniert. Daher wird der pH-Wert in den Organen aktiv auf einem gleichbleibenden hohen pH-Wert gehalten. Sinkt der pH-Wert im Meer, muss viel Energie aufgewendet werden, um die immer größer werdende Differenz zwischen dem pH-Wert des Verdauungstrakts und dem des Wassers aufrecht zu erhalten. Die Forscher:innen belegten, dass sich mehr pH-Wert regulierende Enzyme an der Darmwand befanden, wenn der pH-Wert des Wassers niedrig war. Wegen der gesunkenen Effektivität des Verdauungsprozesses benötigten Seeigel-Larven mehr Nahrung, um ihren Energiebedarf zu decken.
Gelangt immer mehr CO2 in die Atmosphäre, nehmen die Ozeane ihre Pufferwirkung wahr und lösen CO2. Dadurch sinkt der pH-Wert der Meere. Erwärmt sich jedoch die Erde und fischen wir auch in Zukunft so rigoros und ohne Rücksicht auf die marine Tierwelt, wird auch die Biodiversität sinken. Dadurch fänden die Seeigel noch weniger Nahrung als bisher, obwohl sie aufgrund der Ineffizienz ihres Verdauungssystems eigentlich mehr Nahrung bräuchten. Folgen könnten ein gehemmtes Wachstum, Unfruchtbarkeit oder das Sterben von Larven und adulten Tieren sein. Anhand dieses Beispiels erkennt man wieder einmal, wie sehr die Ozeane unter der Masse der menschengemachten Stressoren leiden, weil jedes einzelne Problem andere Probleme weiter verschärft.
Den Artikel Ozeanversauerung: Schwer zu verdauen vom 15.11.2013 findet ihr auf der Seite des GEOMARs.
Mehr Informationen zur Ozeanversauerung findet ihr in unserem Factsheet.
Forscher:innen finden Leben in der ozeanischen Kruste
Forscher:innen haben tief in der ozeanischen Kruste Mikroorganismen nachgewiesen, nachdem sie in Proben, die eine Expedition 2004 vor der Küste des Bundesstaates Oregon genommen hatte, Gene identifizierten, die zur Verarbeitung von Methan und Sulfaten notwendig sind. Um dann auszuschließen, dass diese Gene von schon gestorbenen Mikroorganismen stammen, haben die Forscher:innen daraufhin versucht, diese Mikroorganismen zu kultivieren, da dafür lebende Mikroorganismen notwendig sind. Nach sieben Jahren konnte schließlich Methan – ein Stoffwechselprodukt der Mikroorganismen – nachgewiesen werden, sodass klar war, dass sich in den Proben lebende Mikroorganismen befinden.
Die Forscher:innen wollen nun untersuchen, wie viele verschiedene Arten von Bakterien sich in der Erdkruste befinden und welchen Einfluss diese Mikroorganismen auf den Kohlenstoff-Kreislauf haben. Es ist bereits bekannt, dass die ozeanische Kruste eine große Kohlenstoffsenke darstellt, während durch sie viele Schwefelverbindungen in den Ozean gelangen. Dadurch, dass diese Mikroorganismen scheinbar Sulfate verarbeiten, haben sie folglich einen Einfluss auf das Gleichgewicht im Ozean.
Den Artikel Forscher finden Leben tief unter dem Meer von Nina Weber vom 14.03. 2013 findet ihr bei Spiegel Online.
Auch in Bezug auf das Auftauen des Permafrostbodens spielen Bakterien eine große Rolle. Taut der Permafrostboden wegen der Erderwärmung auf, zersetzen Bakterien die im Permafrostboden enthaltenen organischen Materialien und stoßen das Treibhausgas Methan aus, wodurch sich die Erde weiter erwärmt. Daher wird das Schmelzen des Permafrostbodens als ein Kipppunkt bezeichnet.
DBG: Lingulodinium polyedrum lässt das Meer leuchten
Pressemitteilung, 02. Januar 2013, Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft
Algenforscher haben den Einzeller Lingulodinium polyedrum zur Alge des Jahres gewählt.
Der mit einem Panzer und zwei Geißeln ausgestattete Dinoflagellat fasziniert nicht nur die Forschenden sondern auch Skipper und Strandgänger, weil er sich unter bestimmten Bedingungen massenhaft vermehren und nachts das Meer blau leuchten lassen kann. Die Wissenschaftler, die den Dinoflagellaten auswählten und in der Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft organisiert sind, wollen damit eine Algenart würdigen, deren Leuchtfähigkeit fasziniert, einen ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus hat und als Sensor genutzt wird, wie PD Dr. Mona Hoppenrath vom Deutschen Zentrum für marine Biodiversitätsforschung DZMB bei Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven ausführt.
Schwimmt im Phytoplankton
Lingulodinium polyedrum gewinnt seine Energie wie Pflanzen durch Photosynthese und lebt deshalb in den lichtdurchfluteten oberen Schichten temperierter und warmer Meere. Wie alle Dinoflagellaten hat Lingulodinium zwei Geißeln, mit denen er sich im Wasser fortbewegt. Eine der beiden Geißeln treibt ihn mit Wellenbewegungen an, sodass sein Körper rotiert. So kam die Art zu ihrem Namen, da „dineo“ sich drehen oder wirbeln bedeutet. Nachts wandern Dinoflagellaten um sich rotierend mehrere Meter in die Tiefe, wo sie Nährstoffe aufnehmen, wie etwa Nitrat. Sind genügend Nährstoffe vorhanden, und hat das Meer eine für sie optimale Temperatur, kann sich der Flagellat massenhaft vermehren. Wie viele Dinoflagellaten ist Lingulodinium außen von einer Hülle aus stabilen Platten geschützt, weshalb diese Lebewesen im deutschen Sprachraum oft als „Panzergeißler“ bezeichnet werden. In unseren Breiten machen Dinoflagellaten gemeinsam mit Kieselalgen den Hauptteil des pflanzlichen Planktons aus. Unter für sie günstigen Bedingungen können sich Dinoflagellaten massenhaft vermehren und dann das Meer rötlich, orange oder braun färben, je nach den in ihnen enthaltenen Farbstoffen.
Wie der Dinoflagellat das Meer färbt
Lingulodinium polyedrum ist einer der wenigen Dinoflagellaten, die mit einer biochemischen Reaktion in ihrem Inneren blaues Licht erzeugen können. Dieses Biolumineszenz genannte Phänomen bewerkstelligt der Einzeller in winzigen, abgeschlossenen, organartigen Abteilen in seinen Zellen, den sogenannten Szintillonen, die das dazu notwendige Enzym und ein Binde-Eiweiß für das Substrat enthalten. Lingulodinium erzeugt blaue Lichtblitze, wenn Scherbewegungen an ihm rütteln oder die Zellen aufgebrochen werden und glimmt, besonders gegen Ende der Nacht. Werden mehrere Millionen Zellen gleichzeitig geschüttelt, etwa durch Boote oder sich brechende Wellen, verschwimmen Lichtblitze und Glimmen der einzelnen Zellen zu einem Leuchten. Das ist besonders gut an manchen Küsten während der Nacht zu beobachten. In unserer Region tritt das Phänomen im Sommer vor der Küste Helgolands auf, wo es allerdings von dem Dinoflagellaten Noctiluca erzeugt wird. An nordeuropäischen Küsten ist aufgrund des kühlen Klimas dagegen kaum mit einer Massenvermehrung von Lingulodinium zu rechnen.
Leuchten zur Feindabwehr?
Noch ist nicht endgültig geklärt, warum Lingulodinium polyedrum nachts überhaupt leuchtet. Einer bislang nicht widerlegten Hypothese zufolge locken die Dinoflagellaten damit Raubtiere an, die die sie selbst bedrohenden Feinde auffressen. „Versuche zeigten, dass Fische, die Räuber von Dinoflagellaten beispielsweise kleine Krebse fressen, in der Nacht effektiver jagen, wenn die Dinoflagellaten leuchten. Dies wird als „burglar alarm“ Hypothese, also als eine Art Alarmanlagenfunktion diskutiert“ erklärt Hoppenrath, die bereits 21 neue Arten der weltweit etwa 2000-2500 vorkommenden Arten von Dinoflagellaten erstmals beschrieben und mit einem Namen versehen hat. „Es ist wichtig, die einzelnen Arten zu benennen und wissenschaftlich exakt zu beschreiben, weil das die Grundlage für viele wissenschaftliche wie angewandte Disziplinen ist. Das ist wichtig für Ökosystem- oder Biodiversitätsforscher, für Evolutionsbiologen und für Menschen im Fischereiwesen“, fasst die auf die Klassifikation (Taxonomie) von Dinoflagellaten spezialisierte Biologin ihre Arbeit zusammen.
Mehr interdisziplinäre Forschung ist notwendig
Lingulodinium polyedrum wird mit Substanzen in Verbindung gebracht, die auch von anderen Panzergeißlern bekannt sind. Vermutlich ist er in der Lage, die als Yessotoxin und Saxitoxin bezeichneten Stoffe herzustellen, die in der Lebensmittelsicherheit eine Rolle spielen. Für den Menschen werden sie dann bedenklich, wenn sie in der Nahrungskette angereichert werden. Damit Menschen keine zu großen Mengen davon aufnehmen, weil sie Schalentiere wie Muscheln oder Krebse essen, die das Meerwasser filtrieren und diese Substanzen daher im Laufe ihres Lebens anreichern, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2009 Grenzwerte für den Verzehr von Schalentierfleisch festgelegt. In welchen Mengen Lingulodinium polyedrum die beiden Stoffe produziert, ist aber bislang nicht exakt bestimmt. Da aber nie ganz auszuschließen ist, ob sich nicht auch andere, bedenklichere Organismen in den leuchtenden Wellen befinden, sollte Vorsicht beim Baden walten. Denn andere Arten von Dinoflagellaten können durchaus relevante Mengen Toxine produzieren, die dem Menschen auch ohne Verzehr gefährlich werden können. Daher sei es so wichtig, Dinoflagellaten genau zu klassifizieren, betont Hoppenrath. Zur weiteren Forschung sollten nicht nur Toxikologen oder Ernährungsforscher, sondern auch auf die Verwandtschaftsverhältnisse (Taxonomie) spezialisierte Biologen beitragen.
Lingulodinium hat ein Nachtleben
Für Lingulodinium polyedrum interessieren sich auch andere Forscher, weil er einem ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus folgt. Das Meeresleuchten entsteht hauptsächlich nachts. „In der Nacht gibt es eine viel größere Anzahl von Szintillonen als am Tag. Diese enthalten die nachts auch vermehrt vorkommenden Eiweiße, die an der biolumineszenten Reaktion beteiligt sind, “, führt Professorin Dr. Maria Mittag aus, die den Regulatiosmechanismus eines dieser Eiweiße des Tag-Nacht-Rhythmus an Lingulodinium polyedrum erforschte, als dieser noch den wissenschaftlichen Namen Gonyaulax polyedra trug. Auch die Wanderung von den oberen Meeresschichten in die Tiefe werde bei Lingulodinium polyedrum von seiner inneren Uhr gesteuert. „Interessanterweise ist die Periode des Biolumineszenz-Rhythmus bei Lingulodinium aber etwas kleiner als 24 Stunden, im Gegensatz zum Menschen, bei dem der Schlaf-Wach-Rhythmus – ohne die tägliche Justierung durch den Wechsel von Sonne und Nacht – bei etwa 25 Stunden liegt“, erklärt Professorin Mittag.
Lingulodinium polyedrum fasziniert Biologen, weil er noch einige genetische Geheimnisse birgt. Bislang weiß niemand genau, warum dieser winzige Organismus viel mehr Erbsubstanz enthält, als der sehr viel größere Mensch oder warum die Gene für manche Eiweiße in tausenden von Kopien vorkommen, wie etwa die des genannten Bindeproteins oder das des Farbstoffes Peridinin, der ihm seine orange-braune Farbe verleiht. Die vielen Kopien erschweren es auch, ihn wissenschaftlich zu untersuchen, um etwa molekularbiologische Prozesse zu enträtseln.
Nutzung als Sensor
Wegen seiner Leuchtfähigkeit kann der Panzergeißler Lingulodinium polyedrum auch zum Messen von Giften und / oder neuen Wirkstoffen genutzt werden. Beispielsweise kann bei toxischen Substanzen der Zeitpunkt bestimmt werden, ab wann die meisten Lingulodinium-Zellen absterben und zerfallen, was am stärkeren Aufleuchten zu erkennen ist. Zum anderen können Lingulodinium-Zellen als Sensor für Versuche über Zellstress dienen, der sich ebenfalls über die Biolumineszenz messen lässt. „Als Testsystem eignet sich Lingulodinium besonders gut, weil er sich recht gut kultivieren lässt, weil schon einiges über ihn bekannt ist und die Biolumineszenz automatisiert zu messen ist“, erklärt Hoppenrath. „Außerdem kann mit diesem Einzeller die Zahl von Tierversuchen, mit denen sonst solche Erkenntnisse gewonnen werden, vermindert werden“.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft.
20.000 Pinguine durch Ölpest im Atlantik bedroht
Nachdem ein Frachtschiff gekentert ist, sind rund 20.000 seltene Felsenpinguine an der südafrikanischen Inselgruppe Tristan da Cunha durch das ausgelaufene Öl bedroht. Tierschützer:innen konnten etwa 500 Pinguine in eine Tierstation bringen, um sie dort von dem Öl zu befreien, bevor ihnen das Reinigungsmittel ausging. Da das Gebiet eines der abgelegensten der Welt ist, dauert es Tage, bis Nachschub vorhanden ist. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, da das Gefieder der Pinguine durch die Ölschicht seine isolierende Wirkung verliert und die Tiere durch Unterkühlung sterben könnten. Zudem versuchen viele Tiere ihr Gefieder mit ihrem Schnabel zu säubern. Dadurch gelangen die giftigen Substanzen auch in die Körper und können ebenfalls zum Tod der geschützten Pinguine führen.
Den Artikel Pinguine durch Ölpest im Atlantik bedroht vom 24.03.2011 findet ihr auf der Seite der OÖNachrichten.
Der Artikel Öl – Tödliche Gefahr für die Meere vom NABU geht noch tiefer auf die weiteren Auswirkungen von jeder einzelnen Ölpest ein.
Weitere Informationen erhaltet ihr in unserem Infotext Öl- und Gasplattformen.
Da Schiffsöl nicht nur Umweltzerstörungen hervorruft, wenn es ausläuft, wird nach Alternativen gesucht. In unseren Artikeln NABU-Studie zu Schiffstreibstoff: Klimaschutz mit Ammoniak vom 30.06.2021 und Flüssiggas klimaschädlicher als gedacht vom 20.01.2020 beleuchten wir zwei zur Diskussion stehenden Treibstoffe.
Bioplastik ist nicht immer „grün“
Pressemitteilung, 22.10.2010, pressetext
Gesamter Lebenszyklus genauso schädlich wie bei Erdöl-Polymeren
(pte021/22.10.2010/13:40) – Plastik, das aus Pflanzenbasis hergestellt wurde, ist mindestens genauso umweltschädlich wie Kunststoffe aus Erdöl. Das zeigt sich, wenn man sowohl die Nachhaltigkeit des Materials selbst als auch den Lebenszyklus der nötigen Ressourcen berücksichtigt, kommen Forscher der University of Pittsburgh http://www.pitt.edu in der Fachzeitschrift „Environmental Science & Technology“ zum Schluss.
Zwar haben Biopolymere den Vorteil, dass sie biologisch abbaubar und weniger toxisch sind und erneuerbare Ressourcen verwenden. Was ihre Gesamtbilanz aber zunichte macht, ist die Herstellung der Ausgangsstoffe. „Die Landwirtschaft und die chemische Verarbeitung, die zur Produktion nötig sind, verschlingen ebenfalls Energie und setzen Unmengen an Düngemittel und Pestiziden in die Umwelt frei“, berichtet Studienleiter Michaelangelo Tabone.
Umwelt leidet an Produktion
Die Forscher untersuchten dazu zwölf verschiedene Polymere, die als Grundlage Zucker und Maisstärke (PLA-NW und PLA-G), Maisstängel (PHA-S), Maiskörner (PHA-G), Erdöl (PVC, PC, HDPE, PET, LDPE) oder Propengas (PP) verwenden sowie auch eine Hybridplastik, die sowohl auf Erdöl als auch Pflanzen basiert (B-PET). Zunächst analysierten sie den gesamten Lebenszyklus einer 30 Gramm schweren Kugel des jeweiligen Polymers in Hinsicht auf Umwelt, Gesundheit, Energieeinsatz, Rohmaterialien und zur Produktion nötige Chemikalien. Dann prüften sie, wie verträglich und energieintensiv das Endprodukt und dessen Abbau ist.
Jedes Bioplastik hat ihre Tücken, so das Ergebnis. Alle Biopolymere überdüngen die Gewässer und zerstören die Ozonschicht. Zwei der Maisvarianten tragen maßgeblich zur Versäuerung der Umwelt bei, jene auf Maiskörner-Basis braucht zudem beträchtliche Mengen fossiler Treibstoffe. Selbst im Vergleich der krebserregenden Inhaltsstoffe liegt Bioplastik nur im Mittelfeld. Insgesamt am schlechtesten schnitt Hybrid-Plastik ab, das laut den Forschern alle möglichen Nachteile sowohl der Erzeugung als auch der Abbaubarkeit in sich vereint.
Besser vermeiden als ersetzen
Umweltexperten sehen die Suche nach dem am wenigsten umweltschädlichen Kunststoff mit Skepsis. „Die Frage sollte bereits lauten, ob wir diese kurzlebigsten Verpackungsstoffe überhaupt brauchen“, kritisiert Markus Meissner vom österreichischen Ökologieinstitut http://www.ecology.at gegenüber pressetext. Bioplastik sei derzeit noch teuer, werde jedoch von Lebensmittelketten bereits für erste Produktverpackungen verwendet. „Man ersetzt ein Einwegprodukt durch ein anderes. Den ernormen Entwicklungsaufwand dafür sollte man besser für Abfallvermeidung und Wiederverwendung einsetzen“, so der Experte für Ressourcenmanagement.
Im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft 2008 hat das Ökologieinstitut mit dem deutschen Öko-Institut und der Schweizer carbotech AG die von den Veranstaltern als „umweltfreundlich“ beworbenen Getränkebecher aus Maisplastik untersucht. Die ökologische Nutzen der biologischen Abbaubarkeit ist zu vernachlässigen gegenüber dem Erzeugungsaufwand, so das Ergebnis (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/080110025/ ).
Diese Pressemitteilung findet ihr bei pressetext.
In einer anderen Studie wurde der Abbau im Meer von Bioplastik mit dem von Plastik aus Erdölbasis verglichen – Unterschiede wurden erschreckend wenige festgestellt.